Wer tanzt den neuen Boldt?

Bei der Gemeinderatssitzung am morgigen Donnerstag wird auch darüber entschieden, wer das Amt von Bürgermeister Claus Boldt (CDU) übernimmt. Boldt geriet vor allem im letzten Drittel seiner Amtszeit schwer unter Beschuss und kam für eine zweite Amtszeit nicht mehr in Frage. Beworben für seine Nachfolge hatte sich eine halbe Hundertschaft zwischen Flensburg und Konstanz, übrig geblieben sind zwei Kandidatinnen und ein Kandidat. Doch um wen handelt es sich da genau? seemoz klärt auf

Der Südkurier hat Ute Seifried (45), zur Zeit noch amtierende Leiterin des Sozial- und Jugendamts und Bewerberin für den Bürgermeisterposten, unter Nennung ihres Namens als aussichtsreiche „Lokalmatadorin“ bezeichnet. Das mag richtig sein, vor allem auch deshalb, weil Seifried, einst CDU-Sympathisantin und nun Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen, als bevorzugte Kandidatin der FGL gilt und wohl auch Stimmen aus anderen Lagern holen wird. Aber fair ist das nicht, was die Tageszeitung da getrieben hat. Der Öffentlichkeit wird damit zwischen den Zeilen signalisiert, dass es eine klare Favoritin gäbe und die zwei anderen bestenfalls als schmückendes Beiwerk gelten.

Da der klandestine KandidatInnen-Tango nun ein Stück weit offener getanzt wird, komplettieren wir hiermit die Liste, denn Seifrieds MitbewerberInnen sind weder namen- noch chancenlos. Zum einen wäre da Margarita Kaufmann (57), die von 1999 bis 2007 Bürgermeisterin in Friedrichshafen war und anschließend mehrere Jahre Leiterin der Odenwaldschule. Zur Zeit arbeitet sie als Projektmanagerin bei der Deutschen Welle und kümmert sich um Projekte der Entwicklungszusammenarbeit mit Schwerpunkt Medienförderung in Entwicklungsländern. Das Trio wird vervollständigt von Andreas Osner (44), Geschäftsführer des Vereins „Familiengerechte Kommune e.V.“ in Dortmund und langjähriges SPD-Mitglied. Als seine Arbeitsschwerpunkte nennt er: Familienpolitik, Politische Führung, Interkommunale Zusammenarbeit und Demografischer Wandel.

Sowohl Kaufmann als auch Osner hatten auf Anfrage von seemoz nichts dagegen, dass ihre Namen bekannt gegeben werden. Im Gegenteil, so die parteilose Kaufmann, „denn am Freitag steht es ja sowieso in der Zeitung“. Im Vorfeld der Entscheidung hat es immer geheißen, dass der oder die Beste gewinnen möge und eine Parteizugehörigkeit keine Rolle spielen dürfe. Klingt gut, ist aber nicht mal die halbe Wahrheit.

Das ganze Auswahlverfahren wirft grundsätzliche Fragen auf. Man kann noch nachvollziehen, dass eine gemeinderätliche Auswahlkommission die Flut der BewerberInnen nichtöffentlich sichtet und entscheidet, wer schlußendlich in die Endrunde kommt. Aber spätestens dann sollten alle KandidatInnen öffentlich vorgestellt werden. Denn bei der Nachfolge des glücklosen Bürgermeisters Claus Boldt geht es nicht um eine vernachlässigbare Personalie. Das Dezernat II umfasst viele Bereiche, darunter die Museen, die Philharmonie, das Stadttheater, den sozialen Bereich, Schule und Wissenschaft und ist zudem zuständig für das Gesundheits-, Sport und Bäderwesen. Und: Der oder die neue Bürgermeisterin wird für acht Jahre gewählt, eine Amtszeit, die viele für zu lange halten.

In letzter Zeit wird oft von mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz geredet. Man müsse, heißt es, „die Bürgerinnen und Bürger von Anfang an mitnehmen“. Im Falle der Neubesetzung des Bürgermeisterpostens hätte man das schon mal erproben können. Beispielsweise derart, dass man die verbliebenen KandidatInnen bei einer öffentlichen Veranstaltung der Bürgerschaft vorstellt und dabei die Möglichkeit besteht, sie zu ihren Plänen und Zielen zu befragen. Doch diese Chance wurde wieder einmal fahrlässig vergeben. Somit wird den BürgerInnen bei der dann öffentlichen Gemeinderatssitzung am Donnerstag eine wichtige Entscheidung mitgeteilt, bei der sie von Beginn an außen vor geblieben sind und nichts zu sagen hatten. Förderlich für das Interesse an kommunalpolitischen Prozessen und Entscheidungen ist das nicht.

Autor: H.Reile