Ein Festival der Belanglosigkeit
(hpk) „Glasklare Ziele“ will Jörg-Peter Rau aus dem Mund des neuen Oberbürgermeisters bei dessen Amtsantritt gehört haben und verbreitet das denn auch zweiseitenlang im Konstanzer Lokalteil der Heimatzeitung. Das ist zuviel der voraus eilenden Lobhudelei. Denn was die 200 Gäste im Ratssaal zu hören bekamen, war an Belanglosigkeit kaum zu überbieten. Wobei Uli Burchardt nicht einmal den Vogel abschoss
Von den Ehrengästen durfte man Neues oder Originelles in ihren Grußworten wohl kaum erwarten. Aber was die Vertreter der Rathaus-Fraktionen zum Besten gaben, war schon schwer verdaulich. Ob Christiane Kreitmeier für die FGL oder Jürgen Ruff für die SPD, ob Ewald Weisschedel für die Freien Wähler oder Roger Tscheulin für die CDU – Gemeinplätze, Artigkeiten und Versprechen zur guten Zusammenarbeit. Das war’s dann schon. Allein Jürgen Wiedemann (UFG) mit seinem Ehe-Gleichnis und Heinrich Everke mit seinem Wald-Vergleich ließen aufmerken – sie hatten wenigstens die Lacher auf ihrer Seite.
Und der neue OB? „Wohnen, Verkehr und Wirtschaft“ will er zu seinen Schwerpunkt-Themen machen. Was für eine Überraschung. Wer als Wahlsieger in Konstanz nicht für neuen Wohnraum sorgen wollte, das Verkehrsproblem nicht anginge und die Wirtschaft vergraulen wollte, der könnte seinen Hut schon vor dem Dienstantritt nehmen. Und wie schon in seinen Wahlkampf-Reden vermied Burchardt auch in seiner Antrittsrede jede Konkretisierung, jede zündende oder sogar neuartige Idee.
Bei aller Bescheidenheit: Allein Holger Reile von der Linken Liste Konstanz wurde in seinem Grußwort konkret und politisch. Und nur der Umstand, dass Reile auch seemoz-Redakteur ist, darf uns nicht daran hindern, seine Rede zu dokumentieren. Damit nicht der Eindruck entsteht, Gemeinderatsarbeit würde zur gänzlich unpolitischen Veranstaltung. Holger Reiles Rede im Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr Burchardt, Kolleginnen und Kollegen, liebe Anwesende
Auch von unserer Seite seien Sie herzlich begrüßt und willkommen geheißen als neuer Oberbürgermeister dieser Stadt. Ich möchte Ihnen aber auch in gebotener Kürze umreißen, was mit uns, der Linken Liste Konstanz, geht und was nicht geht.
In Ihrem Wahlkampf war viel die Rede von mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung und vor allem von Nachhaltigkeit. Hehre Begriffe, die aber nur dann zum Tragen kommen, wenn sie mit Inhalt gefüllt und auch zügig umgesetzt werden. Ich will hier auf einige Punkte zu sprechen kommen, die uns wichtig sind.
Sie werden uns mit im Boot haben, Herr Oberbürgermeister, wenn die vorhandenen Pläne für eine Lösung des Konstanzer Verkehrsproblems endlich greifen. Da gab es während des OB-Wahlkampfs nicht nur von Ihrer grünen Gegenkandidatin vernünftige Vorschläge, die auf ihre Verwirklichung warten. Nicht an Ihrer Seite werden Sie uns allerdings haben, wenn in dieser wichtigen Frage weiterhin Flickschusterei betrieben wird und Sie sich auf die Seite diverser Lobbyistenzirkel schlagen, die behaupten, durch ein Park & Ride-Konzept und einer auf die Verhältnisse angepassten City-Maut drohe der Untergang des motorisierten Abendlands. Aber wir gehen davon aus, dass Sie als Mitglied der globalisierungskritischen Organisation attac ein offenes Ohr haben werden für eine ökologisch sinnvolle und nachhaltige Verkehrspolitik zum Wohle der Stadt Konstanz.
An Ihrer Seite sind wir auch, wenn es darum geht, das Wohnungsproblem zu lösen, unter dem immer mehr Menschen in unserer Stadt leiden. Die Mietpreise explodieren ständig und ein Ende ist nicht abzusehen. Habgier scheint keine Grenzen zu kennen. Es geht nicht nur darum, neue Studentenbuden zu bauen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass ganz normale Familien mit oder ohne Kinder einen Chance haben, mit bezahlbarem Wohnraum versorgt zu werden. Schon im Februar Jahr regten wir von der Linken Liste an, einen Runden Tisch zu diesem Thema ins Leben zu rufen. Diese Anregung sei hiermit nachhaltig erneuert und wir hoffen auf Ihre Unterstützung, denn es besteht dringendster Handlungsbedarf.
