Bier by Borges
Wer sich während dieser lauten Fasnachtstage das Hopfen-Malz-Gerste-Gebräu durch die Kehle rinnen lässt, denkt wohl kaum an die menschheitsalte Geschichte des Bieres. Und weiß nichts vom prägenden Einfluss der Klöster und von der Brauerei-Geschichte am Bodensee. Da schafft seemoz-Autor Harald Borges jetzt Abhilfe, ja Aufklärung und berichtet von uralten Bräuchen und neuzeitlichen Trends, von hochherrschaftlichen Vorrechten und proletarischen Gewohnheiten
„Spiritus stellt man her zu den verschiedensten Zwecken und nur zum verhältnismäßig kleineren Teil für den menschlichen Konsum; Bier wird nur für den Zweck gebraut, um getrunken zu werden, und dasjenige Bier, was nicht getrunken wird, hat eben seinen Beruf verfehlt“, sprach der Abgeordnete Alexander Meyer 1880 im Abgeordnetenhaus, als ein Gesetzesentwurf betreffend die Steuer vom Vertriebe geistiger Getränke beraten wurde. Und trotz des fiskalischen Aspektes, aus reiner Liebe zu diesem Getränk und seiner immer wieder überzeugenden alkoholischen Wirkung, möchte man rufen: „wahr gesprochen, guter Mann, und prost“.
Aber leider war der Biergenuss seit jeher schon auch eine starke Waffe in den Händen der Mächtigen: sie benutzten sie nicht nur dazu, immer mehr Abgaben aus dem gemeinen Mann heraus zu pressen, sondern waren vor allem auch darauf bedacht, sich den besten und größten Schluck selbst zu sichern, insbesondere, wenn sie dem geistlichen Stand angehörten. Davon später mehr.
Auch die zivilisatorische Kraft des Bieres soll nicht verschwiegen werden: im Gilgamesch-Epos (Ende des 2. Jahrtausends v.Chr.) heißt es, in der Steppe habe ein wildes, zottiges Wesen namens Enkidu gelebt, das mit den Gazellen Gras fraß. Um ihm Kultur beizubringen, schickte ihm König Gilgamesch eine Hure, die zu ihm sprach: „Iss das Brot, Enkidu, das gehört zum Leben. Trinke das Bier, wie es im Leben Brauch ist. Enkidu aß das Brot, bis er satt war. Er trank das Bier, sieben Krüge voll. Da entspannte sich sein Inneres und er ward heiter. Er wusch sich den zottigen Leib mit Wasser, salbte sich mit Öl – und ward ein Mensch.“ Ein Gefühl, das auch heute noch in ähnlicher Form manchen nach dem Biergenuss ankommt.
Standesunterschiede beim Besäufnis
Die Sumerer, Erfinder der Keilschrift, haben sehr genaue Zeugnisse hinterlassen, aus denen man weiß, welches Bier sie tranken: Frauen genehmigten sich Bier aus vergorenem Emmer-Brot (Emmer ist mit dem Dinkel verwandt), dem sie Zimt, Honig und andere Gewürze beigaben, Männer griffen zu herberem Gerstenbier. Beide Biere hatten allerdings außer der prinzipiell ähnlichen Herstellungsart mit unseren heutigen Brauereiprodukten nicht allzu viel gemein: man trank sie mittels langer Halme aus Tonkrügen, da sie eine recht trübe Flüssigkeit waren, in der allerlei herumschwamm. Aber schon hier zeigten sich die Standesunterschiede beim Besäufnis: Die Menge, die dem einzelnen zugeteilt wurde, schwankte je nach Standeszugehörigkeit, und die Priesterschaft scheint damals schon besonderen Durst gehabt zu haben, denn Kirchensteuer wie andere Gebühren waren unter anderem in Bier zu bezahlen.
