Wieder Gewitterwolken über Karstadt
Stehen den Karstadt-Beschäftigten in Konstanz, Singen und der Region zwei weitere, harte Jahre bevor? Sind ihre Tarifverträge gefährdet? Ist Lohnverzicht zu befürchten? Was bedeutet der Rückzug von Karstadt-Chef Andrew Jennings? Und welche Rolle spielt der „Karstadt-Retter“ Nicolas Berggruen? Über diese Fragen sprachen wir mit Ulrike Wuhrer, Betriebsratsvorsitzende von Karstadt-Konstanz und Arbeitnehmer-Vertreterin im Aufsichtsrat des Warenhauskonzerns
Ulrike Wuhrer ist gerade von einer zweitägigen Sitzung des Gesamtbetriebsrats (GBR), dessen Führungsteam sie angehört, zurückgekehrt und ärgerte sich gewaltig: „Was manche Zeitungen derzeit über Karstadt berichten, grenzt an Panikmache“. Viel Unverantwortliches werde zum Beispiel über den Sanierungskurs von Karstadt geschrieben: „Der greift noch nicht überall, ist aber auf einem guten Weg“, so Wuhrer. Auch der Rückzug von Karstadt-Chef Andrew Jennings werde unnötig dramatisiert, denn der britische Manager hatte sein Engagement schon vorab nur bis zu seiner Pensionsgrenze zugesagt.
Retter ohne Einsatz
„Richtig ist, dass Karstadt weiterhin Verlust macht und zusätzlich sparen will“, berichtet die Betriebsrätin. Und auch deshalb wird der Ton zwischen Nicolas Berggruen und der Gewerkschaft ver.di rauer. So warf der deutsch-amerikanische Sonnyboy, der sich als „Karstadt-Retter“ feiern lässt, bislang aber noch keinen eigenen Cent in die Sanierung gesteckt hat, der Gewerkschaft „unsinnige Machtspielchen“ vor.
Hintergrund: Karstadt ist auf der Tarifflucht. Der Konzern hat die Tarifbindung aufgekündigt, was heißt: Noch zahlt Karstadt den mit ver.di ausgehandelten Tariflohn, will sich aber in Zukunft von dieser Verpflichtung verabschieden.
Ein Trend, dem bereits 60 Prozent aller Arbeitgeber im Einzelhandel folgen und der auch in anderen Tarifbereichen schlechte Sitte wird. Aktuelles, lokales Beispiel: Der „Südkurier“ verweigert seinen Beschäftigten seit über einem Jahr den Rechtsanspruch auf einen Tariflohn – ein Lohnwirrwarr ist die Folge.
Streit um Haustarif
Und wie Südkurier-Geschäftsführer Rainer Wiesner wehren sich bisher auch die Karstadt-Verhandlungsführer gegen einen Haustarifvertrag, der mit der Gewerkschaft ver.di abzuschließen ist. Einen Tarifvertrag, der die Gehalts- und Lohnstrukturen und -höhen allein für Karstadt festlegt. Immerhin gibt es die Arbeitgeber-Zusage, den Manteltarifvertrag mit seinen Regelungen zur Arbeitszeit, zu Zuschlägen, zu Weihnachts- und Urlaubsgeld auch weiterhin einzuhalten.
Doch die Karstadt-Oberen wollen einen weiteren Verzicht auf Lohn- und Gehaltssteigerungen der Beschäftigten über zwei Jahre festgeschrieben wissen.
Für die nach verschiedenen Sanierungstarifverträgen leidgeprüften Karstadt-Beschäftigten und ihre Betriebsräte heißt das: Neue Verhandlungen und neue Unsicherheit. Der GBR hat auf seiner Sitzung diese Woche in Essen für solche Verhandlungen grünes Licht gegeben, aber zusätzliche Absicherungen gefordert. Der Konstanzer Karstadt-Betriebsrat dazu in einer Information von gestern an die MitarbeiterInnen: „Tarifverträge sind ein hohes Gut und geben euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine hohe Sicherheit. Aus diesem Grund darf nichts unversucht bleiben, Lösungen zwischen Karstadt und dem Tarifpartner ver.di zu finden. Deshalb haben wir beide Seiten, ver.di und die Geschäftsführung Karstadt, aufgefordert, unverzüglich Verhandlungen zu diesem Thema aufzunehmen“.
Autor: hpk