Öffentliche Lesung aus dem Prüfungsbericht?
Von Bußgeld ist die Rede und von anderen Strafen. Dabei geht es nur um Offenheit. Offenheit über einen Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) zum Finanz-Desaster der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz. Streng geheim sei die Vorlage, tönt es aus der Verwaltung. Die Linke Liste Konstanz (LLK), die seit langem die Offenlegung fordert, denkt nun über eine öffentliche Lesung aus dem Bericht nach. Womöglich auf der Marktstätte und mit Musik-Untermalung. Doch keine Angst, liebe Geheimnis- und Bedenkenträger – geschwärzte Stellen würden gesummt
Mehrere Wochen lag der GPA-Bericht im Rathaus bei der Geschäftsstelle aus, durfte aber nur von RätInnen eingesehen werden. Wer sich als Volksvertreter sachkundig machen wollte, musste ins Rathaus dackeln, um die knapp 50 Seiten starke Auflistung der Misswirtschaft studieren zu können. Bis Mitte Juni fanden sich gerade mal acht (!) von 40 GemeinderätInnen dort ein. Hingewiesen wurde das kleine Häuflein der Wissbegierigen zudem darauf, dass man sich lediglich „kleine Notizen“ machen dürfe und ansonsten die absolute Verschwiegenheitspflicht einzuhalten sei.
Kurz darauf forderte LLK-Stadtrat Holger Reile nach Durchsicht des niederschmetternden Papiers Oberbürgermeister Uli Burchardt auf, die wesentlichen Erkenntnisse des GPA-Berichts der interessierten Öffentlichkeit mitzuteilen. Schließlich wollen die BürgerInnen wissen, wer was mit 700 000 Euro Steuergeldern gemacht hat. Mehrere Stadträte aus anderen Fraktionen schlossen sich an. Zudem kündigte Reile an, sich eventuell nicht an die Schweigepflicht zu halten, wenn die ganze Angelegenheit hinter verschlossenen Türen verhandelt würde. Da brach Unruhe in der Verwaltung aus. Postwendend wurde der Bericht dann doch allen RätInnen zugeschickt. Warum nicht gleich so?
Der OB und die Drohgebärde
Dann reagierte Burchardt in einem Südkurier-Interview und verteidigte vehement den geheimniskrämerischen Charakter der brisanten Angelegenheit (seemoz berichtete). Schriftlich ließ er den LLK-Rat wissen, der Bericht enthalte „ überwiegend personenbezogene bzw. personenbeziehbare Daten von Mitarbeitern, aber auch von Dritten, die bereits der Natur der Sache nach geheim zu halten sind, da zum einen datenschutzrechtliche Belange, zum anderen aber auch Personalangelegenheiten und schwebende Verfahren betroffen sind“. Sollte sich Reile nicht an die Verschwiegenheit halten, so Burchardt weiter, müsse der mit einem Ordnungsgeld und anderen Sanktionen rechnen. Eine Drohung, die landesweit durch die Presse ging.
Schon wieder: Nicht öffentlich
Heute steht der GPA-Bericht auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung. Ab 16 Uhr wird darüber zuerst in nichtöffentlicher Sitzung debattiert. Es bleibt abzuwarten, welche Punkte des Finanzdebakels dann ab 18 Uhr in öffentlicher Sitzung zur Sprache kommen. Werden die Namen der Hauptverantwortlichen genannt, die alle in dem Papier erwähnt werden? Gibt man Details preis, die das Ausmaß der Misswirtschaft begreifbar werden lassen? Sind personelle Konsequenzen angedacht? Welche Rolle spielte bei dem Desaster beispielsweise der „Freundeskreis der Philharmonie“, dem der CDU-Rat Müller-Fehrenbach vorsteht? Fragen über Fragen.
Die rund 50 Schwärzungen in dem Bericht erfolgten auch in Rücksprache mit dem Justiziariat. Auch da sind Skeptiker hellhörig geworden: Die Rechtsabteilung der Stadt hat schon mehrmals bewiesen, dass sie mit ihrer juristischen Einschätzung gerne mal gewaltig daneben liegt. Die auch von ihr mit zu verantwortenden sinnlosen Prozesse – Maultaschenfall und Müller-Esch – kosteten die Stadt knapp eine Million Euro.