Einige Jahrhunderte später erließ der Babylonier Hammurabi (1728-1686 v. Chr.) eine Biergesetzgebung, die noch heute, wenn man an manche Gebräue denkt, die einem allen Ernstes als Bier vorgesetzt werden, als Vorbild dienen könnte: „Die Wirtin, die … minderwertiges Bier teuer verkauft, wird ertränkt. Bierpanscher werden in ihren Fässern ertränkt oder so lange mit Bier vollgegossen, bis sie ersticken.“ Ganz an den Geist Bismarckscher Sozialistengesetzgebung erinnert allerdings eine weitere Bestimmung: „Die Wirtin [dieses Gewerbe scheint Frauensache gewesen zu sein], die in ihrer Gaststätte politische und staatsgefährdende Diskussionen duldet, ohne die Gäste der Obrigkeit auszuliefern, wird getötet.“
Welche Bedeutung Bier, das wir eher zum Vergnügen zu verköstigen pflegen, früher als wichtiges Nahrungsmittel hatte, macht die Sprache der alten Ägypter klar: Das Zeichen für „Mahlzeit“ hieß wörtlich übersetzt „Brot-Bier“ – viel anderes an Nahrungsmitteln gab es im 3. vorchristlichen Jahrtausend in der Getreidemonokultur im Niltal auch nicht. Die Bierzuteilung erfolgte unentgeltlich, selbst an die Sklaven beim Pyramidenbau, die außer körperlichen Züchtigungen zwei Krüge davon täglich erhielten. Das änderte sich im 1. vorchristlichen Jahrhundert, als, angeblich um der Überhand nehmenden Trunksucht zu wehren, eine Getränkesteuer eingeführt wurde, was allerdings nichts daran änderte, dass man sich in den herrschenden Klassen bei jeder sich bietenden Gelegenheit jesusmäßig zu besaufen pflegte. Das macht die Warnung eines Schreibers an seinen Sohn verständlich: „Übernimm dich nicht beim Biertrinken! Du fällst hin mit schwankenden Beinen und keiner reicht Dir die Hand. Deine Genossen sagen: Gehe heim, der du genug getrunken hast! Wer kommt und dich sucht, um etwas zu besprechen, der findet dich im Staube liegen wie ein Kind.“
Bier in den Fängen der Klöster
Ganz so einfach hat es sich Aristoteles, der aus besseren Kreisen stammte und eher dem Wein zugeneigt war, nicht gemacht. Dieser größte Denker aller Zeiten und Völker untersuchte unter anderem auch die Wirkung des Bieres und fand, dass es nicht nur den Schlaf fördere, sondern vor allem auch anders wirke als Wein: Bier besitze „die Eigentümlichkeit … den Menschen, der zu viel davon getrunken hat, nach rückwärts fallen zu lassen, während allzu reichlicher Weingenuss ein Niederstürzen nach allen Seiten verursacht.“ Eine Erfahrung, die sich nach neueren Forschungen nicht bestätigen lässt, denn auch so mancher Biertrinker ist im Rausch schon auf die Nase und gleichzeitig eine andere seiner vielen Seiten gefallen.
Womit es historisch Zeit wird, zu unseren schon immer etwas zurückgebliebenen Vorfahren zu kommen, die zwar zu der Zeit, als der Stagirit die Räusche untersuchte, noch auf den Bäumen saßen, aber zumindest im Bierkonsum ihren Nachfahren schon seit Jahrhunderten alle Ehre machten: „Tag und Nacht durchzechen sie, und man könnte sie ebenso gut durch die Lieferung berauschender Getränke überwinden wie durch Waffengewalt“, beobachtete Tacitus im 1. Jahrhundert n. Chr. wie so oft treffend.
Doch diese lobenswerten heidnischen Gebräuche gerieten recht schnell in die Fänge des Christentums und hier insbesondere der sich ständig ausbreitenden Klöster, die noch heute, zumindest nominell, eine gewisse Bedeutung bei der Herstellung des völkerverbindenden Gerstensaftes haben, wenn man nur an das edle Alpirsbacher oder die ausnahmsweise lobenswerten Ausgießungen des Klosters Andechs denkt.
