Eine Jahrhundertchance – und ihre Kehrseite
Sie werden es nicht glauben, geneigte Leserin, werter Leser – hinter der „Jahrhundertchance“ (der Ausdruck wurde auf der Sitzung des Konzilausschusses gefühlt zwanzigmal verwendet) verbergen sich die teils hochtrabenden Ideen für den Konzil-Ringelpiez, ansonsten Jubiläumsfeierlichkeiten „600 Jahre Konstanzer Konzil 2014–18“ genannt. Insgesamt sechs bis acht Millionen Stadt-Steuer-Gelder soll das Spektakel kosten. Aber es können auch mehr werden, denn immer noch fehlen eine Gesamtkonzeption und belastbare Zahlen
Marketingmann Burchardt ist in seinem Element, wenn er über die herausragende Bedeutung des Konziljubiläums für Konstanz schwärmt, für ihn als OB das wichtigste Ereignis der nächsten Jahre, eine riesige Chance, ein Jahrhundertereignis und, da spricht der Werbeprofi, „es profiliert die Marke Konstanz“. Wem außer Hoteliers, Kneipiers und Einzelhändlern dieser Boom nützen soll, verrät er nicht. Und dann zwei Nachrichten, auf die er besonders stolz ist: Es wird eine Sonderbriefmarke zur Eröffnung der Landesausstellung am 27.4. 2014 geben und eine 10-Euro-Gedenkmünze.
Viel Wortgeklingel
Ansonsten konnte Ruth Bader, Geschäftsführerin des Eigenbetriebs „ Konzilstadt Konstanz“, so viel Konkretes in der Sitzung letzten Donnerstag nicht präsentieren, dafür umso mehr Wolkiges: Unter anderem soll das Konziljubiläum „zukunftsweisende Vernetzungen“ zwischen Kirche, Bildung (Forschung und Lehre), Kultur (Musik, Kunst und Theater), Tourismus (Gastronomie, Handwerk und Handel) und der Politik (Tagungen) herstellen. Und es soll die Bindungen zwischen Europa, Bund, Baden-Württemberg, der Bodenseeregion und Konstanz stärken. Wow, wer hätte das gedacht? Hinter all dem Wortgeklingel rückten konkrete Pläne in den Hintergrund. Doch so viel ist abzusehen:
Die Veranstaltungen bis 2016 (2014: Themenschwerpunkt König Sigismund, 2015: Jan Hus) sind mehr oder weniger konkret geplant, über den restlichen drei Jahren schwebt ein großes Fragezeichen. Highlights im ersten Jahr sind die Landesausstellung, Konzilfestspiele und eine neue Dauerausstellung im Rosgarten- bzw. Hus-Museum. Nicht zu vergessen das Thema „Erlebbares Mittelalter“ mit Handwerkermarkt und Lädinebau (der Stapellauf ist für 2016 vorgesehen). 2015 soll das Husgedenken im Mittelpunkt des Interesses stehen, Stichworte sind Jugendkonzil und deutsch-tschechisches Zukunftsforum, Hus-Oratorium und Gedenkgottesdienste. Doch Details wurden immer noch nicht verraten, sondern auf die Sitzung im Januar verschoben.
Keine Zusagen
Aber auch das bleibt Zukunftsmusik, denn noch fehlen die Finanzierungszusagen des Gemeinderates. Im Haushaltsplan 2013/14 sind für die Konzilfeierlichkeiten nach rund 400 000 Euro in 2012 nochmals 3,25 Millionen eingestellt. Ob die StadträtInnen allerdings diesem Vorschlag zustimmen, wird sich nicht vor März 2013 entscheiden. Und in welchem Umfang großzügige Zuschüsse vom Land, womöglich sogar von Bund und EU anstehen, ist ebenfalls noch nicht ausgemacht.
Die eher spärlichen Reaktionen der Gemeinderatsmitglieder fielen unterschiedlich aus: SPD-Fraktionschef Jürgen Puchta würde lieber nur zwei Jahre feiern, er hält fünf Jahre für überzogen; die LLK, ohne Stimmrecht in dem Ausschuss, vertritt diese Meinung seit Anbeginn; Jürgen Faden (FWG) wünscht sich „mehr Fleisch am Knochen“, selbst die meist euphorische Dorothee Jacobs-Krahnen (FGL) warnt vorsichtig „vor dem Mammutprojekt“, ist aber ansonsten guten Mutes. Allein CDU-Urgestein Müller-Fehrenbach fand die Präsentation rundum und kritiklos „überzeugend“, eben eine große Chance für Konstanz. Alexander Stiegeler (FWG) machte das Fass „Gendergerechtigkeit“ auf, er wünscht sich eine Aufarbeitung des Themas Prostitution unter dem Motto „geistig-moralischer Schutz der weiblichen Bevölkerung“, was bei der CDU-Altherrenriege pubertär anmutende Heiterkeit auslöste. Diesem Ansinnen erteilte Ruth Bader allerdings vorerst eine Absage, da dieses Thema, man darf es nicht verschweigen, negativ besetzt sei (wie leider auch die Hus-Thematik und die Verderbtheit der Kirche).
Abschließend stellte Uli Burchardt in Aussicht, dass 2018 die „Köpfe der Welt“ nach Konstanz geholt werden sollen, um die Zukunftsfragen der Menschheit zu diskutieren. Drunter machen wir’s nicht. Ach ja, und dann wurden noch Änderungen im Stellenplan, bei einer Enthaltung der FGL, genehmigt: Erweiterung um eine/n Projektmitarbeiter/in mit Schwerpunkt Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sowie um eine/n weitere/n Projektassistentin/en. Kosten: 85.000 Euro. Glückwunsch: Zwei Arbeitslose weniger. Wenn auch das Gehaltslevel auf Praktikantenniveau liegen dürfte.
Autor: ans/hpk
Und 2033 gibt’s dann die nächsten großen Festspiele: Unter Anwesenheit der Urenkel von Speer und Ribbentrop darf dann unter dem Motto ‚Konstanz – Die Pforte des Reiches‘ weitergefeiert werden.
Ich bin gespannt, wie es weiter geht und wünsche mir eine starke inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Nichts gegen Lebnsfreude, Kommerz und Politik zu Gunsten unserer Stadt, wenn es bezahlbar bleibt. Die Frage, die sich mir stellt ist, wer kann auf das was damals hier geschehen ist, stolz sein? Es drängt sich bei allen Berichten auf, egal wo man sie liest, dass hier ein Event für die Marke Konstanz geplant wird. Das war das Konzil damals letzlich auch. Vielleicht sollten wir statt einer Verbrennung ein Feuerwerk zünden? Das mag zynisch klingen, aber ich habe Bauchschmerzen dabei, wenn ein derart dunkles Kapitel der Stadt vor allem als großer Marketingevent geplant wird. Gedenkgottesdienste gibt es dann noch als Zugabe. Die Auseinandersetzung mit dem was geschehen ist, sollte im Mittelpunkt stehen und das wäre vielleicht auch nicht so teuer wie ein Lädinenbau. Mittelalterfeste und Märkte gibt es genug, wer das will kann zum Spektaculum gehen.