Toni Hiebeler: Der kreative Bergsteiger
Das Rätikon lädt nicht nur zum Wandern ein. Es ist mit den Südabstürzen von Kirchlispitzen, Drusenfluh, den Drusentürmen und der Sulzfluh auch eine der wuchtigsten und vielfältigsten Kletterregionen von Vorarlberg und der Ostschweiz. Und kaum einer hat die Begehungsgeschichte dieser Wände so sehr geprägt wie der in Bludenz aufgewachsene Spitzenkletterer und Alpinjournalist Toni Hiebeler, dessen Texte der AS-Verlag in einem Sammelband neu aufgelegt hat.
Hiebeler (geboren 1930) war immer ein Querkopf: Der Sohn eines nationalsozialistisch gesinnten Polizeiinspektors galt als schwer erziehbar, jobbte als Tischlerlehrling, lernte den Beruf eines Webers, büchste bei jeder Gelegenheit ab ins Gebirge, durchkletterte im Rätikon zahllose Routen (oft als Erstbegeher), war in den Dolomiten unterwegs, im Karwendel, im Wilden Kaiser und schrieb, als er wieder einmal arbeitslos war, sein erstes Buch («Abenteuer Berg», 1957). Sein packender, schnörkerloser Erzählstil kam an – Rudolf Rother verpflichete den zwischenzeitlichen Packer und Parkplatzwächter als Redakteur seiner Zeitschrift «Der Bergkamerad».
Die Redaktionsluft genügte ihm nicht. Hiebeler stieg weiter bergan, knüpfte Kontakte zu Extrembergsteigern in aller Welt, meisterte als erster die Eiger-Nordwand im Winter (für diese Tour entwarf er einen besonders warmen Schuh), konzipierte die legendäre Zeitschrift «Alpinismus» (die mit dem rotsockigen Bergsteigerdenken der damaligen Zeit sofort auf Kriegsfuss stand) und entwickelte einen neuen fotografischen Blick auf die Berge.
Hiebeler, der 1984 bei einem Helikopferflug für ein neues Bergfotobuch ums Leben kam, war gnadenlos in seiner Kritik, grandios in seinem Wagemut und grossartig in seinen Schilderungen. Von Reinhard Karl abgesehen, hat kein anderer deutschsprachiger Alpinist so frisch und lapidar, so gekonnt und tiefgründig das beschrieben, was die Faszination des Bergsteigens ausmacht. Den Unterschied zwischen Hiebelers Sprachmacht und dem dürftigen Stil vieler Bergautoren demonstriert auch der hervorragend bebilderte Band des AS-Verlags: Horst Höfler, der selber schon viele Bergbücher publizierte, schrieb die einleitenden Texte.
Mit dem Band «Toni Hiebeler» setzt der kleine, für Bergsteiger wie Buch- und Bildgeniesserinnen aber enorm wichtige, AS-Verlag seine Reihe lesenswerter Publikationen fort. Zuletzt erschienen unter anderem die exzellente Bergmonografie «Monte Rosa», herausgegeben von Daniel Anker und Marco Volcken, und ein Buch über den Bergfilmer Lothar Brandler.
Horst Höfler (Hg.): «Toni Hiebeler, Kreativ, kritisch und visionär». AS-Verlag. Zürich 2009. 320 Seiten. 26.80 Euro
Autor: Pit Wuhrer