Im Mittelalter allerdings braute anfänglich jeder noch vor sich hin, Privatpersonen (die Abgaben auch in Bier zu leisten hatten), Klöster, Höfe, aber etwa seit dem 7. und 8. Jahrhundert begannen Versuche, auch dieses alte germanische Grundrecht in den Griff zu bekommen und zum Nutzen der Obrigkeit zu reglementieren. Waren die ersten Klöster noch ärmliche Ansiedlungen, in denen die Mönche sich selbst durch ihre Arbeit ernährten, gelang es ihnen, sich – Hand in Hand mit den Fürsten – im Laufe der Zeit auch in unseren Gefilden Abgaben zu sichern, die vor allem von den Bauern geleistet werden mussten. Die lieferten allerdings wenig nahrhaftes Haferbier aus eigener Produktion ab, was den Mönchen denn doch zu mager war, insbesondere in den Fastenzeiten, in denen sie sich flüssig („flüssiges Brot“) zu ernähren pflegten.
Bier mit Ochsengalle
Also machten sich Mönche wie Nonnen selbst ans Brauen und einige von ihnen entwickelten darin ein ausgesprochenes Spezialistentum, zumal manche von ihnen als Inhaber des Bildungsmonopols auch wissenschaftliche Kenntnisse besaßen und von ihren Ländereien das beste Getreide und vor allem Gerste erhielten. Sie kippten mit wahrhaft experimentellem Eifer die für uns abwegigsten Gewürze in ihr Gebräu, von Ochsengalle über Eichenrinde bis zu Wacholder. So kamen sie auch darauf, dass Hopfen Bier haltbar machte – ein Segen in den Zeiten vor der Erfindung des Kühlschranks. Offensichtlich haben sie, wenn man zum Beispiel die Klosterordnung aus St. Gallen betrachtet, wie die Stiere gesoffen und auch mit dem Essen nicht gegeizt: „Für alle Klosterinsassen sind täglich sieben Essen mit reichlich Brot und fünf Zumessungen von Bier erlaubt. Das fünfte Essen zur Vesperzeit kann mit Wein eingenommen werden“ – was nichts anderes hieß, als dass ein Mönch täglich fünf bis zehn Liter Bier in Sicherheitsverwahrung nahm. Bezeichnend für diese Zustände war auch eine erzbischöfliche Ermahnung in England: „Ist ein Priester so betrunken, dass er die Psalmen nur noch lallt, soll er zwölf Tage von Brot und Wasser leben. Ist ein Mönch so voll, dass er speit, soll er dreißig Tage Buße tun. Ist ein Bischof so besoffen, dass er die Hostie auskotzt, muss er neunzig Tage büßen.“
Bier wurde von den Klöstern dreifach ausgeschenkt: An die Insassen, ebenfalls kostenlos an durchziehende Pilger und Wanderer, und schließlich wurde es auch in die Umgebung verkauft, was ein gutes Zusatzgeschäft darstellte. Im Hochmittelalter gab es in Deutschland etwa 500 Klosterbrauereien (die BRD hat heute insgesamt etwa dreimal so viele Braustätten). Eine der größten Klosterbrauereien hatte um die letzte Jahrtausendwende St. Gallen: An der Bierherstellung arbeiteten vom dafür benötigten Getreide bis zur Endverarbeitung 100 Mönche und etliche Schüler, was zeigt, ein wie wichtiger Wirtschaftsfaktor das Bier war. Etwa um diese Zeit hatte sich die Lage gegenüber der Sitte der alten Germanen, dass jeder brauen und mit seinem Produkt Handel treiben konnte, wie er wollte, schon völlig geändert, im 10. Jahrhundert war es vielen Fürsten gelungen, sich die Braurechte als Privileg zu sichern und dieses Recht dann anderen zu erteilen, selbstverständlich gegen einen gewissen Obolus.
Klöster waren anderen Brauereien überlegen: sie hatten kostenlose Arbeitskräfte, billigste Grundstoffe, waren von Abgaben befreit und wurden (zu Zeiten durch Getreideknappheit drohender Hungersnöte) nicht von Brauverboten betroffen. Die Konkurrenz zwischen geistlichen und weltlichen Brauereien ging sogar bis zu handfester Brandstiftung, vor allem in norddeutschen Gebieten, wo Wein keine so große Rolle spielte – im Süden war der Wein damals trotz der großen Bierproduktion beliebter als der Gerstensaft.
