Räte, Bonzen, Pflastersteine – Götzendämmerung des Bürgermeisters
Man hätte darauf wetten können: Als der Konstanzer Gemeinderat am 28. Februar zur Abstimmung über eine auch für mobilitätseingeschränkte Mitmenschen begeh- und befahrbare Umgestaltung des Münsterplatzes schreiten wollte, zog Bürgermeister Kurt Werner eine neue Lösung aus dem Hut, die der von Behinderten geforderten Sandstein-Querung nicht nur ebenbürtig, sondern auch noch erheblich billiger sein soll. So hielt er die Debatte um die Zukunft dieses Platzes weiter offen
Mittlerweile hat Kurt Werner dank seiner Unbelehrbarkeit derart viel Porzellan zerschlagen, dass kaum noch jemand in der Lage ist, seine gelegentlich wohl auch sachlich gemeinten Vorschläge als solche anzuerkennen. Vielmehr darf man bei diesem Bürgermeister nach Gutsherrenart skrupelloses Taktieren vermuten, wenn er sich – wider das Votum der aus seiner Sicht unterbelichteten Bürgerschaft und ihrer gemeinderätlichen Vertreter – erst einmal etwas in seinen überhellen Kopf gesetzt hat. Was Werner in dieser Gemeinderatssitzung zu bieten hatte, um die bereits im Technischen und Umweltausschuss beschlossene behindertengerechte Querung des Münsterplatzes zu torpedieren, ließ den Kamm denn selbst in den Reihen der notorischsten Obrigkeitsanbeter sichtbar schwellen.
Eine Never Ending Story
Man erinnert sich: Das Pflaster auf dem Münsterplatz, das den traditionellen, höchst unansehnlichen Asphaltbelag abgelöst hat, sieht zwar edel aus, ist aber mit Stöckelschuhen kaum zu begehen, mit Rollstühlen so gut wie gar nicht zu befahren und bietet sehbehinderten Menschen keinerlei Orientierungspunkte. Daher fordern seit Jahren Behindertengruppen, der städtische Behindertenbeauftragte Conrad Schechter und der Stadtseniorenrat einmütig die Nachbesserung dieses Pflasters, das sich bisher allen Glättungsversuchen erfolgreich widersetzte, so sehr man daran auch herumschmirgelte und herunterschliff.
Der Technische und Umweltausschuss des Gemeinderates hatte sich jüngst nach jahrelangem Hin und Her dafür ausgesprochen, den Randbereich sowie einen Querweg am Münster vorbei mit Sandsteinplatten auszulegen, die sich nicht nur für Sehbehinderte optisch relativ gut von der Umgebung abheben, sondern auch Rollstuhl- oder Rollatorfahrerinnen und -fahrern eine Überquerung oder Umfahrung des Platzes ermöglichen. Die Zustimmung des Gemeinderates zu dieser Lösung schien an diesem Abend eine reine Formsache zu sein – doch dann kam alles anders, ganz anders.
Oberbürgermeister Uli Burchardt schlug überraschend vor, an diesem Tag nur über den Randbereich des Platzes abzustimmen und die Querung wieder einmal offen zu lassen, denn man sei gerade auf eine neue Lösung gestoßen, die genauso behindertenfreundlich wie die geplante sei und zudem 200 000 Euro billiger käme. Eine solche Lösung gebe es auch schon, und zwar – tätärätäää, Überraschung! – in … Basel.
Drei Spione, unterwegs im befreundeten Ausland
Der Hintergrund der Geschichte: Peter Kossmehl (CDU), seines Zeichens Fliesenhändler und damit gewissermaßen vom Fach, Peter Müller-Neff (FGL) und Herbert Munjak, Betriebsleiter der Technischen Betriebe, sind auf den Geheimtipp eines ungenannt gebliebenen Steindealers hin Anfang dieser Woche in klandestiner Runde nach Basel gefahren. Sie verkündeten mit Inbrunst, dort am Basler Münster den Stein der Weisen auch für den Konstanzer Münsterplatz gefunden zu haben.
Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen von Kurt Werner, der den Konstanzer Münsterplatz aus ästhetischen Gründen gern so lassen möchte wie er ist. Danach befragt, warum er ein so geheimniskrämerisches Verfahren gewählt habe, beklagte Werner in jammervollem Tone, er habe sich in letzter Zeit persönlich angegriffen gefühlt und deshalb dieses dreiköpfige Vorauskommando in allem Stillschweigen nach Basel geschickt, das dortige Pflaster zu begutachten, sonst hätte er eh nur wieder persönliche Angriffe fürchten müssen.
