„Er kann Wahlkampf“
Wirklich überraschend kam die Kandidatur nicht: Tobias Volz soll SPD-Bundestagskandidat im Wahlkreis Konstanz werden. Sichtlich stolz verkündete gestern Europa-Minister und SPD-Kreisvorsitzender Peter Friedrich die Nominierung des Kreisvorstandes, die allerdings eine Mitgliederversammlung am 18. 12. noch bestätigen muss. In der breiten Öffentlichkeit wurde Volz als Zweitkandidat bei der Landtagswahl 2011 bekannt, als er für Zahide Sarikas einsprang, die Opfer eines Überfalls geworden war
Da habe er gezeigt, dass „er Wahlkampf kann“, so Peter Friedrich. Und dass er Politik könne, sei ohnehin klar, denn als Kreisrat und Gemeinderatsmitglied stelle der Allensbacher Unternehmer (s. Foto) seine politische Qualifikation seit Jahren schon unter Beweis. Ob allerdings die SPD im Landkreis Konstanz das Zeug zum Direktkandidaten im Bundestag hat, blieb offen.
Friedrich immerhin, der bei der letzten Wahl 2009 nach eigener Aussage bloß 19,8 Prozent der Wählerstimmen holte und nur dank seiner günstigen Platzierung auf der Landesliste in den Bundestag einzog, meint optimistisch: „Seit der letzten Bundestagswahl hat Schwarz-Geld (ich lass‘ den Tippfehler – d statt b – mal aus unerfindlichen Gründen stehen, hpk) keine Wahl mehr gewonnen, dabei soll es auch 2013 in Konstanz bleiben“. Über das schlechte Abschneiden der SPD-Kandidaten bei den OB-Wahlen in Konstanz und Stuttgart aber wollte er dann doch nicht reden.
Auch Tobias Volz (43) gibt sich so kämpferisch, wie es sich für einen Wahlkämpfer gehört. Als – so die Selbsteinschätzung – sozial orientierter Unternehmer (er betreibt einen Pflegedienst mit 43 Beschäftigten) wisse er, wie wichtig der Grundsatz „gutes Geld für gute Arbeit“ gerade in seinem Gewerbe sei, er jedenfalls tritt vehement für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Als Sohn einer indischen Mutter seien ihm darüber hinaus Themen der Integration besonders wichtig. Doch auch in der Sozial- und Gesundheitspolitik habe er aufgrund seiner Berufserfahrung hohe Kompetenz; so wolle er sich besonders für die Inklusion – die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Gesellschaftsbereichen – einsetzen. Denn „hilflose Menschen können sich nicht wehren, wenn die Politik Fehler macht.“
Und als alleinerziehender Vater weiß er, wie wichtig eine verlässliche Kinderbetreuung ist. Das endlose Gezerre in der Bundesregierung um das Betreuungsgeld macht ihn wütend: „Da werden nur überholte Rollenbilder zementiert“ – und eine skandalöse Verschwendung knapper Mittel sei es obendrein. Auch Bildungspolitik soll ein Schwerpunkt seiner politischen Arbeit werden: „Besonders die Sprachförderung von Schulkindern mit Migrationshintergund ist mir wichtig“.
Als Vertreter des Landkreises in Berlin würde sich der Steinbrück-Fan für einen Ausbau der B 33 und der Gäubahn einsetzen wollen. Und den Staatsvertrag mit der Schweiz um den Fluglärm würde er natürlich auch ablehnen wollen. Überhaupt will Volz, seit 1993 in der SPD und ehrenamtlich als Elternvertreter tätig, „dass die Krisen des Euro und der Banken nicht einseitig die Arbeitnehmer und Rentner belasten“ sollen. Und er ist sich sicher, seinen Beitrag für einen Regierungswechsel in Berlin bringen zu können: „Diese tolle Herausforderung nehme ich gerne an“.
Autor: hpk
Zum Hintergrund: Tobias Volz hat in einem Interview erklärt, dass er stolz sei, die häufig in der Pflegebranche vorherrschenden schlechten Arbeitsbedingungen wie Zeitarbeit, geringe Bezahlung etc. in seinem Unternehmen nicht zu dulden.
Hier wünsche ich mir mehr Transparenz: Gerade als Bundestagskandidat wird er auch daran gemessen, was er beruflich als Arbeitgeber vorlebt. Der Einsatz der SPD für die Arbeitnehmerrechte bekommt nur dann Authentizität, wenn er belegt ist: Auf der Webseite vermisse ich das beispielsweise. Stimmen seiner Mitarbeiter, seine Philosophie oder sein Konzept für gerechte Beschäftigung und Entlohnung.
In einem Gewerbe mit über 40 Mitarbeitern wie bei Herrn Volz ist es sicher gerade im Pflegebereich äußerst kompliziert, allen Arbeitnehmern gerecht zu werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich sein Unternehmen durch gewisse Abhängigkeiten von Pflegkassen und Honorarsätzen nicht vollkommen vom Durschnittsniveau abheben kann.
Ob Überstunden, Schichtarbeit oder Dauerstress – diese Themen sind gerade in der Pflege seit langem heiß diskutiert. Wenn Herr Volz hier tatsächlich eine Lösung hat, dann könnte er damit doch auch öffentlich punkten. So sind seine Darstellungen im Interview allerdings zwar schön anzuhören und ehrenwert – und ich würde sie gern auch glauben. Aus der Erfahrung bin ich aber zweifelnd – und würde ihn ermutigen, gerade in diesem Komplex, der ja nach seinen eigenen Aussagen zentrales Wahlkampfthema werden soll, mit viel Durchsichtigkeit zu agieren.
Nein, ich habe überhaupt nichts gegen Herrn Volz. Er war eine abzusehende Auswahl, die gut getroffen ist. Doch nun beginnt das Befragen der Kandidaten – und da heißt es, den Bewerbern auch kritisch zu begegnen…
Ich möchte durchaus bestätigen, dass Tobias Volz eine integre Persönlichkeit darstellt – wobei der Einblick in sein Unternehmen schwierig und damit die Einhaltung von Standards, die die SPD als selbsternannte Arbeitnehmerpartei einfordert, am eigenen Beispiel schwierig zu prüfen ist. In wie weit er durch seine berufliche Belastung zudem einen intensiven Wahlkampf führen kann, wie er diese Aufgaben „unter einen Hut“ bringen will, ohne, dass etwas leidet, das bleibt abzuwarten.
Die SPD bräuchte wieder einmal einen Ermutigungserfolg – dafür wäre aber wahrscheinlich eher ein größerer Coup notwendig gewesen. Denn tatsächlich: Volz ist bekannt und solide, aber keine große Überraschung…