Aber immerhin, St. Gallen hatte es so weit gebracht, drei getrennte Brauereien für 3 verschiedene Biersorten anzulegen: für die vornehmen Stände, den Abt und manchmal auch die Mönche gab es „Celia“, kräftiges Starkbier; die „Cervisa“, alltägliches Haferbier, wurde den ganzen Tag über von Mönchen und Pilgern geschluckt, stets aber um neun Uhr, da zu dieser Zeit Christus dürstend am Kreuze hing (wenn’s ums Trinken ging, war auch im Mittelalter schon keine noch so abgeschmackte Spitzfindigkeit zu weit hergeholt) – und schließlich gab’s für Bettler und Klostergesinde aus christlicher Nächstenliebe „Conventus“, zu Neuhochdeutsch: den Rest, den sonst ums Verrecken keiner runterbrachte.
Der erste Konstanzer Brauer stammte aus Mähren
In Konstanz, dieser Gegend eingefleischter Weintrinker, wurde zwar immer schon privat zuhause Bier für den Eigenbedarf gebraut und auf manchen Herrschaftshöfen wohl auch ausgeschenkt, ein eigentliches Gewerbe war daraus aber nicht geworden, und man bevorzugte es noch, nur vom Weine berauscht, streng Aristoteles folgend nach allen Seiten zu fallen. Bier galt eher als Weinersatz bei schlechten Weinernten. Bis zum Jahre 1513, das der Chronist Nikolaus Schultheiß so charakterisiert: „Anfang des Jahres was zimlich gut wetter; aber umb Jeorgii kam ain Ryff und ain schnew, darab erfroren die reben gantz und gar, also dass ein fuder Wein 32 und 34 gülden galt. Uff das mal fieng man hie an bier machen und waren drey biersüder hier, die machten vil bier; galt 1 maß 2 Pfennig.“ Bereits im Herbst 1513 schritt die Obrigkeit ein und legte einen Höchstpreis für das Gesöff fest, der offensichtlich nicht einträglich genug war, denn 1518 gab es nur noch einen Brauer, der 2 verschieden teure Biersorten herstellte und selbst ausschenkte und wohl auch Großhandel trieb: Jakob Widerfranck hieß der wackre Mann und stammte aus Budwitz in Mähren. Sein Nachfolger, der Hesse Peter Schürer, machte mit seinem Gewerbe offensichtlich ein kleines Vermögen, bis 1575 der himmlische Braumeister seine Darre endgültig stilllegte.
Es wurde in kleinem Rahmen weitergebraut, u.a. im Haus Marktstätte 1 und an der Hussenstraße, aber es geschah nichts Spektakuläres: Es gab obrigkeitliche Brauerlaubnis meist auf ein Jahr und die Biereinfuhr blieb verboten, um den Geldabfluss in Grenzen zu halten, wogegen aber öfter verstoßen wurde. So wurde 1699, also noch bevor Johann Jakob Feinhals die Einrichtung einer Konstanzer Universität erstmals in Vorschlag brachte, bei 2 Studenten, die von zu Hause aus mit Bier versorgt wurden, ein „fäßlein arrestiert und befohlen, bis zur Klärung des Vorwurfs, sie hätten davon gegen Geld verkauft, „das faß bier in dem Kaufhaus ad Interim in Verhafft zue behalten“.
