Die einen zocken – die anderen zahlen
Fest steht – die Abwassergebühren in Konstanz steigen im nächsten Jahr. Wie auch die Strompreise (siehe dazu den Artikel „Strompreise: Grüne wagen den Rundumschlag“). Gebetsmühlenartig wird die EEG-Umlage als Preistreiberin genannt. Doch die Preissteigerung bei den Entsorgungsbetrieben (EBK) ist zum größeren Teil hausgemacht. Man hat sich schlicht verzockt, hat windigen Bank-Beratern vertraut – die Zeche zahlt nun der Verbraucher
2011 gab es einen ähnlichen Fall: Da hatten die Stadtwerke mithilfe von SWAP-Geschäften auf einen günstigen Dieselpreis gewettet – und nahezu zwei Millionen Euro verloren. Die hatte man sich dann bei den Stromkunden wieder geholt, ohne allerdings die Management-Versäumnisse auch nur zu erwähnen. In diesem Jahr und bei den Entsorgungsbetrieben ist das etwas anders: Man nennt die Gründe und gibt sich zerknirscht.
„Mich fuchst das auch“, sagt Stadtkämmerer Hartmut Rohloff im seemoz-Gespräch.Von einem Fehler allerdings, wie andernorts berichtet, will er nicht sprechen. Und tatsächlich ist der Fall etwas vertrackter.
Eine halbe Million Minus
In den 90er Jahren hatten die Entsorgungsbetriebe zum Ausbau der Kläranlage Darlehen in Schweizer Franken aufgenommen. Was damals angesichts der Währungsparitäten wohl auch sinnvoll war. Stadtsprecher Rügert rechnet dann auch vor, dass bis Ende des letzten Jahres eine Zinsersparnis von 2,4 Mio € erwirtschaftet worden sei. Dummerweise aber stieg der Frankenkurs in den letzten Jahren, wie jede(r) am eigenen Leibe spürt, und das hat bei neuerlichen Krediten einen Verlust von 2,9 Mio € ergeben. Gegengerechnet ergibt sich ein Minus von genau 564.000 Euro. Und die soll jetzt der Kunde berappen.
Dem nämlich steht eine Erhöhung der Abwassergebühr ab 2013 um insgesamt 15 Cent pro Kubikmeter ins Haus. Für eine vierköpfige Familie sind das nach Berechnungen der EBK mindestens 16 Euro pro Jahr. Doch ganz sicher ist das noch nicht: Die Stadt Konstanz prüft derzeit nach Auskunft von Stadtkämmerer Rohloff rechtliche Schritte gegen eine der Berater-Banken.
Denn das scheint das Problem: Die Verantwortlichen im Rathaus und in den Stadtwerken mochten in den letzten Jahren allzu gerne im großen Spiel der Finanzjongleure mitspielen – Wettgeschäfte auf fallende Rohstoffpreise oder sinkende Wechselkurse inklusive. Doch die Manager in der Max-Stromeyer-Straße kennen sich in der Wall-Street nicht aus – also mussten pfiffige Berater helfen. Ob die nun von der viel gescholtenen Landesbank oder der Hypo Vereinsbank oder der Dexia-Bank kamen – sie haben sich alle verzockt. Schlimm nur, dass es Kundengelder (öffentliche Gelder also) waren, die verbraten wurden.
„Wer hat das denn voraus gesehen?“
Wenn am kommenden Donnerstag im Technischen Betriebsausschuss (TBA) die Stadträte über dieses Dilemma beraten, darf nicht mit großen Korrekturen gerechnet werden. Johann Hartwich, FDP-Stadtrat und Ausschuss-Mitglied, findet die Entwicklung zwar „höchst ärgerlich, aber letztlich unvermeidlich“. Zwar wird er krankheitsbedingt die TBA-Sitzung versäumen, doch auch er gibt zu bedenken: „Wer hat denn diese Wechselkurs-Entwicklung voraus gesehen? Schlimmer noch: Viele haben ja auch privat davon profitiert. Jetzt muss man auch die negativen Folgen tragen“.
