Neues Internetportal zu Orten von NS-Verbrechen und Widerstand
Italien und Frankreich gehören zu den beliebtesten Ferienzielen der Deutschen. Das Internetportal „Gedenkorte Europa“ bietet einen interessanten Wegweiser zu Orten, in denen an die Besetzung durch Nazi-Deutschland, an Lager, Deportationen, Zwangsarbeit, Massaker an der Zivilbevölkerung und den Widerstand durch französische Résistance und italienische Resistenza erinnert wird. Ein etwas anderer Blick auf Côte d’Azur, Toskana, Korsika und Rom – rechtzeitig empfehlenswert noch für den Pfingsturlaub
Digitaler Reiseführer zur jüngeren Geschichte
Mit dem Internetportal www.gedenkorte-europa.eu will der in Frankfurt am Main ansässige, 1967 von Martin Niemöller, Wolfgang Abendroth und anderen gegründete Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945 e.V. an die Geschichte der Besatzung und des Widerstands in Europa während der Nazi-Diktatur erinnern und zu Besuchen der Gedenkorte anregen, die Wege dorthin aufzeigen und erste Informationen anbieten. Damit soll auch ein Verständnis für die Narben in den kulturellen Gedächtnissen der ehemals besetzten Regionen geweckt werden.
Mehr als 700 Gedenkstätten in Frankreich und Italien umfasst das Portal bereits, das seit Ende Januar 2013 – punktgenau zum Gedenken an den 80. Jahrestag der Machtübernahme durch die NSDAP – zur Verfügung steht: Neben auch bei uns bekannten Orten wie Marzabotto, den Ardeatinischen Höhlen, Sant’Anna di Stazzema und Oradour-sur-Glane, Lagern wie Drancy, Gurs, Fossoli und Bozen sind es vor allem kleinere Orte, die in keinem Reiseführer erwähnt werden. Und auch bei Städten, die wir gut zu kennen glaubten – wie etwa Rom, Paris, Florenz und Genua – werden wir auf Orte und Plätze hingewiesen, die uns bisher nie aufgefallen sind.
Punkte auf der Landkarte …
Gegliedert nach Staat und Regionen wird zu jedem der aufgeführten Gedenkorte über die Geschehnisse und das Gedenken daran vor Ort informiert. Google-Maps-Karten erleichtern nicht nur die Anfahrt sondern auch das Auffinden von Museen, Monumenten, Gedenksteinen für Opfer des Widerstands und Hinweistafeln auf Verbrechen der Besatzungsmacht.
Einführungen zu den Regionen, Sachstichworte wie z. B. Kollaboration, Judenverfolgung, Partisanenbekämpfung, Maquis oder Frauen im Widerstand bietet das Portal ebenso wie viele Kurzporträts von Tätern/ Faschisten (u.a. Kesselring, Rommel, Engel, Barbie und Best) und Opfern/ Widerständlern wie Duccio Galimberti, Primo Levi, Jean Moulin, Lucie Aubrac und vielen anderen. Fotos und Wegbeschreibungen, Literatur- und Medienhinweise ergänzen die Texte.
… für Geschichte, die nicht im Reiseführer steht
Wer sich im Urlaub in Frankreich oder Italien – neben Kultur, Landschaft, Sprache und Erholung – auch für die jüngste Geschichte der Region interessiert, findet hier Hinweise, die in keinem Reiseführer stehen: Im Elsass beispielsweise den Chemin de la Mémoire et des Droits de l’Homme, der 19 Gedenkorte an die NS-Zeit im Elsass und in Baden miteinander verbindet; im piemontesischen, malerisch am Alpenrand gelegenen Saluzzo vor den früheren Wohnhäusern 21 ermordeter Juden kleine, Stolpersteinen ähnelnde Gedenkplatten („Chi abitava Marco Levi ucciso ad Auschwitz all’eta di 73 anni perché ebreo“ – Hier wohnte Marco Levi, ermordet in Auschwitz im Alter von 73 Jahren, weil er Jude war); in Genua das frühere Gestapo-Hauptquartier, in dessen ehemaligem Folterkeller heute – stellvertretend für die Opfer des deutschen Widerstandes in den Reihen der Arbeiterbewegung – Rudolf Seiffert, Mitglied der Berliner Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation, geehrt wird. Um hier nur einige Beispiele zu nennen, die bereits erkennen lassen, dass das Stöbern im Gedenkorteportal durchaus nicht nur unter touristischem Aspekt lohnenswert ist.
Obwohl Vollständigkeit in keiner Weise angestrebt ist – sie ist allein schon wegen der großen Zahl der betroffenen Orte nicht möglich – werden weitere Gedenkorte in Frankreich und Italien nach und nach eingepflegt. In den nächsten Jahren soll das Projekt mit Wegweisern zu Gedenkorten in Griechenland fortgesetzt werden.
Autorin: Sabine Bade / facebook.com/PartisanenpfadeImPiemont
Fotos: Sabine Bade & Wolfram Mikuteit