Brauerei Contamina zum „Wendelstein“ in der Inselgasse 1
Doch ein Jahr später kam dann der erste Meilenstein in der Konstanzer Brauereigeschichte: die Brauerei Contamina zum „Wendelstein“ in der Inselgasse 1 wurde vermutlich 1700 gegründet, und diese ursprünglich aus Savoyen stammende Familie schaffte es, bald 100 Jahre lang den Traum eines jeden Unternehmers zu verwirklichen, nämlich als einzige örtliche Brauerei ein Quasimonopol in einem nach außen weitgehend abgeschotteten Markt zu halten. Offensichtlich hatte der erste dieser Bierdynastie einige Besitzungen, denn eine Eingabe forderte: „Nachdem er mit Gersten, so auf seinen aigenen güetheren erwachsen, versehen seye, woraus er bier brewen lassen wollte, als bittet er, zue erlauben, damit er gegen 40 aymer brewen darffte.“ Und es wurde ihm erlaubt. Aber schon sein Sohn hatte 1728 Ärger mit der Geistlichkeit, die sich offensichtlich in der einen oder anderen Form immer einzumischen pflegte, denn er klagte beim Rat, die Jesuiten hätten sein Haus in Verruf gebracht. Es nützte ihm nicht allzu viel, denn da er als Beweis für die Ehrlichkeit seines Hauses einen Jesuiten mit ein paar Maulschellen traktiert hatte, war 1 Heller Strafe fällig. Und allzu ruhig scheint es schon damals nicht zugegangen zu sein, denn 1734 wurde ihm untersagt, nach 22 Uhr noch auszuschenken.
Offensichtlich litt der Geschäftssinn der Contamina aber nicht unter den nächtlichen Gelagen der Gäste, denn sie bestanden immer wieder in Eingaben an den Rat, jeglichen Bierimport und Ausschank anderen Biers zu untersagen; und in der Tat behielt man auf eingeführtes Bier eine doppelt so hohe Abgabe aufrecht, um den heimischen Mittelstand zu schützen. Aber es erwuchs dann doch der Konkurrent im Inneren: 1795, als sich in Konstanz wegen der Französischen Revolution zum Teil mehr französische Flüchtlinge als Einwohner aufhielten, darunter sehr viele Geistliche (!), und auch hier die Gesetze weniger streng wurden, erteilte der mittlerweile zuständige Hof in Wien, der ein Interesse daran hatte, für seine Soldaten die Bierqualität durch Konkurrenz zu heben und so auch die Preise niedrig zu halten, eine Braugenehmigung für das Haus „zur Sonne“ an den Pfalzvogt Niklas Matt.
Es gab im 19. Jahrhundert im mittlerweile badischen (nicht mehr habsburgischen) Konstanz etwa 20 Kleinbrauereien in der ganzen Innenstadt und allen angrenzenden heutigen Stadtteilen, und auch die neue Obrigkeit mischte sich wie immer ins Geschäft ein, um Preise und Qualität für das Militär gering zu halten. Doch die ehemalige Brauerei „zur Sonne“ ist die einzige, die in Konstanz noch, wenn auch an anderer Stelle und als Brauerei Ruppaner, fortbesteht. Damals wurde allerdings nicht in der „Sonne“ selbst gebraut, sondern an der Laube, in einem Gebäude südlich neben dem ehemaligen Pfarrhof von St. Paul [heute K9], weil die „Sonne“ „in einer Hauptgasse der Stadt gelegen. Und wenn es auch möglich wäre, der Feursgefahr vorzubeugen, so ist es dennoch eine unfehlbare sache, dass bittsteller dem aus der Malzdorre und Braupfanne aufsteigenden Rauch und Dampff, der wegen seiner Schwere bey jedem Lufft allzeit ehender in die Tiefe gedruckt als in die Hohe getrieben werden muss“ ihren heftigsten Widerstand entgegensetzen würden.
Das Ruppaner-Monopol
Diese Brauerei lief nicht übermäßig gut und erlebte wechselhafte Schicksale (so mussten 2 Besitzer 1847 und 1848 als Revolutionäre in die USA auswandern, wo sie bedeutende Bierimperien gründeten, u.a. die Constanz Brewery in New York), bis sie schließlich 1872 an Karl Ruppaner aus Rulfingen in Hohenzollern überging. Seitdem ist sie im Familienbesitz und wurde 1909 nach Staad-Allmannsdorf verlegt, nicht zuletzt, um die langen Transportwege aus der Stadt in die dortigen Felsenkeller zur Reifung einzusparen. Mittlerweile ist sie die einzige Konstanzer Brauerei und die älteste und größte Privatbrauerei am Bodensee.