Spenden für das Bußgeld?
Sollte die Öffentlichkeit nicht oder nur ungenügend informiert werden, dann überlegt sich die Linke Liste eine durchaus ungewöhnliche Art der Aufklärung. „Wenn die Informationsblockade nicht zum Teil aufgehoben wird“, so Reile, „könnten wir uns durchaus vorstellen, auf der Marktstätte eine öffentliche Lesung zu organisieren, in der wir aus dem GPA-Bericht zitieren“. Dem Vernehmen nach würden sogar zwei ehemalige Musiker der Philharmonie die Veranstaltung mit wohlklingendem Geigenspiel bereichern. Das angedrohte Bußgeld über voraussichtlich 1000 Euro wegen Geheimnisverrats soll über Spenden hereinkommen. Warten wir ab.
Autor: Redaktion
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Lieber Herr Dr. Rügert,
danke, dass durch diesen öffentlichen Dialog vielleicht Unverständliches auch für andere Leser geklärt werden kann.
Sie werden verstehen, dass eine bürgerliche Skepsis nach dem bisher festgestellten Versagen, besonders im Kontrollbereich von Verwaltung und Gemeinderat, angebracht ist. Auch die von Ihnen erwähnte Zusammensetzung des Gemeinderats hilft uns im Bürgervertrauen auf unsere Mandatsträger nicht weiter, da die Empörung quer Beet über unsere hart verdienten Steuergelder, die für einen sehr kleinen Kulturkreis zum Fenster rausgeworfen werden.
Der Transparenz des Sachverhalts dienen die Berichte. Dies ist korrekt, aber deshalb ist die Transparenz zur Bürgerschaft noch nicht hergestellt. Es muss Ihnen, dem OB und den Gemeinderäten doch verständlich sein, dass bei einer Verwaltung und den zuständigen Gremien, welches die Kontrollpflicht für uns Bürger verletzt hat, die hier oft proklamierte Transparenz nicht bei diesen Pflichtverletzern hängen bleiben darf. Hier müssen wir Bürger uns bei der kritischen Presse bedanken, die dem Bürger hilft mehr Licht in die Vorkommnisse zu bringen. Das Ergebnis der Prüfungen hätte nicht der Verwaltung, die hier im Schaden für die Bürger einbezogen ist, überlassen werden dürfen. Beim Versagen von Politikern und Verwaltung muss ein parlamentarischer Kontrollausschuss her, mit einer direkten Bürgerbeteiligung.
Es stellt sich auch die Frage, warum ein besonders kritischer Stadtrat der LLK nicht mehr in die detaillierte Abhandlung des Vorgangs einbezogen wird, so dass eine detaillierte öffentliche Aufklärung nicht nur Ihrer Stelle zugewiesen wird. Durch das entschwundene Vertrauen in Verwaltung und Rat haben auch Ihre Öffentlichkeitsbemühungen gelitten. Leider wurden auch erst durch die mühsamen Recherchen des Südkuriers immer mehr Details an die Öffentlichkeit gebracht, die der Bürger von seinen Mandatsträgern so nicht erfahren hätte.
Lieber Herr Mörsch,
nein, nicht alle auf Personen beziehbare Daten sind in dem Bericht geschwärzt. Und für die Bearbeitung der Feststellungen muss man den Mitarbeitern auch eine gewisse Zeit einräumen.
