Der Südkurier und das Centrotherm-Missverständnis
Gleich an drei Stellen der Samstagsausgabe verkündeten die Redakteure vom Fischmarkt die Schreckensmeldung: „Rückzug aus Konstanz“ und „Anfang vom Ende?“ und „Centrotherm legt Forschung still“ war da zu lesen. Die Überschriften entsprechen der Tradition der Südkurier-Berichterstattung zum Fall des Solaranlagenbauers – eine Geschichte vieler Missverständnisse
Da war zunächst die Glorifizierung Anfang 2012, als das Unternehmen aus Blaubeuren am Konstanzer Seerhein sein zugegebenermaßen großspuriges Forschungszentrum bezog. Da waberten längst Gewitterwolken aus China über den europäischen Solarmarkt, doch die centrotherm photovoltaics AG verkündete siegestrunken, die Krise könne ihr nichts anhaben – und die Konstanzer Lokalredakteure des Heimatblattes stimmten frohgemut ein: Noch im Februar 2012 kommentierte Redaktionsleiter Jörg-Peter Rau: „Mit dem neuen Kunden- und Entwicklungszentrum hat Konstanz einen großen Fang gemacht“. Konstanz würde, so viel schien sicher, zur Solarstadt Nr.1. Erstes Missverständnis.
Nur wenige Monate später, im Frühsommer 2012, das zweite Missverständnis. Centrotherm meldete Insolvenz an. Das bedeutet nun keineswegs die Pleite für eine Firma, sondern beschreibt ihren Sanierungsversuch, nachdem erste Zahlungsschwierigkeiten aufgetaucht sind. Zumal hier eine „Insolvenz in Eigenverwaltung“ angekündigt wurde – es wird also kein Insolvenzverwalter vom Gericht bestellt, sondern das Unternehmen versucht aus eigener Kraft, wieder auf die Beine zu kommen. Es dauerte einige Zeit, bis die Redakteure am Fischmarkt diesen Unterschied verinnerlichten – bis dahin aber war die Konstanzer Öffentlichkeit bis hin zum vorigen Oberbürgermeister schon ausreichend verunsichert. Die Tage des Unternehmens schienen gezählt, mochte man den Südkurier-Informationen glauben.
Tatsächlich aber hat die Gläubigersammlung der centrotherm AG in der vergangenen Woche das Sanierungskonzept gebilligt (was dem Südkurier nur eine dürre Meldung wert war). Damit hat das Unternehmen sich mit seinen Gläubigern geeinigt – einer erfolgreichen Sanierung steht wohl nichts mehr im Wege, schon für dieses Jahr wird mit einer Rückkehr in die Gewinnzone gerechnet.
Teil dieses Konzepts ist offensichtlich eine Auslagerung der Forschung am Solar Innovation Center (SIC) in der Konstanzer Reichenaustraße. Was wohl heißt: Centrotherm lässt eine neue Firma gründen, von der die Forschung erledigt wird, die dann von Centrotherm zurück gekauft wird – ein leider in solchen Sanierungsprozessen übliches Verfahren. Denn die Arbeitsverhältnisse werden größtenteils zu schlechteren Konditionen auf die neue Firma übertragen. Das ist wohl auch der Hintergrund für die derzeit anhängigen Verfahren vor dem Arbeitsgericht in Radolfzell.
Nur, drittes Missverständnis, das heißt eben nicht: „Centrotherm legt Forschung still“, wie Südkurier-Redakteur Michael Lünstroth im Lokalaufmacher am Samstag titelt. Vielmehr geht auch die Stadtverwaltung davon aus, dass „in einer neu gegründeten Betriebsgesellschaft die Forschungs-, Entwicklungs- und Verkaufsaktivitäten gebündelt werden“. Auch das auffällige Haus am Seerhein würde übernommen. Konkret hieße das: Forschung findet weiterhin statt, Arbeitsplätze werden größtenteils übernommen, der Betrieb läuft weiter – nur unter einem neuen Namensschild.
Und um noch ein Missverständnis aufzuklären: Vergleiche mit anderen Industrie-Unternehmen wie Sunways oder Siemens, die jüngst in die Konstanzer Schlagzeilen gerieten, verbieten sich ohnehin: Dass in einem vom Konkurrenten gekauftem Unternehmen, das unbeschadet weiter wirtschaftet (Sunways), der Vorstandsvorsitzende ausgetauscht wird, ist nur nachvollziehbar und keineswegs ein Alarmsignal; dass eine zum Verkauf angebotene Firma (Siemens) sich neu aufzustellen versucht, ist ebenso verständlich, wenngleich – was die Arbeitsplätze anbelangt – Vorsicht gerade der Arbeitnehmervertreter angesagt ist. Nur als Schreckensmeldungen und zur Panikmache taugen solche Meldungen eben gar nicht.
Autor: hpk