Kungelei ums Konstanzer Klinikum?

Helios streckt seine Fühler nach Konstanz aus. Der Krankenhaus-Konzern, seit drei Jahren Besitzer des einst städtischen Krankenhauses in Überlingen und 58 weiterer Kliniken in Deutschland, würde allzu gerne mit Konstanz ins Geschäft kommen. Hellhörig geworden durch die prekäre Finanzlage des Konstanzer Klinikums, schwärmen Helios-Manager aus, um Verwaltung und GemeinderätInnen von den Vorteilen einer Krankenhaus-Privatisierung zu überzeugen. Alles das passiert hinter verschlossenen Türen – Konstanzer Kungelei ist angesagt.

Auf Nachfrage von Holger Reile (LLK) auf der Gemeinderatssondersitzung am 27. Juli gestand Oberbürgermeister Horst Frank immerhin, dass Gespräche zwischen der Verwaltungsspitze und privaten Gesundheitsunternehmen stattgefunden haben. Einzelheiten jedoch wurden – mal wieder – nicht genannt.

Bekannt ist allerdings, dass die HELIOS Kliniken GmbH den Kontakt zu verschiedenen Gemeinderatsfraktionen gesucht hat. Die Grünen (FGL) haben nach Seemoz-Informationen ein solches Treffen abgelehnt, die Linke (LLK) wurde gar nicht erst gefragt. Der Rückschluss sei erlaubt: Alle anderen GR-Fraktionen – und die Verwaltungsspitze ohnehin – haben mit Helios bereits gekungelt. Bestätigen mochten das Verantwortliche der übrigen Gemeinderats-Fraktionen auf Anfrage allerdings nicht.

Vorgabe: 15 Prozent Gewinn

Der Helios-Mutterkonzern, Fresenius SE, ist ständig interessiert, kleine und mittlere Krankenhauszukäufe zu finanzieren (Fresenius hat im vergangenen Jahr seinen Umsatz um 13 Prozent auf 14,2 Milliarden Euro gesteigert). Da verwundert es nicht, dass die internen Anforderungen und Gewinnerwartungen hoch sind: Laut Helios-Chef de Meo soll der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen des Einzelhauses bereits im ersten Jahr nach der Übernahme drei Prozent, im zweiten Jahr sechs, im dritten neun, im vierten zwölf und im fünften Jahr 15 Prozent betragen.

Dies wird durch ein Bündel von Maßnahmen angestrebt – unter anderem durch Personalabbau (keine Verlängerung der Probezeit, Aufhebung befristeter Arbeitsverhältnisse und „freiwillige“, prämienbegünstigte Kündigungen) sowie durch Lohnreduzierung, Leistungsverdichtung, durch Auslagerung von Betriebsteilen und eine deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegende Verweildauer der Patienten.

Umfrage: Pflegequalität mangelhaft

Solche Strategien freuen die Investoren, gehen aber zu Lasten der Pflegequalität und des Personals. Der Personalabbau ging auch an den Pflegekräften des Helios-Klinikums Berlin-Buch nicht spurlos vorüber. Eine Mitarbeiterbefragung des Betriebsrates aus dem Jahre 2007 ergab, dass Stress, Arbeitsüberlastung und zu wenige Pausen die Regel seien. Die Hälfte der befragten Krankenschwestern war mit der durchschnittlichen Pflegequalität unzufrieden, kritisierte die Stationsbesetzung als „mangelhaft“ oder „ungenügend“; 75 Prozent klagten über eine zu hohe Arbeitsbelastung. Die Geschäftsführung wollte die Befragung gerichtlich verhindern, musste diese jedoch nach einer juristischen Niederlage zulassen.

In diesen Zusammenhang sind auch die regelmäßigen Presseinformationen von Helios einzuordnen, in denen die Ergebnisse interner Patientenbefragungen dargestellt werden. Laut dieser nicht nachprüfbaren Angaben sind in der Regel über 95 Prozent der Befragten zufrieden bzw. würden die jeweilige Klinik weiter empfehlen.

Eine umfassende Befragung der AOK Rheinland aus dem Jahre 2009 ergab jedoch ein völlig anderes Bild: Von 146 untersuchten Krankenhäusern landete das Helios-Klinikum Siegburg im Gesamtergebnis auf dem vorletzten und drei weitere Helios-Kliniken aus NRW auf den hinteren Plätzen. Die Diskrepanz zu den eigenen veröffentlichten Zahlen betrug durchschnittlich über 20 Prozent.

GR-Mehrheit: Keine Privatisierung

Eine Mehrheit der Konstanzer GemeinderätInnen lehnt bislang nicht nur aus diesen Gründen eine Privatisierung des Konstanzer Klinikums ab – einzig die Linke.Liste Konstanz (LLK) allerdings votiert geschlossen gegen eine Privatisierung. Die Forderung: Gesundheitsversorgung muss in öffentlicher Hand bleiben und darf nicht bloßer Gewinnmaximierung unterworfen sein. Die opponierenden Gemeinderäte sehen als Teil einer Lösung einen kreisweiten Verbund in kommunaler Trägerschaft, um Synergieeffekte verschiedener Bereiche nutzen zu können.

Sie fordern die Verwaltung daher zum wiederholten Mal auf, die Öffentlichkeit umgehend darüber zu informieren, ob Gespräche über eine Beteiligung oder Veräußerung an einen privaten Klinikbetreiber bereits stattgefunden haben: Mit welchen privaten Gesundheitsunternehmen wurde verhandelt, welche Punkte wurden erörtert, und wie stehen die Verantwortlichen in Stadtverwaltung und Spitalstiftung zu einer möglichen Beteiligung oder Verkauf? Was gilt es für wen zu verschweigen?

Autorin: Anke Schwede/hpk