SPD-Stadtrat Herbert Weber, auch er stimmberechtigt im TBA, betont: „Prüfer und Berater haben stets grünes Licht gegeben. Natürlich waren auch wir Gemeinderäte uns des Risikos stets bewusst, doch solche Risiken müssen Kaufleute heutzutage eingehen“. Und schließlich verweist auch er darauf, dass mit Wettgeschäften auf preiswerteren Dieselkraftstoff die Stadtwerke sogar noch im letzten Jahre wieder einen gehörigen Zugewinn verbuchen konnten.
Nur, fragt sich da der gebeutelte Strom-Wasser-Gas-Kunde: Preissenkungen aufgrund solcher „Zugewinne“ habe ich nie erlebt, Preiserhöhungen schon.
Autor: hpk
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Herrn Rügerts Statement entnehme ich folgendes.
Alle Entscheidungsträger haben unter dem „Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit“ gehandelt und dies war wohl seinerzeit auch so üblich. Und sie waren sich des Risikos stets bewusst.
Mal Hand auf’s Herz, Herr Rügert. Wären solche Entscheidungen auch dann zustande gekommen, wenn die Entscheidungsträger mit 50% Eigenanteil für die daraus entstehenden Verluste in Regress genommen worden wären?
Als Kunde der Stadtwerke Konstanz kann ich dazu nur sagen. Solche Entscheidungen werden weder in meinem Namen, ohne meine Zustimmung und dazu noch ohne jegliche Information an mich – dem Vertragspartner – getätigt. Weshalb sollte ich dann für den daraus entstandenen Schaden – auf dessen Entstehen ich logischerweise keinerlei Einfluss habe – mit aufkommen?
Eine solche Finanzierungsgrundlage empfinde ich als unseriös, was letztendlich auch ein gewisses Licht auf die Entscheidungsträger wirft. Langfristige Kredite für Kommunen waren seinerzeit zu einem Zinssatz von rund 3% auf dem Markt verfügbar – und zwar ohne Wechselkursrisiko, welches uns jetzt die nächsten Jahre begleiten wird.
Ich persönlich werde eine Erhöhung der Gebühren unter Vorbehalt bezahlen und formell Wiederspruch einlegen. Eine juristische Prüfung, inwieweit der Kunde in solch einem Falle in Regress genommen werden kann, wäre sicherlich auch aufschlussreich.
@Dr. Rügert
Sehr geehrter Herr Dr. Rügert,
Ich muss Ihnen widersprechen:
Zwar ist es leider richtig, dass Darlehensaufnahmen in Schweizer Franken, wie auch in japanischen Yen, in den 90er Jahren „üblich“ und „weit verbreitet“ waren. Mit Blick auf den lockenden Gewinn wurde dabei aber vergessen, dass es sich bei Fremdwährungsdarlehen um die Wette auf mindestens gleichbleibende Wechselkurse handelt.
Derartig riskikobehaftete Geschäfte sollten stets mit entsprechenden Wechselkurs-Absicherungsgeschäften zumindest „gedeckelt“ werden. Da das jedoch wegen der dadurch eintretenden Gewinnschmälerung durchaus nicht „üblich“ und „weit verbreitet“ ist, hinterließ der Abschluss derartiger Geschäfte eine große Anzahl von hoch verschuldeten Körperschaften.
Mich irritiert stark, dass hier in Konstanz noch immer blind auf die Meinung von „Fachleuten“ gesetzt wird – ich gehe davon aus, Sie beziehen sich dabei auf jene „Berater“, die zu diesen spekulativen Deals rieten, um damit ihren eigenen Profit zu erhöhen? – und die einmal getroffene Entscheidung auch heute noch verteidigt wird. Nötig wäre das Eingeständnis, dass dies Risiko verkannt wurde.
