Eltern proben den Aufstand

Stadtverwaltung und das örtliche Verlautbarungsblatt tun vieles, um die desolate Situation von Kita- und Kindergartenplätzen in Konstanz schön zu reden. Doch die Realität sieht anders aus. Viele Mütter sind verzweifelt, weil sie in diesen Tagen den Bescheid erhalten, der sie vor die fatale Wahl stellt: Job aufgeben, zu viel Geld ausgeben oder den Betreuungsplatz für das Kind verlieren

„Ich rufe Sie im Namen von 15 weinenden Müttern an“. Das Telefonat erreichte seemoz am Wochenende. Am anderen Ende ein erschütterter Vater, der bisher den beschwichtigenden Meldungen aus Jugendamt und ‚Südkurier‘ geglaubt hatte. Da hieß es ja bislang: Wer sein Kind vom Kita-Platz (für Kinder bis drei Jahren) für einen Kindergartenplatz (für Kinder von drei bis sechs) ummelden will, kann das problemlos online bis 15. März erledigen. Eine Ideallösung wurde zwar nicht in Aussicht gestellt, aber für alle Kinder würde gesorgt.

Muss Mutter M. ihren Job aufgeben?

Doch die jetzt verkündeten Lösungen sehen häufig verheerend aus. Zum Beispiel Familie M. aus Petershausen (wie alle Befragten möchte Familie M. anonym bleiben): Bislang wusste Beate M. ihre Dreijährige von 7:30 bis 13:30 in einer Petershausener Kita gut versorgt, Mittagessen für die Kleine inklusive. Beate M. schaffte ihren Halbtagsjob als Zahnarzthelferin problemlos, konnte ihre Tochter rechtzeitig abholen und sich am Nachmittag um die Kleine kümmern. Jetzt wird der Familie ein Kindergartenplatz im Paradies zugewiesen, der eine Betreuung nur bis 12 Uhr und ohne Mittagessen garantiert. Was tun? Beate M. denkt daran, ihren Job aufzugeben und ganztägig für ihre Tochter zu sorgen. Ob die junge Familie dann mit dem Gehalt von Vater Klaus M. als Verkäufer alleine zurechtkommt, bezweifeln die Eltern.

Anderes Beispiel: Familie S. aus Staad. Bisher war Tochter Kathrin in der Kita in Petershausen glücklich – und Mutter Margit auch. Nun aber soll Kathrin in den Kindergarten in Litzelstetten. Bei der mangelhaften Verkehrsanbindung ohne Auto kaum möglich. Familie S. denkt über die Anschaffung eines Zweitwagens nach, weiß aber nicht, ob sie sich das auf Dauer leisten kann.

Bewältigt das Jugendamt die Probleme?

Das heißt aber auch, dass dem Konstanzer Sozial- und Jugendamt die Probleme über den Kopf zu wachsen drohen. Trotz kräftiger Investitionen in jüngster Zeit ist nicht damit zu rechnen, dass bis zum 1. August der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz erfüllt werden kann, man hat einfach zu lange mit dem Ausbau von Betreuungsplätzen gezögert – jetzt drohen Klagen der betroffenen Eltern. Und das kostet Unsummen für den Konstanzer Haushalt.

Wenn nun auch noch Eltern auf die Barrikaden gehen, weil kein passender Kindergarten-Platz angeboten werden kann, muss mit massenhaftem Protest gerechnet werden. Denn die Eltern befürchten, dass es von der städtischen Behörde gehörige Vorgaben für die Vergabe von Kindergarten-Plätzen gegeben hat. Um das ohnehin vielseits kritisierte Betreuungsgeld (100 Euro pro Monat für jedes Kind, für das keine staatliche Betreuung in Anspruch genommen wird) zu sparen, werden offenbar die Schranken für den Übergang von Kita zum Kindergarten bewusst erhöht. Denn Eltern, die einen angebotenen Kindergartenplatz ablehnen, können auch kein Betreuungsgeld beanspruchen – so spart der Fiskus sogar die von der Bundesregierung wie Sauerbier angepriesene Herdprämie. Sozialpolitik pervers.

Zumal die protestierenden Eltern manche Mauscheleien vermuten. Dass der Herr Pfarrer sich einsetzt, dass verwandtschaftliche Kontakte bei der Vergabe der Kindergartenplätze nützen, dass parteiliche Verbindungen genutzt werden. seemoz wird solchen Mutmaßungen nachgehen und über die Ungereimtheiten bei der Vergabe von Kindergartenplätzen berichten. Versprochen.

Autor: hpk