„Unsere Staatsschulden sind ihr Vermögen“

20120930-215536.jpg„Umfairteilen“ – unter diesem Motto sind in Konstanz und vielen anderen Städten rund 40.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um für eine Vermögenssteuer und Schuldenabbau zu demonstrieren. Die Aktion – unter anderem von attac und den Grünen, den Linken und der Gewerkschaft ver.di getragen – litt in Konstanz unter dem miserablen Wetter. Nur 70 Zuhörer bekamen deshalb die Reden auf der Marktstätte mit. Zumindest die Rede von Marco Radojevic von der Linksjugend solid hätte mehr Zuhörer verdient:

Liebe Mitstreiter und Mitstreiterinnen,

„Was auch immer wir tun, um unserer maroden Wirtschaftsordnung Leben einzuhauchen, wir können dies nicht längerfristig erreichen, solange wir nicht eine sinnvollere, weniger ungleiche Verteilung des Nationaleinkommens erreichen. Die Entlohnung für die Arbeit muss höher sein als jetzt und der Gewinn aus Vermögen, insbesondere spekulativ angelegtem Vermögen, muss niedriger sein“

Wer jetzt glaubt, dieses Zitat stammt aus dem gewerkschaftlichen Rezeptbuch zum Aufbau einer gerechteren Welt, der irrt gewaltig. Im US-Wahlkampf 1932 hat der Bewerber Roosevelt die fundamentale Ungerechtigkeit zu Zeiten der großen Depression erkannt. Aber im Gegensatz zu den JA-Sagern der SPD um den zukünftigen Vizekanzler Steinbrück hat Präsident Roosevelt seinen Worten auch Taten folgen lassen. Er diskutierte nicht über eine Vermögensabgabe – was in Teilen der SPD schon als Tabu gilt -, sondern er zwang alle Reichen und Superreichen, ihr Gold kiloweise bei der Regierung abzugeben. Von dem damaligen Spitzensteuersatz von 79% will ich gar nicht erst anfangen.

Ich sage euch, wir befinden uns heute in einer ganz ähnlichen Situation wie die USA in den 30ern, aber uns fehlen mutige Politiker in unseren zwei großen Parteien. Politiker, die sich nicht von den Bankern und Reichen gassi führen lassen. Deshalb stehen wir heute hier und fordern eine massive Umverteilung. Und ich glaube mit der Nominierung von Steinbrück zum Kanzlerkandidaten der SPD haben wir heute einen Grund mehr, auf der Straße zu stehen und laut zu rufen „nicht mit uns!“

Wenn sie sagen, wir brauchen mehr Geld für die Banken, rufen wir „nicht mit uns“!
Wenn sie sagen, wir brauchen weniger Steuern für Reiche, rufen wir „nicht mit uns“!
Wenn sie Politik für Profite und nicht für Menschen machen, sagen wir „nicht mit uns“!

Dennoch reicht es nicht, einfach eine Vermögenssteuer und -abgabe zu fordern, sondern wir müssen auch klar machen, dass wir unsere Steuern anders eingesetzt sehen wollen. Die beste Vermögensabgabe bringt nichts, wenn damit Banken gerettet werden, ein höherer Spitzensteuersatz ist wirkungslos, wenn mit diesem Geld Krieg finanziert wird. Und auch eine Vermögenssteuer kann uns gestohlen bleiben, wenn davon nicht endlich die einfachen Bürger profitieren.

Im Bundeshaushalt stehen nur 11 Millarden für Bildung den 44 Millarden für Verteidigung gegenüber. Wer diese Priorität gesetzt hat – meine Freundinnen und Freunde – der soll am besten mit dem nächsten Eurofighter dahin fliegen, wo der Pfeffer wächst. Wahrscheinlich war derjenige aber auch Opfer unseres miserablen Bildungssytems. Man will uns weiß machen, dass überall das Geld fehlt, aber ich sage euch, das einzige, was Merkel & Co. fehlt, ist der Wille, sich das Geld da zu holen, wo es eine Menge davon gibt, nämlich bei den Krisenprofiteuren und Finanzspekulanten, und es dorthin zu geben, wo es hingehört : In Bildung und Soziales, kurz: Zu den Bürgen. Dort, wo es gebraucht wird. Unsere Staatsschulden sind ihr Vermögen.

Und das lässt sich auch ganz einfach beweisen: Die Steuerquote in den USA beträgt 24,8 %, in Dänemark dagegen 48,1 %. Jetzt ratet mal, in welchem Land die öffentlichen Finanzen besser aussehen! Entgegen des Steuersenkungsdogmas der FDP haben die USA nämlich eine Verschuldung von 106% des BIP und Dänemark nur 42,9 %. Wie also nun die Staatsverschuldung senken? Da diskutieren dann die sogenannten Fachleute, über Schuldenbremse, mehr Wachstum, oder gar die Senkung der Sozialausgaben. Aber ein ausgeglichener Haushalt ist kein Hexenwerk, dazu dazu braucht es nur eins: Kenntnis der Grundrechenarten.

Wer mehr einnimmt, muss auch weniger Schulden aufnehmen. Mehr Plus als Minus ist immer noch Plus! Aber auch da scheint unser Bildungssystem versagt zu haben. Wer dagegen im Bereich Soziales, Bildung oder den Kommunen spart, der spart vor allem bei den Schwächsten in der Gesellschaft. Aber was die patentierten Christen von der CDU & die Steinbrücks der SPD nicht verstanden haben: In diesen Bereichen zu sparen, ist weder christlich noch sozialdemokratisch.

Wir müssen unsere Sozialsysteme ausbauen und so gestalten, dass die Mehrheit der Bürger davon profitiert. Dazu gehört eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und aus der sich die Reichen – anders wie im jetzigen System – ab einem bestimmten Einkommen nicht verabschieden können. Dazu gehört eine bedarfsorientierte Grundsicherung und freie Bildung für alle! Kurz: Wir brauchen eine Sozialpolitik mit Herz statt mit Hartz.

Wir brauchen eine gerechtere Gesellschaft und wenn die Politiker dies nicht schaffen, dann müssen wir die Dinge eben so wie heute selbst in die Hand nehmen. Dazu gehört nicht nur, 2013 an die Wahlurne zu gehen, sondern zusammen mit den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen für mehr Gerechtigkeit einzutreten. Die Arbeitnehmer, die den Reichtum erwirtschaften, müssen endlich am Reichtum beteiligt werden. Deshalb brauchen wir nicht nur Mitsprache in Unternehmen, sondern auch Mitentscheidungsrecht und Unternehmensbeteiligung der Arbeitnehmer.

Ich verspreche euch nicht, dass dies einfach wird und schon gar nicht bequem. Wir werden alle einen langen Atmen brauchen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Aber ich sage euch, es wird sich lohnen heute, morgen und übermorgen gemeinsam zu kämpfen. Lasst uns heute den Marathon zur Bundestagswahl starten und dann die Neoliberalen und Agenda-2010-Architekten in die Wüste schicken. Wir brauchen keine Merkel und keinen Steinbrück: Wir brauchen Gerechtigkeit.