Nur so wäre möglich, ein seriöses Risiko-Management mit profunden Kenntnissen im Derivategeschäft einzuziehen, dessen Aufgabe es wäre, den Risikogehalt von Geschäften nicht nur bei deren Abschluß, sondern während der gesamten Laufzeit zu beobachten – um ggf. auch gegensteuern zu können.
Mit freundlichem Gruß
Sabine Bade
Sehr geehrter Herr Dr. Rügert,
mehr als bedauerlich sind Ihre Ausführungen, es wäre „üblich“ und „weit verbreitet“ gewesen, dass demnach die Stadt wohl auch im Zockergeschäft mitgemacht hat. Geradezu ein Witz wie einfach es sich eine Behörde macht, mit dem Geld, was ihr treuhänderisch gegeben wurde, damit ins Casino geht. In dieser Art haben es ja auch die Banken mit den Sparbüchern ihrer Anleger gemacht.
Diese Entschuldigung „üblich, weit verbreitet“ ist für alle, die auf das Währungsrisiko hingewiesen wurden und dann ihr Geld nicht verspekuliert haben, ein Hohn. Warum waren hier die Verwaltung und die Gremien nicht informiert? Waren sie informiert? Die Stadt hat sich der Spekulation in einer Fremdwährung dem „üblichen und weitverbreiteten“ Zockerverhalten angepasst und hingegeben!
In Ihrer Art der Entschuldigung ist zu erkennen, wie realitätsfremd und unverantwortlich die Verwaltung und die Gremien mit dem hartverdienten Geld Ihrer Bürger umgehen. Es vergeht ja fast kein Tag, an dem nicht wieder ein neues Finanzdebakeln der Stadt bekannt wird, wo hierbei des Bürgers Geld zum Fenster rausgeworfen wird.
Auch bei Ihnen kommt wieder das abgedroschene Totschlagargument „menschliche Fehler“. Die arme Stadtverwaltung macht zur Zeit so viele Fehler, dass es schade um jeden Steuerpfennig ist, den die Bürger für das städtische Missmanagement zahlen müssen. Da fragen sich viele berechtigt, kann ich meine Steuer sinnvoller verwenden.
Die Stadt scheint ja immer alles richtig zu machen, nur die Berater waren falsch. Auch dieser Tenor ist seit Jahren bekannt und bedauerlich. Dieser Entschuldigungsgrund ist wohl auch der fortwährende Grund teure Berater und Prüfer einzusetzen, denn damit kann man ja selbst nichts falsch machen.
Spekulation ist immer mit „Fachleuten“ verbunden, und entschuldigt nicht das eigene Spekulationsverhalten, denn risikobewusste Anleger haben das Währungsrisiko von Fachleuten ernstgenommen und sich nicht verspekuliert.
Darlehensaufnahmen in Schweizer Franken waren in den 90er Jahren üblich und weit verbreitet. Die Entscheidung, die Kredite als Fremdwährungsdarlehen in Schweizer Franken aufzunehmen, erfolgte mit Zustimmung der Gremien unter dem Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, da die Schweizer Franken Darlehen mit deutlich günstigerem Zinssatz angeboten wurden. Die Aufnahme der Darlehen war kein Spekulationsgeschäft. Eine so starke Wechselkursentwicklung wie aktuell wurde damals auch von Fachleuten nicht in Betracht gezogen.
Informationen zu den Fremdwährungsdarlehen der Entsorgungsbetriebe:
http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/04504/index.html
Sorry, ich hatte gedacht, dass Schwachsinn ein Integrations-Element wäre und bin verwundert, dass ich andere überholt haben soll. Errare humanum est.
@ dk, Sie Oberschlauer
Naja, wenn das “Cross Border Leasing” von der juristisch oberen Landesbehörden als OK bewertet wurde, ist ja bei uns auch die Zockermentalität unserer Verwaltung und der Bürgervertreter, die uns in der Zockerstadt vertreten, in Ordung. Natürlich ist ein wenig Zocken auch dem einfachen Bürger bzw. Politiker erlaubt, wie Sie schreiben. Das Flair von Italien, Balkanländer und Griechenland gehört ja zu der Zockerkultur auch von uns Süddeutschen. Ich hab doch immer schon gesagt, wir Süddeutschen gehören nicht zu den Norddeutschen.
