Was tun mit dem Bodenseestadion?
Kaum waren die letzten Akkorde von „Rock am See“ verklungen, wurde die Debatte um die weitere Nutzung des Bodenseestadions wieder aktuell. Lange schon schiebt man die dringend nötige Sanierung vor sich her. Doch wie kam es eigentlich dazu, dass vor knapp 80 Jahren eine für Konstanz völlig überdimensionierte Arena gebaut wurde? Und: Welche Möglichkeiten gibt es, das Stadion zu erhalten? Neue Ideen sind gefragt
Für viele ist das Konstanzer Bodenseestadion „Deutschlands schönstgelegene Wettkampfstätte“, für andere aber eine „bauliche Erblast aus dunklen Zeiten“ (das Foto des Stadtarchivs zeigt die Anlage in den 50iger Jahren). Anfang der 90iger Jahre stand die Sportarena kurz vor der Schließung. Das Konstanzer Sport- und Bäderamt hielt die Sportanlage aus Sicherheitsgründen für „nicht mehr betreibbar“. Als darauf hin die Sportvereine lauthals protestierten, entschloss sich die Stadt, wenigstens die Leichtathletik-Anlage zu sanieren. Ein moderner Kunststoffbelag wurde angelegt, die sanitären Anlagen etwas erneuert.
Umbau zu einer Multifunktionsstätte?
Doch der Konflikt ist grundsätzlicher Natur: Seit langem wird zumindest eine umfangreiche Teilrenovierung des alten Stadions gefordert, aber in Zeiten leerer Kassen ist dafür angeblich kein Geld vorhanden. „Wir wollen“, sagte Frank Schädler vom Konstanzer Sportamt schon vor einigen Jahren, „das Stadion so gut wie möglich erhalten, mehr ist momentan nicht drin“. Die Nutzungsperspektiven sind eng gefasst. Da es nicht nur an einer Fluchtlichtanlage, größeren Duschen, einem Catering-Bereich und modernen Umkleiden fehlt, wird es auch in Zukunft keine hochrangigen Meisterschaften im Stadion geben.
Erneut steht nun eine Sanierung des Stadions an, die Kosten von mindestens 400 000 Euro verursachen würde. Doch woher nehmen und wie könnte man in Zeiten leerer Kassen das Stadion dennoch nutzen? Die Vision von einem „Sport- und Freizeitpark“ geistert durch die Köpfe. Auch den neuen Oberbürgermeister Uli Burchardt treibt das Thema um, wie während der vergangenen Wochen mehrmals von ihm zu hören war. Nicht nur er plädiert für eine „Multifunktionsstätte“, wie immer die auch aussehen mag. Ebenfalls mit der Stadionfrage beschäftigt hat sich die Universität Konstanz, deren Befragungsergebnisse spätestens Ende September vorliegen sollen.
Der Glaube an das „Tausendjährige Reich“
Die Stadt steht seit Jahrzehnten vor einem Dauerproblem, das ihr der Größenwahn der Nationalsozialisten hinterlassen hat, denn in der 1935 eingeweihten „Bodensee-Kampfbahn“ hätte damals die gesamte Bevölkerung der Stadt Konstanz bequem Platz gefunden. Im September 1933 rückten die ersten Arbeiter ans Horn, dahin, wo sich zu jener Zeit noch eine öde Kiesgrube befand. Täglich 120 Arbeiter erweiterten die Kiesgrube nach Norden. 550 Bäume wurden gefällt, 100 000 Kubikmeter Erde bewegt. Ab Mitte Dezember 1933 wurde in Doppelschicht gearbeitet. Die „Bodensee-Zeitung“ feierte den „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit“.
Der Ausbau der Bodensee-Kampfbahn selbst begann im Februar 1935. Zufahrtsstraßen wurden angelegt, Parkplätze gebaut, die Tribünenmauer entstand, schließlich das „Aufmarschtor“ und die Kassenhäuschen. Am 15.Oktober 1935 war der zweite Bauabschnitt beendet. Von September 1933 bis zur Fertigstellung hatten täglich 125 Arbeiter „in Lohn und Brot gestanden“ und „50 000 Tagewerke geleistet“.
Schon lange bevor in der Bodensee-Kampfbahn der Fußballrasen wuchs, machte sich die Verwaltung Gedanken über eine „macht- und würdevolle Einweihung“. Man wollte sich schließlich nicht blamieren und dem Rest der Welt eindrucksvoll zeigen, dass sich auch tief in der Provinz der Glaube an das „Tausendjährige Reich“ manifestiert hatte.
Das Tor zur Schweiz
Schalke 04, der damalige Deutsche Fußballmeister mit den legendären Fritz Szepan und Ernst Kuzorra, und Lausanne Sports, der Schweizer Titelträger, gaben ihre Zusage zum Eröffnungsspiel. Ein geschickter Schachzug, denn gerade aus der benachbarten Schweiz erhoffte man sich großen Zulauf. Mehr noch: Der Gedanke, die Eidgenossen „heim zu holen ins Reich“, spukte grenzübergreifend durch die braunen Köpfe. Das war auch mit ein Grund für die überdimensionierte Planung.
Der Tag der Einweihung, der 20. Oktober 1935, rückte näher. Hunderte von Einladungen wurden verschickt. Rudolf Heß und Joseph Goebbels sagten „bedauernd“ ab. Wochen vorher schon hing überall in der Stadt der Aufruf der Verwaltung: “durch Massenbesuch ein machtvolles Bekenntnis des Gemeinschaftssinnes abzulegen“ und: „Bürger von Konstanz, folgt Eurer Führung“. Bei der Einweihung nahmen „Reichssportführer“ von Tschammer-Osten und der badische Ministerpräsident Köhler auf der Ehrentribüne Platz. Hätte das Wetter mitgespielt, wäre die Zufriedenheit wohl vollkommen gewesen, aber es regnete in Strömen und statt der erhofften 35 000 kam gerade mal die Hälfte.