OB Burchardt hat von einer Differenzierung zwischen Transparenz und Öffentlichkeit gesprochen. Ich denke, das ist tatsächlich der springende Punkt. Der Transparenz des Sachverhalts dienen die Berichte der Gemeindeprüfungsanstalt, des Rechnungsprüfungsamts, des Hauptamts sowie die Prüfung durch das Justitiariat. Die Ergebnisse der Prüfung werden dem Gemeinderat vorgelegt: 40 Personen aus den Fraktionen und Gruppierungen der Freien Grünen Liste, der CDU, der SPD, der Freien Wähler, der FDP, der Unabhängigen Fraktionsgemeinschaft und der Linken Liste Konstanz – also einem breiten politischen Spektrum, das die Bürgerschaft repräsentiert. Und in der Gemeinderatssitzung gestern hat OB Burchardt zugesagt, alle Ergebnisse, die veröffentlichbar sind, in der Gemeinderatssitzung im Juli lückenlos und im Originaltext auch zu veröffentlichen. Ergebnisse, die aufgrund des Datenschutzes nicht veröffentlichbar sind, sollen öffentlich zumindest vom Thema her benannt werden.
Zur Öffentlichkeit: Grundsätzlich stehen die Sitzungen des Gemeinderates unter dem Gebot der Öffentlichkeit. Nichtöffentlich darf nach der Gemeindeordnung nur verhandelt werden, wenn es – wie es im Paragrafendeutsch heißt – das öffentliche Wohl oder das berechtigte Interesse einzelner erfordern. Und zu diesen berechtigten Interessen Einzelner gehört der Schutz von personenbezogenen Daten. Wer dagegen verstößt, muss eventuell damit rechnen, dass er mit Schadensersatzansprüchen konfrontiert wird. Wenn der Verwaltung dieses passieren würde, würde zu Recht kritisiert werden, dass sie so fahrlässig mit personenbezogenen Daten umgeht.
Mein Vorschlag: Kommen Sie zur Gemeinderatssitzung am 18. Juli und schauen Sie, was präsentiert und diskutiert wird. Und dann sehen wir, ob noch etwas offen ist.
Dr. Walter Rügert
Pressereferent
Lieber Herr Dr. Rügert,
danke für Ihre öffentliche Stellungnahme.
Über die Presse war zu entnehmen, dass die Berichte bei der gestrigen GR-Sitzung vorgelegt werden sollten und besprochen werden. Gerne kann Ihre Pressestelle in der Ankündigung zur GR-Sitzung die Besprechungspunkte besser darstellen.
Es geht hier nicht um die Untersuchungen und Prüfungen selbst, sondern wie damit umgegangen wird. Die Aktivität für diese Prüfungen hat uns Bürger Hoffnung gemacht, aber der Umgang mit diesen Berichten verführt zum Nachdenken und auch zur Spekulation. Ein Auftrag für die Prüfungen ist noch keine Transparenz, denn dies ist erst der Anfang vom Transparenzweg.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Verwaltung bisher noch keine Stellung zu den erwähnten Prüfungsbemerkungen der GPA gemacht hat. Der damit verbundene Zeitplan in der Abhandlung der Berichte, ist ebenso nicht verständlich und wurde auch bisher nicht deutlich genug gemacht.
Wie bekannt ist, wurden die namenbezogenen Einträge geschwärzt und diese Einträge damit auch den Mandatsträgern nicht zur Kenntnis gebracht. Damit wird dem Landesdatenschutz entsprochen. Warum also sollen die Berichte, nicht auch den Mandatsgebern, den Bürgern, in dieser Form zu Kenntnis gebracht werden. Es war schon etwas erstaunlich, wenn OB Burchhardt in der gestrigen GR-Sitzung von einer Teilung der Information in eine gemeinderätliche Transparenz und eine öffentliche Transparenz spricht. Ich glaube, so möchten wir uns als Bürger nicht an der Nase rumführen lassen.
Lieber Herr Mörsch,
nein, es wird nichts „erneut verzögert“: der Ablauf entspricht genau dem Zeitplan, den OB Burchardt in der Gemeinderatssitzung am 16.05.13 genannt hat. Und es soll auch nichts „gemauschelt und vertuscht“ werden: Nennen Sie mir einen Gegenstand der letzten Jahre, der so gründlich und von so vielen Seiten untersucht und durchleuchtet wurde bzw. wird wie die Philharmonie: neben dem Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) gibt es den Bericht des Rechnungsprüfungsamtes, die Organisationsuntersuchung des Hauptamts und schließlich die Prüfung des Justiziariats.