Während der Wahlkampfwochen kamen – wenn es um Kultur ging – auch Themen zur Sprache, die für uns bestenfalls von nachrangiger Bedeutung sind. Erneut wurden Begehrlichkeiten nach einem Konzert- oder Musikhaus geweckt – auch von Ihrer Seite. Dafür sind wir, vor allem aus finanziellen Überlegungen, nicht zu haben. Anstatt dieses Fass ohne Boden ein weiteres Mal zu öffnen, sollten wir darum bemüht sein, das zu bewahren, was wir haben und die noch zur Verfügung stehenden Gelder für Bildung, Schulen, Kinder, Projekte wie die soziale Stadt und die notwendige Daseinsfürsorge zu verwenden. Stichwort Krankenhaus: Es muss in kommunaler Hand bleiben, für andere Lösungen sind wir nicht zu haben.
Auf kulturellem Gebiet wünschen wir uns nicht nur den Einsatz für Museen, Stadttheater und Philharmonie, sondern auch eine verstärkte Berücksichtigung wichtiger Initiativen wie Kulturladen, K9, Zebra-Kino und einige andere – denn auch sie bilden das kulturelle Rückgrat unserer Stadt.
Kritisch sehen wir die Vorbereitungen hinsichtlich des Konziljubiläums, das auch Sie, Herr Oberbürgermeister, als Chance für Konstanz bezeichnet haben. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch wir sind der Meinung, dass man an das Konstanzer Konzil erinnern sollte. Aber bitte mit Augenmaß, vor allem in finanzieller Hinsicht. Grünes Licht wird es von unserer Seite für wichtige Veranstaltungen geben, nicht aber für Wolkenschiebereien und Wunschkonzerte mit ungewissem Ausgang.
Mindestens fünf Millionen Euro soll die Stadt für das Jubiläum beitragen – bis heute aber fehlt ein nachvollziehbarer Finanzplan, der uns bereits für das erste Halbjahr 2012 versprochen wurde. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass viele anstehende Projekte mit dem Konziljubiläum verbunden werden – frei nach dem Motto: Jetzt zeigen wir den Besuchern aus aller Welt mal, wie schön wir für sie unsere Stadt heraus putzen können – auch wenn wir bislang nicht wissen, wer das alles bezahlen soll. Das kann aber nicht unsere vorrangige Aufgabe sein. Unsere Aufgabe ist vielmehr, zuallererst mittel- und langfristig für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt zu planen und nicht nur für ein Jubiläum von begrenzter Dauer.
Ein Letztes noch: In den vergangenen Jahren hat dieses Gremium unter Ihrem Vorgänger immer eindeutig Stellung gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und braune Umtriebe bezogen. Wir gehen davon aus, dass diese Tradition auch während Ihrer Amtszeit fortgesetzt wird.
Bei diesen wenigen Anmerkungen will ich es belassen. Nach Ihrer Wahl, Herr Oberbürgermeister, wünschten Ihnen viele eine glückliche Hand. Wir schließen uns da gerne an, obwohl eine, aber das wissen Sie, sicher nicht reichen wird.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit“
Auch Peugeot macht neuerdings Werbung mit den Worthülsen von Ueli, dem Bergbauern und Oberförster aus Kaltbrunn. Die Peugeot-Werbung auf Ö3 heute morgen:
1. Nachhaltigkeit
2. Effizienzsteigerung
3. Resourcen-Schonung
Was hab ich gelacht.Das baut auf und so fängt der Tag gut gelaunt an.
Für die Huldigungstiraden- und Kneipenfraktion eine Passage aus „Geschichte der Stadt Konstanz,Band 2,Seite 10“.
Die Schulden von König und Papst
Hinterlassen haben vor allem die hochgestellten Teilnehmer am Konzil hohe Schulden. Der grösste Schuldner war König Sigismund selbst….
Anständiger verhielt sich die Apostolische Kammer, sie hat in den Jahren 1417 und 1418 versucht, die Schulden zu begleichen …
lg Franz Zeller
Als Vierzehnhundertschießmichtot König Sigismund der Erste in Konstanz aufmarschierte muss es ähnliche Huldigungstiraden gegeben haben wie jetzt bei Uli dem Ersten. Irgendwie muss es ein Archetypus menschlichen Verhaltens sein, sich über Gebühr anzubiedern, wie das nun Kreitmeier (Grüne) Wiedemann von der Kneipenfraktion oder Everke von den Freien Wählern mit ihren peinlichen Unterwerfungsgesten gegenüber dem neuen Konstanzer Grüß-Gott August getan haben. Solche Leute waren mir schon in der Grundschule suspekt. Das waren immer die, die sich in der kleinen und großen Pause um den Klassenlehrer geschart haben, um sein Gunst zu erheischen.
Liebe Redaktion,
ein kritisches Medium wie das Ihre braucht auch ab und zu mal kritische Leserkommentare. Bei der Lektüre ihres Artikels (Verfasserangabe fehlt) war mir nicht ganz wohl ob einer notwendigen journalistischen Distanz. Ganz ehrlich hätte ich einen kritschen Bericht vom Amtsantritt des OBs lieber gelesen, als die paar Schmähzeilen plus Holger Reiles Rede. Die Grenze von gutem Journalismus und PR haben Sie hier leider nicht sauber eingehalten. Das übliche SK-Bashing durfte natürlich auch nicht fehlen…
Indem Sie regelmäßig die Heimatzeitung kritisch erwähnen erhöhen Sie zudem noch deren Bekanntheitsgrad zusätzlich mit. Das ist im endeffekt kontraproduktiv und wirkt auf dauer unglaubwürdig.
Gruß