Altkleidersammlung für das Konziljubiläum
Die Vorbereitungen für die Erinnerung an das Konstanzer Konzil (1414-1418) laufen auf Hochtouren, doch recht Gescheites will bislang nicht dabei heraus kommen. Auch ist immer noch unklar, wie es um beantragte Fördergelder steht, die das millionenteure Jubiläum für die Stadt finanziell erträglicher gestalten sollen. Langsam bricht Panik aus. Nun aber tauchte ein Stückchen Stoff auf, das der Öffentlichkeit von den in Not geratenen Jubiläumsbeseelten als Sensation verkauft wird
Mit ein Kernstück der geplanten Jubiläumsfeierlichkeiten soll eine große Ausstellung des Badischen Landesmuseums sein, die nächstes Jahr im Konstanzer Konzil gezeigt wird. Die zuständige Kuratorin Karin Stober erklärte kürzlich den Rätinnen und Räten, was man dort alles bewundern könne. Man nahm die Ausführungen geduldig zur Kenntnis. Bevor die Stimmung ihren Tiefpunkt erreichte, zog Karin Stober einen vermeintlichen Joker aus der Tasche. Bei Recherchen sei findigen Historikern ein Stück des Original-Gewandes von Jan Hus in die Hände gefallen. Da kam dann doch noch eitel Freude im Ratssaal auf.
Entdeckt wurde das „Textilfragment“, so Karin Stober, im Depot eines Museums in Colmar. Und zwar schon vor rund 20 Jahren. Damals aber, erklärte Stober, habe man die Bedeutung dieses Fundes noch nicht erkannt. Mittlerweile hätten sich Spezialisten aus der Schweiz des Stoff-Fetzens angenommen und – Kinderüberraschung!- herausgefunden, dass das braune Wollgewebe sehr wohl auf das 14. oder 15. Jahrhundert datiert werden könne. Genauer wollten sich die Textilspezialisten nicht festlegen.
Zur Erinnerung: Der böhmische Reformator Jan Hus, der die Prasserei, Hurerei und Völlerei der Kirchenfürsten öffentlich anprangerte, wurde am 6.Juli 1415 während des Konstanzer Konzils auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Schwer nachvollziehbar, warum ein Stück seiner Bekleidung vom Feuer verschont geblieben sein soll. Denn die päpstliche Inquisition hatte den grausamen Flammentod auch deshalb angeordnet, um zu verhindern, dass irgendetwas von Hus übrig blieb, was später als potenzielle Reliquie schlichte Geister zur religiösen Raserei hätte bringen können. Also wurde der Henker strikt angewiesen, alles einzuäschern, auch Hussens Gürtel, und die rückstandsfreie Asche im Rhein zu versenken. Was dann nachweislich auch so geschah.
Die neuzeitlichen Jubiläumsorganisatoren ficht das nicht weiter an, denn das Stück Stoff ist mit zwei Inschriften versehen, die seine angebliche Echtheit beweisen sollen. Eine weist ihn, so das Geschichts- und Kulturmagazin „Damals“, als Stiftung des Stadtrates Hamberger aus dem Jahre 1842 aus. Die andere, handschriftlich in französischer Sprache angebracht auf der Rückseite, benennt den Stoff als „Teil des Mantels des Jan Hus, der als Ketzer während des Konstanzer Konzils 1415 verbrannt wurde“.
Das Textilfragment kommt gerade zur rechten Zeit, um dem Konziljubiläum schon im Vorfeld strahlenden Glanz zu verleihen und die Erwartungshaltung zu befeuern. Irgendwas Spektakuläres muss her, man klammert sich fast schon verzweifelt an jeden Strohhalm. Je älter er ist, desto besser. Da ist es den Verantwortlichen ziemlich egal, dass es sich bei dem vermeintlichen Sensationsfund wohl eher um eine spirituelle Räuberpistole handelt, mit der man sich nachhaltig der Lächerlichkeit aussetzt.
Weltweit ist die Zurschaustellung diverser Reliquien ein einträgliches Geschäft. Allein mit den Holzsplittern vom Kreuz Christi, die in den vergangenen Jahrhunderten zusammen getragen wurden, könnte man eine Brücke oder mehrere Gartenhäuschen bauen.
Geht das so weiter, dann werden bald Angebote in Konstanz eintreffen, die den Ruhm der größten Stadt am See weit in die Welt hinaus tragen: Ein Schamhaar von Kaiser Sigismund, ein Zehennagel von Papst Johannes XXIII., etwas Ohrenschmalz von Otto Colonna oder ein angekohlter Backenzahn von Hieronymus von Prag. Irgendein Institut wird sich schon finden, das eine passende Expertise abgibt.
Autor: H.Reile
Hallo Herr Reile,
wenn es zur Ergänzung von Informationen hilfreich erscheint: warum nicht?
