Schon gehört? Neues aus Stadt und Land
Täglich flattern Meldungen in unsere elektronischen Briefkästen, die, sollten sie nicht brandaktuell sein, erstmal abgelegt werden. Da der lästige Pfingstgeist das kommunalpolitische Geschehen nachhaltig zu deckeln scheint, hier die lockere Auswertung einiger bunter Themen, die sich angestaut haben. Ein Bürgermeister machte die Fliege, ein vagabundierender Kandidat irrlichtert durch den Kreis, und eine aktuelle Information an jene, die glauben, in unserem verträumten Dorf gäbe es ab sofort alles umsonst
Heimlich, still und leise hat sich ein Bürgermeister abgesetzt. Claus Boldt (CDU) verlässt Konstanz nach einer achtjährigen Amtszeit und wird zukünftig in der Fuggerstadt Augsburg wirken. Dass der FC Augsburg in letzter Minute die Bundesliga gehalten hat, steht damit allerdings nicht in Zusammenhang. Boldt, ein privat umgänglicher Mensch, hat Konstanz mehrfach überregional in die Negativ-Schlagzeilen bugsiert – Maultaschenfall, Müller-Esch, vhs, Philharmonie – um nur einige Entscheidungen zu nennen, die in seinem Verantwortungsbereich lagen und die ihm allesamt über den Kopf gewachsen waren. Nun wurde er in trautem Kreis verabschiedet. Und wie es immer so ist bei Beerdigungen und Abschieden: Da nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau, verbiegt sich bis zur Unkenntlichkeit und sülzt und heuchelt notgedrungen vor sich hin.
Noch auf der Suche nach einer neuen Heimat ist der Singener Kreisrat Michael Krause. 2009 zog er für die Linken in den Kreistag ein. Doch er fühlte sich von Anfang an zu Höherem berufen und rechnete fest damit, dass man ihn bitten würde, für die Linken bei den Konstanzer OB-Wahlen anzutreten. Doch dieser Wunsch war sein alleiniger. Just zu dieser Zeit spülte es die Piraten aufs bundespolitische Oberdeck und Leichtmatrose Krause mischte sich unter die selbsternannten Freibeuter. Das könnte was werden, dachte er sich und ging davon aus, dass ihn seine neuen Parteifreunde für die kommenden Bundestagswahlen nominieren würden. Doch auch daraus wurde nichts. Da sich die pubertäre Chaostruppe lieber in masochistischer Manier zerlegt, verließ Krause kürzlich das sinkende Schiff. Nun sucht er eine neue Partei, der er sich anschließen kann. Krause, so wird nicht nur im Hegau gemunkelt, schäkert heftig mit der FDP. Bei den Neoliberalen hat er gute Chancen, denn die nehmen mittlerweile jeden.
Bleiben wir bei den Wahlen. Langsam laufen sich schon die KandidatInnen für die kommenden Bundestagswahlen warm und spätestens ab Juli muss auch in unseren Breitengraden verstärkt mit Brei- und Worthülsen gerechnet werden. Wenn Frau Merkel dann mit Steinbrück einen neuen Beischläfer hat, der ihr die Kissen aufschüttelt, stehen schon die Kommunalwahlen 2014 vor der Türe. Erstmals dürfen dabei auch 16-jährige ihre Kreuzchen verteilen. Alleine in Konstanz soll es sich um rund 1200 Jungbacken handeln. Wie bekommt man die an die Urnen? Ebenso die StudentInnen, die etwa 18 Prozent der Wahlberechtigten ausmachen. Vor allem dem akademischen Nachwuchs scheint das alles tief unterm fünften Lendenwirbel vorbei zu gehen. Nicht mal 10 Prozent beteiligen sich bei Wahlen an ihrem temporären Ausbildungsort, obwohl es dabei immerhin um ihre restlich verbliebene Mitbestimmung geht. Da ist guter Rat teuer. Eventuell hilft etwas Druck: Nur wer wählen geht, bekommt das begehrte Studiticket für die vergünstigte Nutzung des ÖPNV oder eine Bude in einem Studentenwohnheim. Der Rest möge sich in Lippmannsreute, Bunzenhausen oder sonstwo niederlassen und selber für die Anreise zum Konstanzer Gießberg sorgen. Weitere ernstgemeinte Vorschläge nimmt die Konstanzer Stadtverwaltung gerne entgegen.