Dass er persönlich angegriffen wurde, hat Werner ganz richtig beobachtet, dass der Grund für diese Angriffe aber seine eitle Harthörigkeit gegenüber Anliegen der Bürgerinnen und Bürger etwa in Sachen Begegnungszone oder die kostspielige Fehlplanung der Brücke neben dem Bahnhof ist sowie sein rechthaberischer Stil der Öffentlichkeit gegenüber, bleibt ihm wohl auf immer verschlossen.
Dass er den Gemeinderat nur noch mehr gegen sich aufbringt, wenn er heimlich, still und leise drei Spione nach Basel schickt und vom Gemeinderat erwartet, auf deren Wort hin seine gesamte Planung über den Haufen zu werfen, sollte selbst einen Kurt Werner nicht erstaunen. Aber einer wie er bringt mannhaft auch ein solches Opfer, wenn er dafür seinen Münsterplatz in seiner jetzigen Form behalten darf.
Die so hochgelobte Basler Lösung besteht in einem verbesserten Schleifverfahren, das selbst aus den rundesten und schrundigsten Wackersteinen eine ebene, problemlos befahr- und begehbare Fläche machen soll, wenn man Müller-Neff, Munjak und dem alten Schlitzohr Kossmehl Glauben schenken will. Dass diese Schleiferei für 160 € pro Quadratmeter zu haben sein soll, während die Sandsteinplatten auf 540 € kämen, macht sie natürlich nur noch attraktiver.
Für erhebliche Aufregung sorgte allerdings das Handstreichartige des von Werner gewählten Vorgehens. Werner hat nicht etwa den Gemeinderat von der Basler Lösung unterrichtet und zum Mitkommen aufgefordert, sondern ließ nur die besagten drei Knappen nach Basel ausschwärmen, die zwar telefonisch noch zwei, drei weitere Spießgesellen zum Mitkommen ermunterten, aber wohl niemanden fanden, der Zeit dazu hatte.
Missmut allerorten
Roger Tscheulin (CDU) brachte es hörbar indigniert auf den Punkt: Nachdem man jahrelang diskutierte und die Verwaltung immer wieder antreiben musste, damit sie überhaupt tätig wurde, kommt just in jenem Moment, in dem man abstimmen will, etwas komplett Neues auf, das vorher in keiner Vorlage erwähnt wurde und jetzt ganz überraschend vom Himmel gefallen zu sein scheint. In dem Moment, in dem der Gemeinderat über den von Werner ungeliebten Sandstein abstimmen will, kommt er auf einmal mit einer Lösung an, die niemand jemals gesehen hat und von der man auch nicht weiß, ob sie in Konstanz überhaupt funktioniert. Brigitte Leipold (SPD) sekundierte ihm und geißelte, dass früher in Ausschüssen mehrfach von der Basler Lösung die Rede war, die Verwaltung aber niemals anregte, dort mal hinzufahren. Sie bezweifelte, dass die Kosten wirklich niedriger ausfallen würden und fragte, wer sich für die Kosten denn verbürgen könne.
Holger Reile (Linke Liste) verwies darauf, dass man einen klaren Beschluss des Technischen und Umweltausschusses habe und fragte, „wann das Votum auch der mobilitätseingeschränkten Menschen endlich auch im Baudezernat gehört werde“. Er mutmaßte, dass Werner jetzt den Gemeinderat nach Basel zu locken suche, in ein paar Monaten gehe es dann nach Lissabon, und bald kämen auch schon wieder Winter, Fasnacht und wieder Ostern, so dass sich die Angelegenheit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben lasse. Als Mensch, der auf längeren Ausflügen selbst auf den Rollstuhl angewiesen ist, beklagte Michael Fendrich (FDP) zudem, das Pflaster in Basel habe zu große Lücken, so dass es ebenfalls nicht gut befahrbar sei, und bevorzugte ebenfalls den Sandstein. Er wies auch darauf hin, dass die Angelegenheit durchaus ein Geschmäckle habe.
In der Tat muss man sich fragen, ob und wenn ja weshalb Kurt Werner hier ein Spiel treibt. Ist er wirklich ein fähiger Stadtplaner, muss er bereits seit längerem von der Basler Lösung und deren massiven Vorteilen gewusst haben. Warum aber hat er diese Lösung dann nie ernsthaft in die Debatte eingebracht, welche taktischen Absichten verfolgte er mit seinem Schweigen? Wenn Werner und seine Verwaltung andererseits trotz der jahrelangen Debatten über den Konstanzer Münsterplatz von dieser angeblichen Ideallösung in Basel, deren ach so großartige Vorteile sie jetzt zu loben nicht müde werden, tatsächlich nichts wussten, muss man ihnen wohl Unfähigkeit vorwerfen, denn von einer solchen, noch dazu ganz in der Nähe gelegenen Bepflasterung haben sie einfach kraft Amtes zu wissen, denn das ist ihr Job. Wie wenig Vertrauen Werner noch genießt, zeigte sich, als selbst Altkämpe Alexander Fecker (CDU), sonst stets treu auf Seiten jedweder Obrigkeit, wider den Stachel löckte und das Dubiose des Verfahrens rügte.