Warum Gemeinderat am 18. Juli? Der Bericht der GPA enthält Prüfungsbemerkungen, zu denen die Verwaltung Stellung nehmen muss. Bevor die Stellungnahmen nicht vorliegen hat der Bericht nur vorläufigen Charakter und d.h.: Prüfungsbemerkungen können sich auch noch ändern. Die Stellungnahmen der Verwaltung liegen bis zum GR am 18. Juli vor, ebenso der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes und die Orga-Untersuchung des Hauptamts. Erst wenn dieses alles auf dem Tisch liegt macht eine Diskussion auch wirklich Sinn. Wie gesagt, das ist auch der kommunizierte Zeitplan.
Zum Thema Öffentlichkeit: OB Burchardt hat zugesagt, alle Ergebnisse, die veröffentlichbar sind, in der Gemeinderatssitzung im Juli lückenlos und im Originaltext zu veröffentlichen. Es gibt aber Daten, die man nach dem Landesdatenschutzgesetz eben nicht veröffentlichen darf, wie z.B. personenbezogene oder auf Personen beziehbare Daten von Mitarbeitern. Das ist auch richtig so. Oder was würden Sie sagen, wenn Ihr Arbeitgeber personenbezogene Daten von Ihnen auf der Marktstätte verhandeln würde?
Mehr Infos unter: http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/05235/index.html
Walter Rügert
Pressereferent
Wenn man die ersten Eindrücke der Stadträte, die in den Bericht der GPA eingesehen haben, mitbekommt, wundert man sich gar nicht, dass die Verwaltung, der ein Hauptversagen in dieser Affäre vorgeworfen wird, den Bericht möglichst lange streng geheim hält. Das die LLK eine öffentliche Lesung auf der Marktstätte anstrebt, kann man als Bürger und Wähler, als deutliche Demonstration für eine baldige bürgeroffene Stadtverwaltung, begrüßen und auch finanziell unterstützen.
Nicht nur ich frage mich, was soll die weitere Verzögerung um einen Bericht, den die Stadträte als Mandatsträger von uns Bürger bereits einsehen dürfen. Nach der gestrigen GR-Sitzung soll jetzt der Bericht erneut verzögert, erst bei einer nächsten GR-Sitzung dem Bürger zugänglich gemacht werden. Dem Bürger ist nicht mehr erklärbar, dass nach dem Versagen der Verwaltung in die Philharmonieaffäre weiter der Eindruck entsteht, dass gemauschelt und vertuscht werden soll, denn der Inhalt muss wohl hochbrisant sein.
Ihr Mitverschulden in dieser Affäre kennen die meisten Räte, warum sollen sie sich dies noch einmal durch ein Studium des GPA-Berichts schwarz auf weiß bestätigen lassen. Bekennend hat das einzige Orchesterausschussmitglied Stadtrat Venedey ein öffentliches Schuldgeständnis in seiner Aufsichtspflichtsverletzung gestanden. Andere Ausschussmitglieder schweigen bis heute.
Ja, ziviler Ungehorsam hat doch immer wieder auch etwas Erfrischendes. Und eine fröhliche Renitenz (trotz betrüblicher Sachlage) ist gewiß sehr gut geeignet, um die versprochene Transparenz des nicht zuletzt deswegen gewählten neuen OBs vom Kopf auf die Füsse zu stellen!
Drohgebärden, wie sie von OB Burchardt (aus einer vermeintlichen Hilflosigkeit heraus) an den Tag gelegt werden, korrespondieren in keinster Weise mit dem aktuellen Demokratieverständnis der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Und nachhaltig sind diese allenfalls in der Geschichtsschreibung über seine Amtszeit.
Ich empfehle: Nachsitzen in Sachen Amtsführung!
Und: Ich beteilige mich (falls es dazu kommt) mit einer Spende für das angedrohte Bußgeld.
Die Linke Liste geht hin und wieder(als Einzige) auch unkonventionelle Wege. Das muss unterstützt werden!
Stefan Frommherz