Das Procedere bei Straßenumbenennungen in Konstanz will so richtig nicht vorankommen. Nun ist wieder mal die Straßenbenennungskommission gefragt und wurde beauftragt, gültige Richtlinien zu erarbeiten. Das kann dauern und bis dahin zieren die Namen sattsam bekannter Kriegstreiber, Mordbuben und NSDAP-Büttel weiterhin das Stadtbild. Im schweizerischen St.Gallen fand dieser Tage eine Diskussion zum Thema ein löbliches Ende. Lange schon hatten sich geschichtsbewusste Kreise daran gestört, dass es in ihrer Stadt eine Jahnstraße gibt. Benannt nach dem deutschen „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852), den Adolf Hitler 1933 am Deutschen Turnertag posthum und ohne ihn zu fragen zum Nationalsozialisten der ersten Stunde geadelt hat. Der Erfinder von Pauschenpferd, Sprossenwand und Reck äußerte sich zu Lebzeiten in seiner Schrift „Deutsches Volksthum“ wenig freundlich über andere Ethnien. Afrikaner waren für ihn „Neger ohne völkischen Bezug“, Franzosen „welsches Missgezücht“ und „Zigeuner und Schacherjuden“ bezeichnete er als „Luderzeug“. Der St. Galler Stadtrat reagierte nun und ließ seine BürgerInnen wissen, dass die Straße zwar nicht umbenannt, aber „umgedeutet“ wird. Will heißen: Das Schild bleibt, soll nun aber an Friedrich Gottlieb Jahn (1811- 1872) erinnern, der als Gründer und erster Dirigent der Stadtmusik St.Gallen einen tadellosen Ruf genießt. Eine einfache Übung. Komplizierter wäre das schon in Konstanz, wo auch eine Jahnstraße nach dem völkischen Vorturner benannt ist. Was also tun, denn unverdächtige und halbwegs prominente Konstanzer mit dem Namen Jahn werden sich wohl kaum auftreiben lassen. Wenn doch, dann dankt die Straßenbenennungskommission vorab für sachdienliche Hinweise.
Zum Schluß noch ein kleine Bitte an auswärtige Besucher, die zur Freude des hiesigen Einzelhandels in immer kürzeren Abständen wie außer Rand und Band geratene Heuschrecken über die Stadt herfallen. Nein, das Gratisessen vorletzten Samstag am Münsterplatz, organisiert von überzeugten Philantropen aus der wohlgenährten Mittelschicht, war eine einmalige Angelegenheit und wollte lediglich darauf hinweisen, dass zuviele Lebensmittel in die Tonne wandern. Sollte Sie bei Ihren nächsten Besuchen in Konstanz der Hunger plagen, frequentieren Sie unsere örtliche Gastronomie. Und: Auch die Bratwurst für lau bei der Einweihung des P&R-Platzes an der Schänzlebrücke gehört nicht zum städtischen Standardprogramm. Völlig sinnlos und irgendwie erniedrigend ist es übrigens auch, im Bus unter den Sitzen herumzukriechen, verbunden mit der Hoffnung, der fidele Konstanzer Stadtmarketing-Chef Wilma Hörnle habe erneut irgendwelche Leckereien versteckt. Das macht er erst wieder kurz vor Weihnachten. Dennoch: Wenn Sie kommen, dann gefälligst mit öffentlichen Verkehrsmitteln und lassen Sie freundlicherweise Ihr stinkendes Blech zuhause stehen. Danke.
Autor: H. Reile (nebenberuflicher Verkehrskadett)
Wow, Linke – Piraten – FDP, das ist politische und ideologische Geradlinigkeit!