Freie Wähler und die Litzelstetter Luxusprobleme
Litzelstetten müht sich um seine touristische Weiterentwicklung. So soll zwischen dem Vorort und der Insel Mainau ein Solarboot verkehren. Hierfür wäre eine Verlängerung des bestehenden Steges nötig, wasserschutzrechtliche Gründe sprechen jedoch dagegen. Der Ortschaftsrat hat auf Initiative der Freien Wähler jetzt beschlossen, einen Ausschuss zur „weiteren Konzeptionierung des Stegs und Campingplatzes“ einzurichten. Widerstand regt sich nicht nur bei Dennis Riehle
Tourismus, Wirtschaft und viele Eigeninteressen – so könnte man derzeit das Programm der Freien Wähler im Konstanzer Teilort Litzelstetten beschreiben. Das, was bisher die CDU in Maßen vorangetrieben hatte, wird nun offensiv durch die FWG angegangen. Das „Professorendorf“, das schon heute als teils elitärer Wohlstandsort bekannt ist, soll eine Verlängerung seines Steges bekommen und den Campingplatz modern ausgestalten.
Was faktisch an Naturschutz und wasserrechtlichen Vorgaben ebenso scheitern dürfte wie an Bedarf, Kosten und Umsetzung, soll nun in einem „Stegausschuss“ konzeptioniert werden. Eine Solarfähre, die zur Mainau pendelt, ein Anschluss an die Bodensee-Schiffsbetriebe und die Hoffnung auf den großen Besucheransturm – peinlicher geht es nicht, wenn man in Zeiten neuer Armutsberichte, Euro-Krise und Haushaltssperren keine anderen Probleme kennt als die, die den Luxus trüben könnten.
Da wird politische Kraft, Zeit und möglicherweise schon in der Planungsphase umfangreiches Geld verschwendet, um „den Touristen und Einheimischen das Erlebnis Bodensee näher zu bringen“, wie es in der Ortschaftsratssitzung hieß. Gleichzeitig wurde ein neuer Bericht zur demografischen Entwicklung bekannt, der im Litzelstetten des Jahres 2030 kaum noch Sozial-, Studenten- oder Einfamilienhäuser prognostiziert. Nicht nur der Konstanzer Münsterplatz, sondern auch manche Schwachstelle im Teilort machen bewegungseingeschränkten Menschen zu schaffen. Und dass Litzelstetten sich als Insel der Glückseligkeit vor Altersarmut, Integrationsproblemen oder prekären Lagen in vielen Haushalten ducken könnte, ist ein ebenso abgehobenes Denken wie das, wonach man das Anrecht Großspurigkeit nicht mit sozialen Ansprüchen vergleichen dürfe.
Wer ob seiner mittelständischen Zufriedenheit den Blick auf die Grundbedürfnisse verliert, der nähert sich gefährlich an wirtschaftsliberale Einseitigkeiten, die von der am Parteienhimmel zu verschwinden drohenden FDP bekannt sind. Nicht zuletzt aufgrund der Naivität haben die Freien Demokraten keinen Fuß mehr fassen können, um sich eindeutig über der 5%-Hürde zu positionieren.
Ob solch ein Vorbild anspornend ist, das muss die Litzelstetter FWG selbst entscheiden. Ihre neue politische Ausrichtung ist klar und eindeutig – und im Blick auf die Kommunalwahl 2014 wohl als Profilschärfung zu verstehen. Da passt es gut ins Bild, dass auch die Freien Wähler andernorts immer häufiger mit Klientelthemen für die Unbeschwerten zu punkten versuchen.
Wer in Europa Milliarden versenkt, muss sich für Tausende Euro im Kommunalen nicht schämen – so scheint die Devise. Für Litzelstetten heißt die Entwicklung: Wer den Teilort nicht dem Ruf der Kaltherzigkeit und Arroganz ausgesetzt sehen will, muss jetzt mit klarer sozialer Kante einstehen.
Autor: Dennis Riehle