Im Handstreich genommen
Am Ende konnte Kurt Werner sich ins Fäustchen lachen, denn der Gemeinderat beschloss, die Basler Handwerker möglichst schnell in Konstanz eine Musterfläche anlegen zu lassen, damit man das Basler Material erproben könne. Damit hat Werner den Gemeinderat mal wieder düpiert und seinen Kopf durchgesetzt – ob zum Besten insbesondere der behinderten Menschen, muss man noch abwarten. Auch dass es bei dem Kostenvorteil bleibt, ist keineswegs garantiert, denn in Basel liegen die Steine in einem festen Bett und sind mit Mörtel verfugt, so dass sie sich relativ gut abschleifen, abflämmen und anderweitig behandeln lassen, während man in Konstanz den Münsterplatz nun mal – auf Sand gebaut hat.
Autor: O. Pugliese
die sollen sich lieber mal um neue Wohnungen kümmern !
demnächst werden auch Hundehütten umgenutzt
die Goldgräberstimmung ist unter den Vermietern ausgebrochen
viele bewegen sich haarscharf im Bereich des Mietwuchers
http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Neuer-Wohnraum-in-Kreuzlinger-Strasse-Hoffnung-steigt;art372448,5825786
No-go-areas
Putzig, welche Republik sich da entwickelt, im Kleinen wie im Großen. No-go-areas für Behinderte am Münster, weil ein Baubürgermeister sich an seiner Bedeutung aufgeilen muß. Was für Defizite muß er damit kaschieren? Und im Osten dieses unseres Landes darf niemand allzu auswärtig aussehen, will er nicht mit einem Baseballschläger in die Begegnungszone geraten. So arg daneben ist die italienische Boulevardpresse nicht, wenn sie vom Vierten Reich titelt.
Um zum Münsterplatz zurückzukommen: Hat keine/r der Stadträte/innen ahnen können, wie sehr dieser Belag auf den Sack gehen kann beim Drüberradeln bzw. welchen Tribut er einfordert, schlendert frau mit high heels drüber? Von Rollstuhlfahrern mal ganz zu schweigen – so jung ist der Begriff barrierefrei dann doch nicht.
– Jeden Tag sollten sie auf den Knien zu Unserer Lieben Frau rutschen müssen, der Baubürgermeister voran. Nicht der Religion wegen. Wegen ihrer Hirnlosigkeit und ihrer Ignoranz. Sollte darüber hinaus noch jemand sein geschäftliches Süppchen kochen (Kossmehl, ick hör Dir pflastern und schleifen): Nie wieder soll er aufstehen dürfen.
Da bin ich auch der Meinung, dass eine lange optische Teilung des mittelalterlichen Pflasters schade wäre und das geschaffene Ensemble zerstört. Den Weg an die Häusern vorbei, für Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer, hätte bereits bei der Erstehung der Neupflasterung selbstverständlich sein müssen. Warum ist das keinem, Planer, Verwaltung, Gemeinderäte, Behindertengruppen vorher klar gewesen? Auch Sehbehinderte können sich besser an die Häuserfront oritieren.
Entscheidend ist, wie lange die Verzögerung dauert. Wenn die Stadt mit Volldampf dran geht und ein ebenso geeignete Lösung in kurzer Zeit umsetzt, dann habe ich Verständnis. Was nicht hinzunehmen ist, ist dass sich das Ganze wieder um Monate hinzieht.
Herr Werner hat bisher eine unglückliche Hand im Umgang mit engagierten Bürgern bewiesen und längst notwendige Änderungen verschleppt. Bei einer Sitzung mit Ehrenamtlichen zum Thema Begegnungszone am letzten Dienstag hatten wir zum ersten Mal den Eindruck, dass er zuhört und die Anliegen ernst nimmt. Ob daraus Taten und eine baldige Umsetzung der Verbesserungen folgen, werden wir sehen. Der Baudezernent und der Stadtrat werden sich daran messen lassen müssen, was und wie schnell jetzt auch umgesetzt wird.