Gruß, Walter Rügert
hallo herr rügert,
wie sie wissen, nickte der rat auch mehrheitlich ideen ab, die sich nachträglich als veritable rohrkrepierer erwiesen haben.
ihre werbung für den südkurier haben wir zur kenntnis genommen und gehen davon aus, dass sie in zukunft auch in der hiesigen tageszeitung kommentare inkl. link absetzen, die auf die eher kritische berichterstattung auf seemoz hinweisen. wäre das in ihrem sinne?
fragt und grüßt
h.reile
Ich hatte den Eindruck, die meisten Räte waren sehr angetan von der Präsentation von Frau Stober. Heute gibt es im Südkurier übrigens ein interessantes Interview mit ihr zum Stand der Vorbereitungen der Ausstellung: „In der Ausstellung wird ganz Europa präsent sein.“ Mehr: http://www.suedkurier.de/region/kreis-konstanz/konstanz/Karin-Stober-Konstanz-sollte-sich-schmuecken-fuer-das-Konziljubilaeum;art372448,5950772
Walter Rügert (Stadt Konstanz, Pressereferent)
Lieber Kollege Reile,
auch wenn ich Ihren aufklärerischen und investigativen journalistischen Anspruch überaus schätze, so frage ich mich diesmal dennoch, weshalb es Ihrer Meinung nach so unmöglich ist, dass etwas von der Bekleidung von Jan Hus übrig geblieben sein soll.
Wie Sie schreiben, wurde er im Juli 1415 verbrannt. Gehen wir doch einfach mal davon aus, dass es schon damals im Sommer ziemlich heiss und ein Mantel nicht unbedingt nötig war. Sicherlich wird Jan Hus aber einen gehabt haben, vielleicht sogar noch andere Kleidungsstücke, die er aber gewiss nicht alle beim Tod in den Flammen getragen haben wird. Was also ist damit passiert? Schon möglich, dass das eine oder andere Stofffragment seinen Weg durch die Geschichte gefunden haben mag. Wunder gibt es immer wieder…
Beste Grüsse und weiterhin frohes Schaffen. Bleiben Sie kritisch!
hallo hele,
richtig, das stückchen stoff wurde im juli 2012 in karlsruhe präsentiert. uns hier in konstanz wurde am 19.2.2013 bei einer sitzung des ba (betriebsausschuss) konzil erklärt, dass dieses textilfragment teil der landesausstellung werden soll.
grüße
h.reile
Lieber Holger,
wann hat denn die „… Karin Stober kürzlich den Rätinnen und Räten (erklärt).. “ dass dieser Stofffetzen existiert?
Die Geschichte scheint ja vorigen Sommer durch die Presse gegeistert zu sein.
Vorschlag: Das Stück sofort dem Hus-Museum zur Verschickung nach Tabor aushändigen. Wir wollen ja keine Wiederholung der Hussitenkriege.
Reliquienverehrung und der schwunghafte Handel mit den Überresten von Gebeinen, Asche, Kleiderstücken und Ähnlichem fanden ja bekanntermaßen ihren Höhepunkt während der Gegenreformation, die die Reliquienverehrung ausdrücklich empfahl und die umfassende Kritik der Reformatoren daran zurückwies. Die nachlassende Reliquienverehrung kam in katholischen Gebieten wieder so richtig in Schwung.
Umso unpassender erscheint es nun, den Reformator Hus mit einer angeblichen „Reliquie“ in Verbindung zu bringen. Und makaber obendrein. Erinnert sei auch an die Verfolgung John Wyclifs. Da die katholische Kirche seines Körpers nicht mehr habhaft werden konnte, mussten seine Knochen herhalten. Wyclif wurde 1415 posthum vom Konstanzer Konzil als Ketzer verurteilt, da er aber schon 1384 eines natürlichen Todes gestorben war, wurden seine Gebeine im Jahre 1418 exhumiert, verbrannt und die Asche in den Fluss Swist gestreut. Auf dass nichts von ihm und seinen fortschrittlichen Ideen übrigbleibe.
Eine vollständige Rehabilitierung von Jan Hus, Hieronymus von Prag und John Wyclif hat es seitens der katholischen Kirche nie gegeben. Das anstehende 600. „Jubiläum“ des Konstanzer Konzils wäre doch ein passender Anlass.
Auch schon im Mittelalter brachten Reliquien Macht, Ansehen, Pilger und Geld. Nachfrage schafft Angebot.
Brustmilch von der Mutter Gottes war eine sehr beliebte und verbreitete Reliquie. Der Reformator Calvin hat zu Beginn der Neuzeit gemutmaßt, es gibt soviel davon, sie müsse wohl eine Kuh gewesen sein.Die Echtheit der Reliquien, die meist zu günstigen Zeitpunkt entdeckt wurden, belegte man mit Wundern, und mit gefälschten Urkunden. dazu benötigte man nur ein paar gehorsame wie schweigsame Mönche.
Wenn das Luther wüsste: Reliquienverehrungen, Wallfahrten und Ablaßhandel mit der dazugehörigen Geschäftemacherei haben den guten Martin schon damals geärgert.
Freue, freue dich o Christenheit!
Nach dem Motto: Marketing ist alles – wenn es der Sache dienlich ist, nur her damit – wird gezaubert und plötzlich ist eine echte Reliquie da – besser kann es für Konstanz nicht laufen.
Restlose Begeisterung türmt sich auf bis hin nach Tabor und Prag. Endlich können viele Heilsfahrten organisiert werden.
Erleuchtete tschechische Einwohner und andere Weltbürger pilgern freiwillig an den Bodensee, um gnadenvoll das Wunder zu erspähen.
Deja vu – letztes Jahr in Trier wurde die Reliquie des heiligen Rocks von etwa einer halben Million Wallfahrer entzückt bestaunt und die Medien jubilierten, an was sich Welt doch alles ergötzen kann.
http://www.sueddeutsche.de/kultur/heiliger-rock-in-trier-gottes-letztes-hemd-1.1332395