„Es geht auch um die Einkaufskultur der Städte“
„Jeder Monat zählt“, weiß Ralf Dähling, Betriebsratsvorsitzender von Karstadt Singen. Denn schon morgen kann der Kaufhauskonzern verkauft werden – an einen US-amerikanischen Finanzinvestor oder einen europäischen Konkurrenten. Aber gibt es überhaupt Interessenten? Oder bleibt Karstadt – wie vorher schon Quelle – auf der Strecke?
„Die Verunsicherung der Beschäftigten ist groß“, bekennt Dähling. Zwar habe die Gläubiger-Versammlung am 12.4. grünes Licht für den Einstieg eines Investors gegeben, auch mit Zustimmung der Mitarbeiter Aber niemand weiß, wer dieser Käufer sein könnte. „Auch bei Quelle war lange die Rede von Kaufinteressenten. Aber als es dann um konkrete Verhandlungen ging, war kein Käufer da. Das Beispiel ‚Quelle‘ schreckt jeden von uns“.
Angst vor einer „Heuschrecke“, einem Finanzinvestor, der das Unternehmen zerschlagen könnte, hat der Betriebsratsvorsitzende hingegen nicht. „Dem Konzern gehört ja nichts mehr. Keine Grundstücke, keine Parkhäuser. Alles ist im Zuge der Abwicklung verscherbelt worden. Was soll da noch versilbert werden“?
Gleichwohl stehen die Karstadt-Kaufhäuser in Singen und Konstanz vergleichsweise gut da; die Umsatzzahlen stimmen. Es gab in den letzten Monaten keine Arbeitsplatzverluste – ein Sondersanierungstarifvertrag schützt die Beschäftigten vor Entlassungen. Allerdings für einen hohen Preis: Die MitarbeiterInnen verzichten auf das Urlaubsgeld und auf Dreiviertel der Sonderzahlungen, das 13. Monatsgehalt zum Beispiel. „Obwohl die Mitarbeiter gleichsam das Unternehmen subventionieren, bleiben etliche Errungenschaften, wie die 37,5 Stunden-Woche, erhalten“, so Dähling.
Er bleibt optimistisch. „Ein solches Unternehmen wie Karstadt kann man nicht gegen die Wand fahren“. Es ginge ja nicht nur um die Arbeitsplätze – es geht auch um die zentrumsnahen Einkaufsmöglichkeiten für die Käufer. „Eine Zerschlagung von Karstadt würde die Einkaufskultur fast aller deutschen Städte nachhaltig zerstören“.
AutorIn: hpk