Anzumerken ist, dass jenseits von Parteizugehörigkeit, Herr Fecker unserer Anliegen zur Begegnungszone zu seinen eigenen gemacht hat und uns von Anfang an aktiv unterstützt hat. Das was sich Menschen mit Handycap wünschen, ist Teilhabe am öffentlichen Leben und Barrierefreiheit. Unsere gewählten Vertreter im Gemeindrat sollten sich dafür einsetzen und zwar alle. Die Menschen und ihre Bedürfnisse sind wichtiger als Prestigeprojekte, Ästhetik und Barrierefreiheit müssen sich keineswegs widersprechen. Die Stadt, das sind die Menschen, die hier leben, und zwar alle. Die Umsetzung unserer Forderungen bringt Konstanz näher an Inklusion. Auch eine behindertengerechte Stadt könnte ein Prestigeprojekt werden. Eine sehr sinnvolle Botschaft an die Menschen im Land, gerade in Anbetracht des Konziljubiläums.
Lassen wir doch die Kirche im Dorf:
Eigene Interessen zu vertreten, und seien sie auch noch so verwegen und nicht am Allgemeinwohl orientiert, ist durchaus legitim und sollte auch einem Baubürgermeister zugestanden werden. Auch dass sie „handstreichartig“ präsentiert werden, erstaunt wenig: Der Umgang mit Kritik will gelernt sein. Das ebenfalls auf der Gemeinderatssitzung vom 28. Februar vorgestellte „Konzept zur Förderung von Führungskräften der Stadtverwaltung“, das derartige Fähigkeiten zukünftig bereits auf der untersten Führungsebene einüben soll, kommt halt etwas spät.
Aber es bedarf schließlich einer Mehrheit im Gemeinderat, um eigene Interessen auch durchsetzen zu können. Hätte Bürgermeister Werner den Gemeinderat wirklich gegen sich aufgebracht, wäre es ihm nicht gelungen, das bereits beschlossene Vorgehen noch einmal zu kippen und damit die berechtigten Interessen mobilitätseingeschränkter Menschen weiterhin zu ignorieren.
Mit dem „Missmut allerorten“ scheint es nicht weit her zu sein! Sonst hätte der sich dadurch manifestiert, dass der Gemeinderat der neuerlichen Verschleppung einer sachgerechten Lösung eine deutliche Absage erteilt.
Anstatt ihm mit großer Mehrheit zu folgen.
Sich auf einen Baubürgermeister einzuschießen verschleiert, dass in Konstanz die Räte mit irritierendem Elan an einem neuen Motto für die Stadt arbeiten: „Willkommen in Konstanz – aber Behinderte und Mobilitätseingeschränkte müssen leider draußen bleiben!“
Was am Bahnhof ohne Fahrstuhl beginnt, setzt sich nahtlos in der sogenannten „Begegnungszone“ fort, wo Ampel und Zebrastreifen sinnentleert zugunsten grüner Kringel abgeschafft wurden. Wen wundert da noch, dass am Münsterplatz – Gipfel der mitmenschlichen Instinktlosigkeit – lediglich die „Randbereiche“ barrierefrei gestaltet werden sollen. Lösungen für die „Mitte“ (der Gesellschaft und des Münsterplatzes) hingegen nochmals vertagt wurden.
Mich persönlich erstaunt die Geduld und Leidensfähigkeit von Behindertengruppen und Stadtseniorenrat. Uns anderen, die wir noch gut zu Fuß sind, bleibt wohl nur noch Fremdschämen über die Entscheidung des Gemeinderates.
Sabine Bade
Leute, Leute.
Wen oder was soll man in dieser Stadt eigentlich noch ernst nehmen? Aufbau und Untergrund sind doch nicht identisch mit dem am Münster Konstanz – wenn schon eine Kopie, dann doch bitte eine „richtige“ und nicht eine, welche ein konstanzer Wasserzeichen trägt….
Nein, Bürgermeister Werner treibt hier kein „Spiel“. Dass es die Möglichkeit gibt, Pflastersteine abzuschleifen, war schon länger klar, auch am Münsterplatz hatte man es ja schon versucht. Allerdings waren die Ergebnisse nie befriedigend. Dass es die Möglichkeit gibt, die Pflastersteine in einer auch für mobilitätseingeschränkte BürgerInnen hohen Qualität abzuschleifen, wurde dem Baudezernat tatsächlich erst vor wenigen Tagen bekannt. Wenn es nun gelingen sollte, die scheinbar entgegenstehenden Belange der Barrierefreiheit und der Gestaltung bedeutsamer Stadträume zusammenzubringen wäre das doch ein Gewinn für alle, oder?
Mehr Infos unter: http://www.konstanz.de/ris/www/sv_print.php?sv_id=10261
Walter Rügert (Pressereferent)