So ein Schwachsinn wie Du hier verbreitest, lässt mich bald erblinden.
Die Empörung über die Verwaltung und den Gemeinderat ist verständlich: man sollte sich aber daran erinnern, dass es einmal das sog. „Cross Border Leasing“ gegeben hat, wo Städte ungewöhnliche Finanzierungs-Geschäfte und somit nachteilige Verträge abgeschlossen haben. Das ganze wurde später juristisch von oberen Landesbehörden als OK bewertet. Bei der Banken- und Finanzkrise waren nicht nur internationale Grossbanken, sondern auch Landesbanken und Versicherungen beteiligt; ein wenig Zocken muss auch dem einfachen Bürger bzw. Politiker erlaubt sein.
Jedenfalls ist im erweiterten Voralpenland (vielleicht sogar ganz Süddeutschland) ein Hauch von Italien, Balkan und Griechenland spürbar; bisher erschienen mir diese Staaten aufgrund der Alpen sehr weit entfernt. In Norddeutschland erfreut man sich da eher über die Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee insbes. Skandinavien und auf den kulturellen Austausch.
Für mich unvorstellbar und unfassbar, dass selbst eine, im allgemeinen seriöse Gemeindeverwaltung, mit unseren Steuergelder zum Zocken geht, was sonst nur Spielsüchtige machen. Spielhöllen werden bekanntlich auch in Konstanz kaum zugelassen.
Noch schlimmer ist, dass dieses unseriöse Finanzierungsgebaren einfach, wie alle städtischen Pleiten, durchgewunken werden und unsere Stadträte sich lieber auf ihr köstlich anmundendes Brötchen während der Sitzungen konzentrieren.
Wer wählt diese Versager eigentlich?
Konzerne haben meistens eine Finanz(ierungs)-Abteilung, an die ihre Töchter überflüssige Finanzmittel als Darlehen überweisen und bei Bedarf inkl. Zinseszinsen wieder zurückbuchen können. Meistens gibt es auch entsprechende Konzern-Richtlinien über die Modalitäten und den Rahmen eigener Finanzgeschäfte. Hierbei denke ich an einen vielseitigen Grossanlagenbauer aus Dt.
Von Bekannten erhielt ich den Tip, dass man überflüssig Kleingeld auch als Tagesgeld einfach per Internet bei Autokonzernen anlegen kann: meistens einiges höher als bei Banken.
Eine Vertrauens- und Qualitätsfrage also: lieber Banker oder Automobil-Konzern-Manager?
Wie kann Hr. Weber, so etwas sagen? Jeder Kaufmann hat verantwortungsvoll zu handeln. Natürlich passieren Fehler. Aber jetzt noch die Verantwortungslosigkeit zu tolerieren und andere dafür haften zu lassen, das ist verabtwortungslos. Ich weiss nicht, wo das alles hinführt, aber schlussendlich bezahlen es nicht nur die Bürger sondern auch Untergebene, Angestellte usw.,
Da wird alles z.B. auf hohe Lohnkosten geschoben, angeblic schlechte Wirtschaftslage, wieso eigentlich? Es sind die Geschäftsleitungen und Sonstige bestimmende Gremien, die zu wenig Verantwortung zeigen. Diese sollten haften und nicht Diejenigen die bereits gezahlt haben auspressen wie Zitronen.
Wer mit Währungen spekuliert (was anderes war das nicht), kann nicht nochmal kassieren. In den 80igern und 90igern, gab es bei uns im Land noch gute günstige Zinsfeste Kredite mit langen Laufzeiten, aber das war ja in dem Fall offenbar nicht genug. Warum auch immer???????
Berater an allen Ecken und Enden. Ja ist denn die ganze Verwaltung schon outgesourct ?