Betreff: Weltuntergang, Terminschwierigkeiten
Bald glaube ich ja auch nicht mehr an den Weltuntergang am 21.12.2012. Und dabei hatte ich mich schon richtig darauf gefreut, schließlich erlebt man so einen Weltuntergang nicht zwei Mal im Leben. Ich halte ihn auch grundsätzlich immer noch für möglich und machbar. Gut, dass das Datum auf einen Freitag fällt, ist schon ein wenig ärgerlich, wenn man die Woche vor dem Ende aller Tage durcharbeiten muss, aber dafür kann man danach gleich in ein unendlich verlängertes Wochenende starten
Zudem hat die Welt auch ein Recht auf Untergang. Schließlich geht die Sonne ja auch unter. Sogar täglich. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie wir das alles noch rechtzeitig hinbekommen sollen, so kurz nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl, mitten im Vorweihnachtsgeschäft. Noch nichts ist geplant und vorbereitet, obwohl man das mit dem Datum schon 5000 Jahre lang weiß. Und plötzlich schreien alle: «Four more years!», statt: «Yes we can, Weltuntergang!». Schon peinlich.
Man muss das doch auch mal von der positiven Seite angehen und als einmalige Chance begreifen. So ein Mega-Event, das hat doch Weltformat, das ist einmalig in der Menschheitsgeschichte; ultimativ rekordverdächtig! Der letzte große Eintrag ins Guinnessbuch sozusagen. Das hat doch gigantische Dimensionen, kosmische Konsequenzen, vom Vermarktungspotential ganz zu schweigen. Da will man doch dabei sein! Aber nix da. Alle bauen nur gelangweilt den Weihnachtsmarkt auf, als obs ein Morgen gäbe! Jeder hat davon gehört, aber keiner weiß was Genaues. Niemand fühlt sich richtig verantwortlich, obwohl das ja wirklich jeden was angeht.
Wo bleibt die Begeisterung? Wo bleiben die Mottopartys, Gelage und Sexorgien, wo die Selbstmordsekten? Da muss man halt auch mal was für tun, für ein anständiges Armageddon. So eine Maya-Prophezeiung erfüllt sich ganz bestimmt nicht von selbst. Zugegeben: Es ist auch schon viel erreicht worden in den letzten Jahren. Gerade in Sachen Schwefelregen sind wir ganz gut aufgestellt. Aber das muss jetzt alles koordiniert, konzentriert und kontrolliert eskaliert werden!
Die Ölpest im Golf von Mexico hat doch gezeigt, was für ein Apokalypsenpotential da in den Tiefen der Welt schlummert. Aber es reicht eben nicht, wenn eine Ölplattform untergeht. Das müssen schon alle sein. Am besten zeitgleich. Oder die Idee, Atomkraftwerke in Tsunamigebieten direkt am Strand zu bauen. Oder direkt hier am Bodensee, immerhin der größte Trinkwasserspeicher Europas, die Möglichkeiten des Fracking zur Förderung von Erdgas in Erwägung zu ziehen … Alles lobenswerte Ansätze, aber eben noch nicht radikal genug. Nicht bei dem Liefertermin.
Ebenso die Eurokrise. Auch hier kann expandiert werden. Krisen sind schließlich ein weltweiter Wachstumsmarkt! Hier müssen noch radikalere Instrumente zur Deregulierung gefunden werden. Ein Destabilisierungspakt könnte helfen. Auch der Kapitalismus muss jetzt noch einmal vollen Einsatz zeigen und mit aller Entschiedenheit den großen, roten Turboboost-Knopf drücken! All-in, volles Risiko, denn bald heißt es auch an den Spieltischen der weltgrößten Casinos: «Rien ne va plus!»
Gründen Sie deshalb jetzt noch eine Firma in Griechen-, Ir- oder Island. Verschulden Sie sich so hoch es geht, um die Länge der Laufzeiten brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, denn auf einen totaleren Schuldenschnitt als den 21.12. können Sie gar nicht hoffen. Spekulieren Sie auch als Laie mit toxischen Derivaten und Wertpapieren. Ein kleiner Tipp: Schließen Sie hoch riskante Wetten auf Missernten, Lebensmittel- und Trinkwasserknappheit ab, aber denken Sie daran, sich gegen Tsunamis, Erdbeben, Kometeneinschlag und Froschregen rückzuversichern. Was und wo Sie produzieren wollen, ist eigentlich zweitrangig, aber achten Sie darauf, möglichst viele seltene Rohstoffe und Unmengen an Strom und Wasser für die Herstellung aufzuwenden und bei der Standortsuche möglichst weite Transportwege mit ein zu kalkulieren.
Wir dürfen gerade jetzt den Glauben nicht verlieren, dass es weiter ungebremst bergab gehen kann! Der Abgrund ist das Limit. Mein Appell also: Versuchen auch Sie die Welt ein Stückchen schlechter zu hinterlassen, als Sie sie vorgefunden haben. Leisten Sie der alten Dame aktiv Sterbehilfe: «Exitus statt Exodus» muss das Motto lauten. Also raus mit dem SUV, und dann so lange tanken, bis er überquillt, der Wochenendpanzer. Danach fahren Sie mit der Familie schön raus ins Graue und fackeln in der Götterdämmerung Ihren fetten Viertwagen einfach nahe dem örtlichen Naturschutzgebiet ab.
Zeigen Sie Eigeninitiative. Produzieren Sie mehr Müll, verbrauchen Sie mehr Strom. Warum den Wasserhahn im Dezember überhaupt noch zudrehen? Fliegen Sie ab jetzt doch zum Einkauf, warum nicht mal saisonales Gen-Gemüse direkt vom Markt in Beijing?
Hier geblieben und mitgemacht, Einsteigen beim absoluten Ausstieg! Reihen Sie sich ein und springen Sie auf, auf den Zug der Lemminge. Die Abfahrt kann sich aufgrund eines Personenschadens um einige Minuten verzögern. Mit dem pünktlichen Ende der Fahrt wird weiter gerechnet.
Autor: Matze B (Matthias Brenner, Autor und Slampoet); zuerst erschienen in: „Saiten“, Dezember 2012, http://www.saiten.ch
Nanu, schon wieder hat der versprochene Weltuntergang am 21.12.2012 nicht stattgefunden. Hat sich da der Biene Maya Kalender etwa geirrt, oder habt ihr da etwas falsch verstanden. Tja, wer zu dumm für die Wissenschaft ist, dem bleibt immer noch die Esoterik. Aber zumindest sind ein paar Aliens auf der Erde gelandet. Das beweist der neue Bürger Würger Video-Clip:
http://www.youtube.com/watch?v=qRwfknZRMfE
Viel Spass mit den Martians.
Treffen sich zwei Planeten. Fragt der eine den andern: „Wie gehts?“. Sagt der andere: „Nicht so gut, ich hab Menschen…“
Sagt der eine: „Mach dir keine Sorgen, das geht vorbei.“