Kollektives KKH-Wundenlecken…

Es gibt sie noch, die gute alte Idee eines Konstanzer Konzerthauses. Auferstanden aus den Ruinen des Bürgerentscheids, initiiert von Christoph „I love me“ Nix – der eigentlich als Moderator der Veranstaltung fungieren sollte, jedoch einmal mehr als selbstdarstellender Kulturkurier in Sachen vermeintlich froher Botschaften agierte – und einer Gruppe von Studierenden des Fachbereichs Architektur der HTWG samt berufstypisch kostümierten Professoren. Sonst auf dem Podium: die üblichen Verdächtigen…

 

Früher war mehr Lametta…

Während die Dramaturgie der studentischen Entwurfspräsentationen durchaus Höhepunkte parat hielt („Hier ist vorne und das ist die Rückseite – nee, andersrum“/„Den Standort am See find ich echt gut“/„Parken kann man dann beim Lago, dachte ich“ etc.), erschien mir die Inszenierung der Pause bis zur Podiumsdiskussion doch ein wenig albern bis ärgerlich. Denn plötzlich trampelte mir auf seinem relativ orientierungslos anmutenden Weg durch die Stuhlreihen die Reinkarnation von Loriots Opa Hoppenstedt auf den guten Schuh, während einer seiner Sakkozipfel mir in der anschließenden Stolperbewegung das gepflegte Haupthaar ruinierte, selbstverständlich ohne eine Entschuldigung. Was mich dazu veranlasste, den ungelenken Lümmel mit einem zu allem entschlossenen Blick zu fixieren und beinahe erwartungsgemäß als Wolfgang Müller-Fehrenbach (CDU) zu identifizieren. Uffta uffta ufftata. Nach einigen weiteren Irrwegen fand er dank spontaner Hilfe von Podiumskollegen schließlich doch noch zu seinem Platz.

Bündnis 10/Die Unbelehrbaren…

Geballte Nostalgie sowie überwiegend talentfreie Phrasendrescherei, kurzum waidwundes Lavieren auf höchstem Niveau, zeichnete auch die Mehrzahl der restlichen Ex-Pro-KKH-Podiumsteilnehmer aus. Wenigstens sah man sich, trotz damals gänzlich anderslautender Aussagen, bei der heutigen Betrachtung sowohl der Architekturqualität, des Standorts sowie des Verfahrens rund um das goldene Groschengrab zu einer, wenn auch sehr kleinlauten, so doch aber eher negativen Bewertung des geplatzten Traums genötigt. Was nicht heißt, dass das Projekt ihrer Meinung nach tot ist, im Gegenteil. Zeigt doch der riesige wie eindrucksvolle Besucheransturm von ca. 200 überwiegend rüstigen Rentnern (früher haben mal ca. 10.000 für das KKH auf Klein-Venedig gestimmt), dass dieses geniale Hirngespinst aktueller denn je ist.

Halbgar, oh Baby Baby halbgar…

Debatteneröffnungsehrenredner Dings, äh, also der mir auf den Fuß trat, freute sich jedenfalls und erklärte die Diskussion um einen für Konstanz immens wichtigen Prestigepalast ab sofort für halbwegs lebendig, indem er zunächst so untröstlich wie beleidigt insinuierte, dass die damaligen KKH-Gegner ihre Bringschuld konstruktiver Vorschläge bezüglich eines alternativen Standorts dreist verweigert hätten, um anschließend für das beinahe durchweg unkritische Publikum weitere grenzwertig logische Halbwahrheiten aus der wirren Wundertüte zu zaubern.

Günter Schäfer, Grüner und damals mit seiner Bürgerinitiative gegen das KKH, hatte das wohl zu Recht nicht als seinen eigentlichen Auftrag verstanden und konzentrierte seinen Vortrag auf die ungelöste Verkehrs- bzw. Erschließungssituation, die – nicht nur – mit dem Standort Klein-Venedig verknüpft ist.

Verkehrsproblematiken zu diskutieren, wäre jedoch gar nicht mal so zielführend und überhaupt, so Roland Wallisch (FGL)…(den Rest hab ich zum Glück vergessen).

