Umstrittene Straßennamen und andere Ehrungen in Konstanz
Vor allem vergangenes Jahr wurde ausführlich über Konstanzer Straßennamen diskutiert. Auch der Streit um die Umbenennung der Von-Emmich-Straße ist noch nicht ausgefochten. Mit weiteren Diskussionen über diverse Namensgeber ist zu rechnen. Als da wären: Gröber, Kiesinger, Knapp. Und auch über den derzeit viel gefeierten Hans Breinlinger lohnte sich nachzudenken. Das Rosgartenmuseum bietet am morgigen Dienstag, 8. Januar, eine interessante Veranstaltung zum Thema „umstrittene Straßennamen“ an
Der Historiker David Bruder stellt ab 17 Uhr bei einem Gang durch das Rosgartenmuseum mehrere umstrittene Straßennamen und ihre teils unbekannten Namensgeber vor. Einige historische Namen sind den meisten geläufig, doch über andere Namensgeber ist nur wenig bekannt und kaum jemand weiß, wer sie waren, wofür sie standen und warum die Konstanzer Verwaltung Straßen, Wege, Passagen oder Plätze nach ihnen benannte. Um welche Personen der Zeitgeschichte es bei der Führung im Museum geht, war der Pressemitteilung des Rosgartenmuseums nicht zu entnehmen. Handelt es sich eher um Figuren aus längst vergangenen Zeiten oder auch um Personen, deren Namen der Nachwelt noch etwas sagen?
Aktuell fragt man sich, warum nach dem Konstanzer Oberbürgermeister Franz Knapp, der ein lupenreiner Nazi war und dennoch von 1946 bis 1957 als Stadtoberhaupt fungierte, die Passage neben dem Rathaus benannt ist. Ebenso zu hinterfragen ist, wie lange man den überzeugten Nationalsozialisten Knapp noch als Ehrenbürger führen will. Hier steht eine Entscheidung an, die in Bälde nicht nur in der Straßenbenennungs-Kommission Thema sein wird.
Doch die Liste ist bedeutend länger. Traut man sich an den ehemaligen Bischof Conrad Gröber, der jahrelang dem NS-System frenetisch zujubelte und der erst in den letzten Kriegsjahren von den braunen Mordgesellen abrückte? Nach Gröber, der zu jener Zeit im Volksmund als „brauner Conrad“ bezeichnet wurde, ist ebenfalls eine Straße benannt. Zudem wurde ihm 1932 die Ehrenbürgerschaft verliehen. Oder wie steht es um den Ex-Kanzler Kurt Georg Kiesinger? Die NS-Vergangenheit des Ehrensenators der Konstanzer Universität ist seit langem bekannt. Auch er wurde mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Konstanz ausgezeichnet.
Erst vor wenigen Tagen kam nun ein neuer Name ins Spiel. Es geht um den Maler Hans Breinlinger, nach dem in Konstanz ebenfalls eine Straße benannt ist. Anlässlich seines 50. Todestages (10. Februar 2013) werden seit kurzem in der Wessenberg-Galerie einige Werke des Künstlers gezeigt und der Südkurier hat es sich (mehrfach) nicht nehmen lassen, dem „großen Sohn der Stadt Konstanz“ ausgiebig zu huldigen. Es ist dem Lokalredakteur Michael Lünstroth hoch anzurechnen, dass er vor wenigen Tagen ausscherte, der Mainstream-Berichterstattung seines Arbeitgebers den Rücken zudrehte und im Lokalteil die mutige Frage stellte, wie nahe Breinlinger den Nationalsozialisten stand.
Zu Recht, denn Breinlinger trennte sich 1933 von seiner jüdischen Ehefrau Alice Berend, einer Erfolgsschriftstellerin der 1920-er Jahre. Sie war es, die dem Konstanzer Maler in Berlin alle Türen in die Kunstszene geöffnet hatte und die mit ihren Romanen viel Geld verdiente. 1933 wurden ihre Bücher auf „die Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt und Breinlinger ließ sich von ihr scheiden, um weiterhin in Deutschland arbeiten zu können. Er übernahm das gesamte Vermögen seiner Frau, darunter eine herrschaftliche Villa in Berlin-Zehlendorf. Alice Berend emigrierte 1935 nach Florenz und war fortan abgeschnitten von ihren Einkünften. Sie wurde krank und starb 1938 nach schwerem Leiden einsam und vergessen in ihrem italienischen Exil. Breinlinger bewohnte zu jener Zeit die Villa in Berlin, um seine Frau kümmerte er sich nicht.
Autor: H.Reile
Umstrittene Straßennamen – Dienstag, 8. Januar, 17 Uhr – Rosgartenmuseum Konstanz
Die Behauptung in diesem Beitrag, Hans Breinlinger habe sich nach 1933 das „gesamte Vermögen seiner Frau, darunter eine herrschaftliche Villa in Berlin-Zehlendorf“ angeeignet, ist in Bezug auf das Haus unzutreffend. Nach Auskunft des zuständigen Grundbuchamts in Berlin war Alice Berend bis zu ihrem Tod 1938 Eigentümerin. Hans Breilinger wurde auch danach nicht Eigentümer der Liegenschaft. Über die sonstigen Vermögensverhältnisse sowohl von Alice Berend als auch von Hans Breinlinger und über die weiteren Eigentumsverhältnisse des Berliner Hauses nach 1938, liegen uns derzeit noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Auch die Frage, ob und wann die Ehe geschieden wurde und gegebenfalls unter welchen Bedingungen und Folgen für Alice Berend, ist ebenfalls noch offen, weil die Akten des zuständigen Berliner Landgerichts gegen Kriegsende verbrannt seien, wie uns von dort mitgeteilt wurde. Weitere Nachforschungen sind im Gange.
Dr. Tobias Engelsing
Städtische Museen