Brauereien sind mittlerweile natürlich ziemlich weit entfernt von den mittelalterlichen Betrieben; insbesondere moderne Kühlmöglichkeiten, Filtrierung usw. haben ihr Produkt revolutioniert, und ständig wurden neue Biersorten entwickelt. Brauereien sind heute sehr unterschiedlich strukturierte Firmen von regionaler, nationaler oder sogar internationaler Bedeutung (man denke etwa an Guiness). Ruppaner z.B. ist fast ausschließlich auf den Bodenseeraum und die angrenzende Schweiz konzentriert und bietet neben seiner Bierpalette etwa 60 alkoholfreie Getränke an; in der Abfüllanlage können stündlich 12.000 Flaschen gereinigt und gefüllt werden.
Wichtig ist für eine solche Brauerei natürlich die Zusammenarbeit mit der Gastronomie – Ruppaner füllt etwa ein Drittel seiner Produktion auf Fässer ab und verkauft es offen über die Gastronomie. Der Biermarkt ist stark von Trends abhängig. Seit 1960 begann eine Pilswelle, in der ersten Hälfte der 70er Jahre war das Altbier ungewöhnlich populär. Zur Zeit verzeichnet z.B. Fürstenberg rasante Steigerungen bei alkoholfreien und Light-Bieren und bei Bier-Spezialitäten wie z.B. Weizen, wobei sich in den letzten Jahren ein Trend weg vom Sortenmarkt zum Markenmarkt abzeichnet, während zunehmend überregionale Brauereien auch in ursprünglich regionale Märkte eindringen.
Ein wie hochtechnisiertes Unternehmen die Brauerei heute ist, zeigt sich an den angesichts der Größe der Unternehmen recht geringen Mitarbeiterzahlen: Fürstenberg z.B. beschäftigte vor zwei Jahren bei einem Jahresumsatz von 157 Mio DM 469 Angestellte, und die gebenedeitete Brauerei zu Bitburg arbeitet bei einem Umsatz von 420 Mio DM (immerhin 300.000.000 Liter Bier!) mit 766 Mitarbeitern, d.h., pro Mitarbeiter ergeben sich mehr als 0,5 Mio DM Umsatz (oder: pro Mitarbeiter werden etwa 400.000 Liter Bier gebraut).
Diese bundesweit verbreiteten Marken, die sich in der Expansion befinden, leben neben der Qualität ihrer Produkte, die aber nicht unbedingt die kleinerer regionaler Brauereien übertreffen muss, vom Image: Luxusmodels, die sich in Yuppie-Umgebung räkeln, vermitteln offenbar tatsächlich in unseren Köpfen das Gefühl, eine besonders erhabene Zubereitung von Wasser, Hopfen und Malz durch die Kehle rinnen zu lassen, und weil es chic ist, mal was anderes als die anderen zu trinken, gibt man offensichtlich gern mal ein paar Mark mehr für ein mexikanisches Bier aus, das man unter einem anderen Markennamen nicht mal zum Schuhputzen verwenden würde. Einen ganz besonderen (und dem Erfolg nach auch lohnenden) Gag leistet sich Bit mit einer Flotte von 10 Heißluftballons, während Jever eher auf friesischherb macht. Und natürlich, wie sollte es auch anders sein, wird im Sport geklotzt, allerdings weniger im Fußball, sondern für das gehobene Image bei Pferde-, Tennis-, Segel- oder Autosport.
Aber was soll ’s? Am Uns-voll-und-toll-Saufen kommen wir alle öfter mal nicht vorbei.
Autor: Harald ?orges
Dieser Artikel verdankt viele Informationen und Zitate dem ausgezeichneten Buch: R. Lohberg, Das große Lexikon vom Bier, 3. Auflage, Stuttgart 1984; der Konstanzer Teil basiert auf: F. Wielandt, Die Bierbrauerei in Konstanz (…), Konstanz 1936, welches das Stadtarchiv dankenswerter Weise zugänglich machte.
Dieser Text erschien erstmals in: Kultur-Blätter Nr. 300/301, Juli 1991, und wurde nur minimal verändert. Wir danken den Kultur-Blättern (heute QLT) für die freundliche Genehmigung zum Wiederabdruck.