Hallo, Ihr Ameisen
Es soll immer mehr Leute geben, die glauben, unsere Gesellschaft gerate gehörig aus dem Leim, da die Schere zwischen Arm und Reich rasant auseinander gehe. Da ist was dran. Einige werden nun Sozialneid als Triebfeder der folgenden Zeilen vermuten, aber das muss uns Ameisen, die davon leben, was krimineller Reichtum an einzelnen Brosamen vom Tisch fallen lässt, nun wirklich nicht stören
Schauen wir zuvorderst auf dementsprechende Statistiken aus deutschen Landen und arbeiten uns an der Vermögenssteuer ab. Diese kommt ausschließlich den Kommunen und Ländern zu, wird aber seit rund 15 Jahren gar nicht mehr erhoben. Einige Kommunen haben sich unlängst der bundesweiten Initiative „Vermögenssteuer jetzt“ angeschlossen und das ist auch gut so. Denn Geld, liebe Leserinnen und Leser, ist genug vorhanden zwischen Flensburg und Konstanz. Darüber kann auch der Umstand nicht hinweg täuschen, dass Sie, liebe Leser, persönlich keines haben oder das zur Verfügung stehende gerade mal so reicht. Denn der größte Teil der Penunze befindet sich im privaten Besitz einiger weniger Familien und zwar in einer schwindelerregenden Höhe von mehreren Billionen Euro.
Wenn Sie nicht wissen sollten, wieviele Nullen eine Billion aufweist, dann fragen Sie Ihren Anlageberater. Was, Sie haben gar keinen? Das ist Ihr ganz privates Pech. Nun aber Schluss mit dem launischen Vorgeplänkel, wenden wir uns den Fakten zu. Also: Nur ein Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Bundesrepublik besitzt rund ein Drittel des gesamten Nettovermögens. Rund 50 Prozent der Bevölkerung verfügen im Gegensatz dazu gerade mal über 1,4 Prozent. Letztere aber sind es, die bisher die Hauptlast der Krisenkosten zu tragen hatten, und auch in Zukunft tragen dürfen, wenn die schwarz-gelben Zyniker in Berlin am Ruder bleiben und dem Wahlvolk mit einem hinterfotzigen Lächeln erklären, dass soziale Gerechtigkeit weiterhin ganz oben auf ihrer Prioritätenliste stünde. Das sollen Sie, ja Sie, gefälligst bis zur nächsten Bundestagswahl im September glauben, auch wenn´s schwer fällt.
Der Reichtum hierzulande hat Namen, die fast allen von uns geläufig sind. Das Privatvermögen einiger Oligarchen kann sich sehen lassen. Picken wir uns mal ein paar illustre Figuren raus: Bei den beiden Aldi-Familien kommen etwa 33 Milliarden Euro zusammen. Vor rund zwanzig Jahren lag deren bescheidenes Vermögen noch bei rund 4 Milliarden. Will heißen, so ein Rechenexempel der Gewerkschaft ver.di: Seitdem sind die Aldianer „jeden Tag um vier Millionen Euro reicher geworden“. Auch die Brenninkmeijers (C&A) stehen mit circa 21 Milliarden noch ganz gut da, dicht gefolgt von den drei Eigentümern des Metro-Konzerns (Kaufhof, Media-Markt, Saturn, real), die auf 12 Milliarden geschätzt werden, ähnlich wie Dieter Schwarz (Lidl und Kaufland), der in einer vergleichbaren Preisklasse liegt.
Bisweilen lassen sich ökonomische und damit bedingt soziale Schieflagen ein wenig besser ertragen, wenn man auf andere Länder verweist, in denen es den dortigen Ameisenvölkern noch viel schlechter geht. Damit Sie nun nicht völlig in Verzweiflung geraten ob der bundesdeutschen Vermögensverteilung, schauen wir gemeinsam neugierig über den nationalen Tellerrand, hinaus in die weite Welt. Der Journalist Serge Halimi hat sich mit seinem Beitrag „Der wahre Skandal – Soziale Ungleichheit untergräbt die Demokratie“ in der deutschsprachigen Ausgabe von „Le Monde diplomatique“ außerordentlich verdient gemacht und wartet mit Zahlen auf, die man mindestens zweimal lesen muss, bevor man sie für glaubhaft hält.
Tatort USA. Im Jahr 2009 zahlten sechs der 400 reichsten amerikanischen Steuerpflichtigen überhaupt keine Steuern, 27 weniger als 10 Prozent, keiner mehr als 35. Halimis nüchterne Einschätzung: „Die Reichen nutzen ihr Vermögen, um ihren Einfluss zu vergrößern, und dann nutzen sie ihren Einfluß, um ihr Vermögen zu vergrößern“. Die Familie Walton, der die US-Supermarktkette Walmart gehört, hat soviel Kohle angehäuft wie die 48 800 000 ärmsten Familien in Obama-Land zusammen besitzen. Auf ähnlichen Wegen wandelt man in Italien, wie die dortige Zentralbank zu berichten weiß. Die zehn reichsten Bürger des Landes besitzen soviel wie die drei Millionen ärmsten ihrer Landsleute. In Indien ist es um die Vermögensverteilung auch relativ übersichtlich bestellt. Eine Gruppe von gerade mal 61 Personen nennt 22 Prozent des Reinvermögens ihr eigen. Ein Letztes noch, damit Ihnen das globale Ausmaß des Desasters zumindest halbwegs klar wird: Die 63 000 Menschen (davon 18 000 in Asien, 17 000 in den Vereinigten Staaten und 14 000 in Europa), die mehr als 100 Millionen Dollar besitzen, verfügen zusammen über ein Vermögen von 39 900 Milliarden Dollar. Uli Hoeneß, das sei hier abschließend angemerkt, gehört (noch) nicht zu dieser Kaste.
Autor: Franz Holz