Nach „Horst-Wessel-Lied“ (vier Minuten) und der Schweizer Nationalhymne (3 Minuten) schickten Szepan und Kuzorra die Lausanner Sportsfreunde mit einer 4:1-Packung nach Hause.
Der Anfang war aber gemacht, weitere Großveranstaltungen „im Sinne der vaterländischen Volksgesundheit“ waren bereits in Planung. Länderspiele, Aufmärsche, Propagandaveranstaltungen – die Hiesigen träumten von einer vollen Kampfbahn. Doch daraus wurde nichts, die Kriegsgefahr wuchs, die Menschen hatten andere Sorgen. Im Juni 1937 war die Bodensee-Kampfbahn Austragungsort für die „Leistungsschau des Konstanzer Sports“. Kaum 1000 Zuschauer verloren sich im Stadion. 28 Grad im Schatten, die Konstanzer zogen ein kühles Bad im nahe gelegenen See vor.
Bei Kriegsausbruch erlahmte das Konstanzer Vereins- und Sportleben fast vollständig. Die meisten Sportler wurden an die Front geschickt und vergossen ihr Blut für „Führer und Volk“. Es gab nur noch vereinzelt größere Sportveranstaltungen. So traten die kärglichen Reste des FC Konstanz 1900 e.V. gegen die „Roten Jäger“ aus Wiesbaden an. Eine Mannschaft, die gespickt war mit hohen Militärs und hinter der Front den Doppelpass übte. Mit zumindest sportlichem Erfolg: Die „Jäger“ gewannen vor 1500 Zuschauern mit 7:0.
Kurzer Aufschwung
Nach dem Krieg stand das sportliche Treiben in der Kampfbahn wieder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. 12 000 Zuschauer verfolgten das Endspiel der französischen Zonenmeisterschaft zwischen dem VfL Konstanz und dem FC Kaiserslautern. Der Pfälzer Club mit den Brüdern Otmar und Fritz Walter spielte die Konstanzer mit 12:2 und 8:4 an die Wand. Auch in den siebziger Jahren erlebte das Stadion noch einmal einen Zuschauerboom. Die DJK Konstanz klopfte heftig ans Tor zur zweiten Fussball-Bundesliga und bei Heimspielen pilgerten manchmal bis zu 10 000 Fans hinaus zum Stadion am Hörnle.
Doch diese Zeiten sind längst vorbei und Trostlosigkeit haftet den alten Steinquadern an. Nur im Sommer, wenn das jährliche Spektakel „Rock am See“ ansteht, ist die alte Kampfbahn voll mit Musikfans aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aber der Fortbestand des Festivals ist gefährdet, wenn das Stadion keine Sanierung erfährt und weiter vor sich hin rottet. Kann sich die Stadt das leisten?
Die grundsätzliche Frage bleibt: Was tun mit dem Kleinod am Bodensee, einem Stadion, das im Deutschen Sport-Taschenbuch 1989 noch mit einem Fassungsvermögen von rund 40 000 Zuschauern angegeben wurde? Ist wirklich kein Geld vorhanden, oder ginge doch was, wenn man überzogene Planungen an anderer Stelle korrigiert und die dadurch frei gewordenen Gelder neu verteilt – unter anderem in Richtung Stadion?
Ja, sagen kommunalpolitische Beobachter und verweisen auf anstehende Projekte, die als überzogen bezeichnet werden und eine Menge Geld verschlingen. Beispielsweise will Bürgermeister Kurt Werner rund eine Million Euro in die Hand nehmen, um das Konzilumfeld völlig neu zu gestalten. Schon werden Stimmen lauter, die vorschlagen, dieses Vorhaben gehörig abzuspecken und nur die nötigsten Sanierungsarbeiten in Angriff zu nehmen. Somit würden mehrere hunderttausend Euro frei und könnten eine weitere Nutzung des Bodenseestadions zumindest mittelfristig sichern. Denn eines geht gar nicht: Alles so zu lassen, wie es ist.
Autor: H.Reile
… Für viele ist das Konstanzer Bodenseestadion „Deutschlands schönstgelegene Wettkampfstätte“ …
Die Marketing-Leitung von Tourismus-Vereinen dürfte anmerken, dass die Lokation für ein paar Schulklassen und einige Massenveranstaltungen für Musikfans einfach zu kostbar ist und sich nicht rechnet. Wahrscheinlich wird auch auf die grosse Anzahl von Bolzplätzen, Hallen, Leichtathletik-Bahnen usw verwiesen.
Diese Architektur gehört einfach zur NS-Zeit wie die Plattenbauten zur DDR (für die ich etwas Sympathie habe: hohe Bauten mit viel grüne Wiesen und Licht dazwischen). Als Kind empfand man die Athmosphäre bei 2 Besuchen schon unangenehm; jeder Bolzplatz und „normale“ Sportplatz erinnert mehr an einen „Kinder-Spielplatz“.
Umgekehrt hat man beim geplanten Kongress-Zentrum wiederholt die riesigen Vorteile des Hafenareals von der Seestrasse bis zum Klein-Venedig hervorgehoben. Nun benötigt man nur die nötigsten Sanierungsarbeiten?
Heute träume ich eher von einem Crossrad als Sportgerät, um sowohl auf Asphalt als auch auf geschotterten Wald- und Wiesenwegen inkl. langen Anstiegen gut unterwegs zu sein; auch um der Rivalität mit Autos auszuweichen. Hoffentlich habe ich meinen guten Vorsatz (inkl. Abnehmen) morgen noch in Erinnerung.