Plädoyer für höhere Gagen
Wissen Sie, was Schauspieler am Stadttheater verdienen? Durchschnittlich 2 350 Euro brutto. Und das ist nach Ansicht von Theaterintendant Nix so nicht länger hinnehmbar. Deshalb bittet er den Gemeinderat um eine moderate Gehaltserhöhung für seine Schauspieler – schlappe 38 000 Euro würde das 2013 kosten und ist deshalb Thema auf der heutigen Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses
Christoph Nix und seine Verwaltungsleiterin Sabine Bilharz-Jones sind noch bescheiden und bitten bloß um eine Erhöhung der Durchschnittsgage um rund 100 € brutto monatlich. Eine wahrlich moderate Summe, wenn man bedenkt, mit welchen Summen gleichzeitig bei der Ausrichtung der Konzil-Spiele jongliert wird. Doch da sind jüngst ja rund 500 000 Euro eingespart worden – aus demselben „Kultur-Topf“ ließen sich Gagenerhöhungen lässig berappen.
Aber die Theaterleute fürchten auch um die Zukunft des Theaters. Denn bei solchen Gagen könnten sich zahlreiche Schauspieler und Regisseure ein Engagement in Konstanz auch angesichts der hohen Lebenshaltungskosten hierzulande gar nicht leisten – wertvolle Künstler müssten darum absagen und gingen dem Theater so durch die Lappen. Und was für Schauspieler gilt, trifft, so Christoph Nix und Sabine Bilharz-Jones, auch für die künstlerisch-technischen Theater-Mitarbeiter zu: Auch sie verdienten eine Gehaltserhöhung.
Wir dokumentieren den Brand- und Bittbrief der Theaterleute mit der aufrichtigen Bitte auch der seemoz-Redaktion an den Gemeinderat, ausnahmsweise in diesem Fall tiefer in die Taschen zu greifen:
An die Vorsitzenden der
Gemeinderatsfraktionen
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Theater geht mit neuen Herausforderungen in das neue Jahr 2013:
Die derzeitige monatliche Durchschnittsgage der künstlerischen und künstlerisch-technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von rund 2. 350 € brutto reicht nicht mehr aus, um neue qualifizierte Kräfte für das Theater zu gewinnen oder langjährig beschäftigte Künstler länger an Konstanz zu binden. Vom Applaus allein können die Künstler nicht leben, die Durchschnittsgage spiegelt in keiner Weise eine Wertschätzung für den hohen Einsatz und die Qualität der Arbeit wider. So blieben im vergangenen Jahr wichtige Positionen über mehrere Monate unbesetzt oder Bewerbungen wurden zurückgezogen, wenn sich andernorts eine besser bezahlte Stelle auftat.
Auch das Verhältnis zwischen Gagenhöhe und Lebenshaltungskosten in Konstanz führte dazu, dass aussichtsreiche Bewerber, vor allem mit Familie, von einem Engagement in Konstanz Abstand nahmen. Das ist bitter.
Um diese künstlerisch und künstlerisch-technischen Mitglieder zu gewinnen und zu halten, benötigt das Theater zusätzliche Mittel, die o.g. Durchschnittsgage um durchschnittlich 100 €/Monat brutto zu erhöhen und sozialen Ansprüchen Rechnung zu tragen – wie etwa Zahl der Kinder, Lebensalter und berufliche Erfahrung.
Auch den freischaffenden Künstlern müssen wir bessere Gagen anbieten, wollen wir in Zukunft erfahrene Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner für das Konstanzer Theater gewinnen. Die Durchschnittsgage für eine freischaffende Tätigkeit beträgt ca. 6.000 € inkl. Steuer, zuzüglich Reise- und anteilige Übernachtungskosten. Der zeitliche Aufwand für eine freie Tätigkeit beträgt ungefähr zwei bis drei Monate.
Die Erhöhung der Durchschnittsgage um rund 100 € brutto monatlich bzw. des Durchschnittshonorars für die freie Tätigkeit auf 7.000 € inkl. Steuer ab der Spielzeit 2013/14 erfordert
– im Jahr 2013 38.000 €,
– im Jahr 2014 102.000 €.
Wir bitten Sie deshalb darum, in den Haushaltsberatungen für die Jahre 2013/2014 über eine Anpassung des Grundbudgets lt. Budgetierungsvereinbarung 2012 ff zu sprechen.
Es ist aufwändiger geworden, neue Besuchergruppen anzusprechen, neue Kooperationspartner zu finden und zusätzliche Drittmittel zu erschließen. Hierfür braucht es Personal, das kontinuierlich arbeitet und nicht nur auf Projektbasis tätig ist. Und es braucht eine hohe Diversität des Angebots: Angebote für alle Altersgruppen und gesellschaftlichen Gruppen, differenzierte Ansprachen, Möglichkeiten zur Partizipation, Vernetzungsarbeit und Kooperationen.
Mit freundlichen Grüßen
Intendant
Verwaltungsleiterin
Wie immer ist dies mal wieder nur die halbe Wahrheit. Dem Stadttheater schreibt keiner vor, wie es seine erhaltenen Gelder verteilt und einsetzt. Es bestände auch die Möglichkeit weniger, aber dafür qualitativer zu produzieren und dann die Beschäftigten entsprechend zu entlohnen. Andere Theater schaffen das auch.
Soweit ich weiss, gilt im Theater ein Sondertarifvertrag (der wohl „Normalvertrag Bühne“ heisst). Ver.di und die kommunalen Arbeitgeber wollten ihn letztes Jahr neu aushandeln, um die Lohnerhöhung, den die übrigen städtischen Mitarbeiter erstritten haben, zumindest teilweise nachzuvollziehen.
Siehe die Infos des VKA unter http://www.vka.de/media/exe/74/5e68edbbf7069d8d4ddd63cb82561fd5/2012_5_tarifinfo-der-vka.pdf
Was ist aus diesen Verhandlungen geworden?
Diese ehrenwerte Initiative des Herrn Nix ist nur zu unterstützen. Die Erhaltung des Theaters in seiner jetzigen Qualität kann nur mit anständigen Löhnen geschehen. Da sind die geforderten 100€ pro Monat nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Dass faire Bezahlung etwas mit menschenwürdiger Arbeit zu tun hat, das ist ja für die Mehrheit der Entscheidungsträger des Gemeinderates weniger argumentativ durchschlagend…
Die Argumente sind sehr gut nachzuvollziehen. Leider auch für andere Berufsgruppen wie Pflegekräfte und Erzieher /innen und einige andere Berufsgruppen, die mit hohem Einsatz arbeiten und deren Gehalt mit den Lebenshaltungskosten in Konstanz nicht mehr Schritt halten kann. Gut ausgebildete und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten den Arbeitgebern etwas wert sein – ein weiteres Argument dafür, die Gehälter im oberen Bereich unter die Lupe zu nehmen. Eine gerechtere Verteilung von oben nach unten ist dringend angesagt, nicht nur beim Theater.