EADS-Beschäftigungs-und-Beschaffungs-Programm

Die aktuellen Pläne zur Bewaffnung der Bundeswehr mit Killer-Drohnen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Beschaffungsprogramm für die deutsche Rüstungsindustrie. Besonders profitieren dürfte davon EADS-Cassidian, größte Waffenschmiede am Bodensee

Denn EADS hat viel vor. Nach der gescheiterten Fusion mit dem britischen Konkurrenten BAE-Systems im vergangenen Sommer – der Welt größte Rüstungskonzern kam wegen des Einspruchs der Berliner Regierung nicht zustande – und dem Abschied von Daimler aus dem Aktionärskreis Ende letzten Jahres sowie den aktuellen Einsparungen im Wehretat – die Rüstungsausgaben des Berliner Verteidigungsministeriums sollen um knapp 10 Milliarden Euro gekürzt werden – muss Cassidian – mit 5,8 Mrd. Jahresumsatz die Konzernsparte mit der höchsten Umsatzrendite bei EDAS (Airbus, Astrium, Eurocopter, Cassidian) – neue Wege zu neuen Umsätzen einschlagen. Erst vor wenigen Monaten hatte darum EADS-Chef  Thomas Enders den langjährigen Cassidian-Vorsitzenden Stefan Zoller gefeuert.

Da passt es gut, dass Enders schon seit 2010 intern an einem Drohnenprogramm unter dem Codenamen „Talarion“ arbeiten lässt (seemoz berichtete). In einem internen Papier heißt es, EADS selbst habe für die Entwicklung „bereits mehr als 200 Millionen Euro ausgegeben.“ Und da glaubt man schon nicht mehr an Zufälle, wenn gerade jetzt Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Notwendigkeit erkennt, die Bundeswehr brauche schnellstens und unbedingt bewaffnete Drohnen. Für EADS tut sich unversehens ein neuer, großartiger Markt auf – für den Geschäftsbereich Cassidian in Immenstaad am Bodensee und im bayerischen Manching womöglich eine Beschäftigungsgarantie über Jahre hinweg.

EADS-Kampfdrohnen sollen 2016 lieferbar sein

„Talarion“ war ursprünglich offenbar als reine Aufklärungsdrohne entwickelt worden, Testflüge hat es einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge bereits im kanadischen Goose Bay gegeben. Das System kann aber wohl für eine Bewaffnung umgerüstet werden. Aus dem EADS-Papier soll hervorgehen, dass die unbemannten Flugkörper in bewaffneter Form ab 2016 ausgeliefert werden könnten.

Bislang verfügt die Bundeswehr über drei Aufklärungsdrohnen namens „Heron“, die am Hindukusch im Einsatz sind. Die von einem israelischen Hersteller geleasten und zusammen mit Rheinmetall Defense vertriebenen unbemannten Flugkörper sind nur bis 2014 verfügbar; danach muss, so die Strategen von der Hardthöhe, unbedingt eine Alternative her – “Talarion“ bietet sich an, finden Militärs und Manager gleichermaßen. Für 60 Millionen Euro Stückpreis für beide Seiten ein gutes Geschäft. Aber nötig, findet auch die Gewerkschaft, denn ein Zukauf ausländischer Drohnen käme nun gar nicht infrage. Dazu IG-Metall-EADS-Betreuer Steidl, der für die Gewerkschaft auch im EADS-Aufsichtsrat sitzt: “Wir finden es nicht gut, wenn mit deutschen Steuergeldern ausländische Rüstungsgüter gekauft würden. Wir hätten die Wertschöpfung lieber in Deutschland”.

Technische Daten „Talarion“
Typ: Unbemanntes Luftfahrzeug (Drohne); Hersteller: EADS; Erstflug: 2013; Indienststellung: 2016; Dimensionen: Länge 12 m, Höhe 4.5 m, Flügelspannweite 28 m; Triebwerke: Zwei Strahltriebwerke oberhalb des hinteren Rumpfes; Flugleistungen: Maximale Flughöhe: 3.048–15.240 m. Maximale Geschwindigkeit: 555 km/h. Maximale Flugzeit: 20 Std.; geschätzter Kaufpreis: 60 Millionen Euro

Gleichwohl formiert sich Widerstand gegen einen solchen Drohnen-Deal. Agnieszka Brugger, Grünen-Bundestagsabgeordnete aus Ravensburg und abrüstungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, fürchtet, ein Einsatz bewaffneter Drohnen könnte die Hemmschwelle für Tötungen im Bundeswehreinsatz herabsetzen; Andreij Hunko, Sicherheitspolitiker der Linken, argwöhnt, dass im Zuge der Amtshilfe solche Drohnen auch im Inland zu polizeilichen Zwecken eingesetzt werden könnten; der SPD-Sicherheitsexperte Rolf Mützenich fordert eine gründlichere Debatte über den Einsatz von Drohnen. Mit einer endgültigen Entscheidung der Bundesregierung, so Sprecher des Verteidigungsministeriums, ist im Frühsommer 2013 zu rechnen.

Die Mär vom „zivilen Luftfahrtkonzern“

Übrigens: Wer unter den wackeren Befürwortern einer Bildungspartnerschaft zwischen EADS und insgesamt zwei Hochschulen und vier Gymnasien in der Bodensee-Region noch immer schwadroniert, es handele sich bei EADS um „einen weitgehend zivilen Luftfahrtkonzern“, dürfte spätestens nach diesen Informationen der letzten Wochen und Monate eines Besseren belehrt worden sein. Oder doch wieder nicht?

Autor: hpk

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