Dem Konstanzer Rathaus steht ein neuer Wahlkampf ins Haus
Das Amt des ehrenamtlichen Behinderten-Beauftragten ist nicht gerade ein Traumjob mit viel Einkommen und Einfluss. Dennoch gibt es in Konstanz seit Monaten quengelnde Querelen um dieses Ehrenamt. Erst wurde eine Zweiteilung vorgeschlagen, dann gab es einen Gegenkandidaten, schließlich eine Ausschreibung. Und die Ausgewählten dieser Ausschreibung werden in drei Gremien neuerlich vorgestellt und schließlich gewählt – Demokratie kann ganz schön zeitraubend sein
Oder steckt etwas anderes dahinter? Wird in Hinterzimmern die Ablösung des amtierenden „Beauftragten für Menschen mit Behinderung“ betrieben, weil man sich offene Kritik nicht traut? Fest steht allein ein Antrag der CDU-Fraktion vom 20. Januar 2012 und eine daraus folgende Diskussion im Gemeinderat am 22. November 2012, wonach Conrad Schechter ein zweiter Beauftragter zur Seite gestellt werden sollte. Das wurde später zwar vom Gemeinderat abgelehnt, eine neuerliche Ausschreibung aber beschlossen.
Eine Unbekannte macht vorerst das Rennen
Auf diese Ausschreibung meldeten sich drei BewerberInnen: Neben Schechter und seinem vorher schon ins Spiel gebrachten Co-Beauftragten Stephan Grumbt auch die bislang in der Konstanzer Kommunalpolitik gänzlich unbekannte Andrea Bartel. Und gerade sie erhielt in der ersten Vorstellungsrunde im Beirat die meisten Stimmen.
Denn nach den geltenden Richtlinien hat der ‚Beirat für Menschen mit Behinderung‘ ein Vorschlagsrecht sowohl für den Behindertenbeauftragten als auch für seine Stellvertretung. In diesem Beirat sitzen Vertreter Konstanzer Wohlfahrtsvereinigungen wie der Caritas und dem Diakonischen Werk, aber auch vom Stadtseniorenrat und dem Altenhilfeverein zum Beispiel. Und diese honorigen Vertreter von neun Verbänden sprachen vor zwei Wochen Andrea Bartel das Vertrauen aus. Als Stellvertreter wird wie bisher Thorsten Stöckle vorgeschlagen.
Derzeit arbeitet Frau Bartel im Bayerischen Ministerium für Arbeit und Soziales an der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention; sie lebt und wohnt aber in Konstanz. „In Zeiten moderner Kommunikationsmittel ist das kein Hinderungsgrund“, so Andrea Bartel gegenüber seemoz, „mein Schreibtisch könnte auch anderswo sonst stehen“. Sie legt aber Wert auf die Feststellung, dass ihr Lebensmittelpunkt die Stadt am Bodensee sei, und dass ihre Kandidatur „nicht politisch motiviert“ ist und dass „keine politische Kraft hinter mir steht“. Sie bewerbe sich einfach, weil sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit genügend Kenntnisse für dieses Amt mitbringe.
Noch zwei Vorstellungsrunden und zwei Wahlgänge
Obwohl der Beirat nach seinem Votum Andrea Bartel für das Amt des Behinderten-Beauftragten vorschlägt, müssen sich alle drei Kandidaten am 30.4. im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) erneut vorstellen und in nicht öffentlicher Sitzung findet dort erneut eine Wahl statt. Der HFA entscheidet dann, ob er dem Gemeinderat alle oder nur einige Bewerber präsentiert. Erst in seiner Sitzung am 16. Mai wählt der Gemeinderat schließlich und endlich den Behinderten-Beauftragten.
Conrad Schechter, der bisherige Beauftragte, fühlt sich – von seemoz dazu befragt – „doch schon ein wenig ausgebootet“. Aber er will den Wahlkampf annehmen. Denn: „Eine Nervensäge kneift nicht“, sagt er und spielt damit auf Vorhaltungen hinter vorgehaltener Hand an, die ihm immer wieder nervige Einmischungen unterstellten.
Autor: hpk
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Als behinderter Mensch möchte ich einen Beauftragten, den ich hier vor Ort regelmäßig und zuverlässig ansprechen kann und der in Konstanz Präsenz und Ortskenntnis zeigt, die kommunalpolitische Entwicklung kennt und vor allem die Sorgen seiner Klientel im Zusammenhang der Umgebung einschätzen kann.
Ich hätte mich auch beworben – doch gerade, weil ich für ein solches Amt einen Wahlkampf für unangemessen halte und ich Conrad Schechter als einen ruhigen, aber nachdrücklich wirkenden Mann kenne, der seine Aufgabe ernst nimmt und sich viel Vertrauen und Anerkennung unter den Behinderten und Bürgern erwirtschaftet hat, braucht es aus meiner Sicht keine Kampfkandidaturen.
Bedauerlicherweise bestätigen sich durch die erneuten Bewerbungen anfängliche Mutmaßungen, wonach man die Stellung des Behindertenbeauftragten schmälern und seinen Einfluss begrenzen will. Daher heißt es nun umso mehr, sich aus der Bevölkerung und von Seiten der Behinderten für einen Stelleninhaber stark zu machen, der dem Terrain vertraut ist und dem man Beharrlichkeit bescheinigen kann.
Dieses Amt taugt ganz und gar nicht für politische Machtspielchen. Und wer die Besetzung dennoch für seine Zwecke missbraucht, zeigt ein schäbiges Verhalten gegenüber Menschen, denen durch ihr Handicap ganz besonders unbeeinflusste Teilhabe zusteht.