Totschlag , Tränen, Fledermäuse…

Nachdem irgendwann auch Holger Reile (Linke Liste) seinen Spruch aufsagen durfte und sich sichtlich genervt zum wiederholten Male anzumerken genötigt sah, dass Konstanz keine Kohle hat und wenn, diese zunächst für wichtigere, z.B. soziale Ausgaben zur Verfügung stehen müsse – und auch noch auf die nicht unerheblichen Millionen-Ausgaben für das dräuende wie endlose Konzilspektakel hinwies – war erstens die Stimmung im Arsch und zweitens die Stunde des Totschlagarguments angebrochen.

Kühn konterte der wie immer adrett gekleidete und sympathisch lausbübische Christoph Bauer (FWG) mit dem für die meisten Zuhörer viel genehmeren Totschlagargument, dass Konstanz mit dieser Einstellung nicht mal den Bau einer Universität gestemmt hätte, um gleich noch ein Grußwort an die Grünen anzuhängen, die doch damals sicherlich eine seltene Fledermausart aufgespürt und die Sache so zu verhindern gewusst hätten. Boah ey, das hat gesessen. Und richtig lustig wird das immer gleiche Grünen-Bashing eh erst nach der soundso viel tausendsten Wiederholung. Richtig nachdenklich, ja beinahe traurig, bin ich dann aber doch noch geworden, als Bauer den skandalösen Umstand anprangerte, dass Konstanzer AbiturientInnen Ihren Abi-Ball in der Singener Stadthalle feiern müssten. Eine Träne ging auf Reisen.

Kohle satt und andere Märchen…

Auch Jürgen Leipold (SPD und wohl gerade aus seinem Problem-Peer-Alptraum erwacht) schlug Reiles sozialromantische Warnungen sicht- wie hörbar erbost in den Wind, faselte von bankrotten Städten wie Erfurt und Paderborn, die sich mit Landeshilfe schließlich die schönsten Kulturbunker leisteten und war sich darin mit Opa Hoppenstedt, der zwischendurch immer wieder von irgendeinem Seestandort fabulierte, wenig überraschend einig. Was Heinrich Everke dazu in einem längeren Redeschwall absonderte, ist mir aufgrund seiner angenehm einschläfernden Märchenonkelstimme (erinnerte mich irgendwie an meine alte Langspielplatte „Münchhausens Abenteuer“) sowie seiner FDP-Zugehörigkeit leider entfallen.

Jedenfalls müssen die Jungs aus der sogenannten bürgerlichen Ecke irgendwo einen nur für sie selbst sichtbaren Esel stehen haben, der in großen Mengen Gold scheißt. Denn das Thema Finanzierung ist für sie ebenso sekundär wie der Verkehr, für den bestimmt auch schon jede Menge Top-Lösungen in geheimen Schubladen schlummern (Stichwort Begegnungszone).

Das Kill-Bilbao-Wunder…

Zu argumentativer Hilfe kam ihnen dann nicht unerwartet Architekturprofessor Stephan Romero, der den glückselig machenden und von Architekten gegenüber größenwahnsinnigen und/oder selbstsüchtigen Politikern gern als Allzweckwaffe verwendeten Begriff des Bilbao-Effekts – einen durch einzigartige Architektur am Standort ausgelösten Wirtschaftsaufschwung – in den Ring warf, der von der restlos begeisterten Herrenriege spontan als Perpetuum Mobile gefeiert und gedanklich schon mal als unfehlbares Naturgesetz in die Konstanzer Verfassung als Artikel 1 aufgenommen wurde. Dumm nur, dass dieser Effekt lediglich durch wirklich exzellente Architektur an einem wirklich exzellenten Standort mit wirklich ganz viel Geld und noch mehr Zufall – aber immer noch ohne Garantie – zu erreichen ist. Blöd auch, dass es Konstanz dafür, zumindest bis 2014, am wirklich dringend nötigen Genius mangelt. Mir doch egal: Euer

Provinzpossenreporter Minotti