Berlusconi versus Monti – Ein Zwischenruf

Konsterniert verfolgt die deutschsprachige Presse steigende Umfragewerte für Silvio Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) und rätselt darüber, wieso die italienische Bevölkerung nicht in Lobeshymnen für Mario Montis sogenannte „Technokraten-Regierung“ einstimmen will. Als könne sie damit Einfluss nehmen auf den Wahlausgang am 24. und 25. Februar, präsentiert sie uns ein Schwarz-Weiß-Bild, das sich vor allem durch Faktenarmut und Schönfärberei der Leistungen Montis auszeichnet

Erst wurde an Berlusconis Geisteszustand gezweifelt…

Im Dezember letzten Jahres zweifelten viele Autoren noch am Geisteszustand Silvio Berlusconis. Seine politischen Tage schienen gezählt und die italienische Bevölkerung nachhaltig vom fast zwanzig Jahre währenden Berlusconismus geheilt. So wurde die Ankündigung des „Cavalieres“, bei den Parlamentswahlen am 24. und 25. Februar 2013 wieder anzutreten, entweder als makabrer Scherz abgetan oder als Manöver angesehen, sich noch in die politische Immunität zu retten, bevor die gegen ihn anhängigen Verfahren abgeschlossen und schon ergangene Urteile rechtskräftig würden.

Politikexperten unterschiedlicher politischer Couleur waren sich weitgehend einig, dass die internationale politische Anerkennung, die der „nüchterne Technokrat“ Mario Monti dem Land und dessen Finanzmarkt beschert hat, das Wahlverhalten nachhaltig beeinflussen würde. Mitten in der schwersten Rezession der Nachkriegszeit wären den italienischen Wählern Berlusconis luxuriöser Lebensstil zudem ein Dorn im Auge. Das Kapitel „Bunga, Bunga“ schien ein für allemal beendet zu sein.

…nun zweifeln dieselben Autoren am Geisteszustand der Italiener

Zwar liegt Silvio Berlusconi noch immer deutlich hinter Pier Luigi Bersanis Partito Democratico (PD), aber Mario Montis „Mitte-Rechts-„ oder „Zentrumsbündnis“ hat er längst weit überholt. So lassen nun Berlusconis stetig steigende Umfragewerte vollkommen ratlose Kommentatoren zurück: Wie kann es sein, dass sich die anscheinend unbelehrbaren Italiener den in Deutschland vorherrschenden Lobeshymnen auf Mario Monti derart verschließen? Wo doch endlich, so Michael Braun in der TAZ, das Unmögliche möglich erschien: „Dass eine seriöse, konstitutionelle Rechte die bisher dominierende populistische Rechte an die Seite drängen werde“.

Montis Bündnis mit den Postfaschisten

Anstatt aber auch hier darüber zu fabulieren, wieso um alles in der Welt Berlusconis Umfragewerte stetig steigen, lohnt ein Blick auf das, was im Vergleich dieser beiden Rechtsbündnisse so konsequent verschwiegen wird. Denn während kein Kommentator unberücksichtigt lässt, dass Berlusconis Allianz auch die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega Nord angehört, mutiert der Monti-Unterstützer Gianfranco Fini – der noch 1994 Mussolini als „größten Staatsmann des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet hatte – im deutschen Blätterwald zum „Liberal-Konservativen“ (Die ZEIT).

Nur zur Erinnerung: Gianfranco Fini gehörte seit frühester Jugend (1969) der neofaschistischen Partei Movimento Sociale Italiano (MSI) an, deren Vorsitzender er 1987 wurde. Im Jahr 1995 benannte sich der MSI unter Fini um, hieß nun – alter Wein in neuen Schläuchen – Alleanza Nazionale und wurde erst von Berlusconi durch Aufnahme in sein Kabinett salonfähig gemacht. Vom „römischen Gruß“, Schwarzhemden tragenden Schlägerbanden und den Rassengesetzen Mussolinis distanzierte sich Fini später und durchlief auch ansonsten mehrere Metamorphosen. Er besuchte Auschwitz und die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und betrieb seine Wandlung vom Faschisten zum konservativen Demokraten mit großem Elan. Aber aufgepasst: Bis zum Jahr 2009 behielt Gianfranco Fini die MSI-Flamme als Logo im Parteiwappen bei, was als Zugeständnis an die weniger ideologisch gewendeten Parteimitglieder angesehen werden darf.  Momentan nennt sich seine Partei Futuro e Libertà per l’Italia (FLI) – und gehört zu Montis Wahlbündnis.

Die Metamorphose zum „Liberal-Konservativen“ ohne Ansehen der Biografie und der Inhalte, für die er oder die Mitglieder seiner Wahlliste (s.u.) stehen, hat er damit anscheinend erfolgreich beendet.

Mussolini-Verehrung oder: Wenn Zwei dasselbe tun…

Kaum hatte Silvio Berlusconi am Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust lobende Worte für die Arbeit des faschistischen Diktators Benito Mussolini gefunden, wurde in deutschsprachigen Medien flächendeckend empört darüber berichtet. Was ja an sich richtig ist, aber lediglich bestätigte, was ohnehinhin wohl jeder noch gut in Erinnerung hat. Unvergessen sind schließlich seine oft wiederholten Anschauungen, dass der Mussolini-Faschismus erst unter dem Einfluss des nationalsozialistischen Hitler-Regimes aus dem Ruder gelaufen sei, aber prinzipiell „gutartig“ war und dass der „Duce“ und seine Schergen nie gemordet und Antifaschisten lediglich auf Inseln wie Ponza und Ventotene „in Urlaub“ geschickt haben.

Befremdlich ist hingegen, dass bei uns noch immer kein Wort über die Mussolini-Lobhudeleien aus dem Monti-Block zu finden ist: Die Mussolini-Enkelin – nein, nicht Alessandra („Besser Faschistin als schwul“) – Edda Negri Mussolini tritt für Gianfranco Finis Partei Futuro e Libertà per l’Italia (FLI) in der Region Emilia Romagna an und wird dabei nicht müde, die Heldentaten ihres „nonno“ zu rühmen. Er sei ein großer Staatsmann gewesen, habe die Arbeitslosigkeit beseitigt, die Pontinischen Sümpfe trockenlegen lassen etc.etc.etc. Eine „seriöse, konstitutionelle Rechte“ sieht wohl anders aus.

Manchmal ist eben am interessantesten, welche Vorgänge bei uns nicht medial verarbeitet werden. Und warum zu bestimmten Sachverhalten so konsequent geschwiegen wird. Nur mit diesen Mitteln kann ein Bild entstehen, dass hier den vulgär-obszönen Berlusconi zeigt, der lautstark und werbewirksam mit dem Austritt aus der Euro-Zone droht und dort den seriösen Technokraten Monti, der sich als zuverlässiger Partner Angela Merkels erwiesen hat, mit der er sich so gerne auf den diversen roten Teppichen zeigt.

Autorin: Sabine Bade