Wer hätte das gedacht? Konstanz hat ein Verkehrsproblem

20130630-222922.jpgManchmal ist Rat und Unterstützung von außen hilfreich. Wenn dieser, teuer mit Steuergeldern bezahlt, dann aber Erkenntnisse zum Besten gibt, die alle Spatzen in dieser Stadt längst von den Dächern pfeifen, dann muss man sich schon fragen, ob der mittlerweile inflationäre Ankauf auswärtigen Sachverstands überhaupt noch vertretbar ist. Zu besichtigen war das bei der Verkehrsklausur am vergangenen Wochenende

Vergangenes Wochenende wurde der Gemeinderat zu einer zweitägigen Klausur zum Thema Verkehr in den Wolkensteinsaal geladen. Vorab hatte Südkurier-Lokalchef Jörg-Peter Rau über den 24-seitigen Masterplan gelästert. „Armutszeugnis“ nannte er das Papier, das den RätInnen vorgelegt wurde. Ganz falsch liegt er da nicht, denn schon der Auftakt am Freitag ließ den Eindruck entstehen, dass hier erneut das Konstanzer Verkehrsproblem zum soundsovielten Mal bequasselt wird, aber die Umsetzung längst fälliger Schritte erneut auf sich warten lässt.

Diese Vermutung kommt auf, da aus dem „Masterplan Mobilität 2020“ nun quasi über Nacht ein „Masterplan Mobilität 2020+“ geworden ist. Was so ein kleines + doch alles ausmachen kann. Könnte heißen: Wir bemühen uns, bis 2020 die wichtigsten verkehrspolitischen Zeichen zu setzen, aber es könnte auch 2030 werden. Von „Handlungsspielräumen“ ist da in dem Papier vorsorglich die Rede. Klingt irgendwie nach Open End und Verschiebebahnhof. Aber man versichert weiterhin, allerdings deutlich leiser im Ton, dass der Masterplan im Herbst vorläge und dann im Gemeinderat auch abgestimmt werden soll.

Bahnbrechende Erleuchtung in der Klausur

Die Vorlage, an der sich die RätInnen ab Freitag orientieren durften, listete nur Altbekanntes auf. Da wollte niemand widersprechen, wenn beispielsweise als „Einzelziele“ ausgegeben wurden, die Staus im Stadtgebiet zu reduzieren und damit einhergehend den motorisierten Individualverkehr weitestgehend von Konstanz fernzuhalten. Dazu gibt es noch „Leitziele“ und auch „Oberziele“, weit über 100 an der Zahl. Mit im Expertenboot sitzt eine Verkehrsplanerin aus Darmstadt, die zur allgemeinen Erheiterung Erstaunliches zu berichten hatte: „Wer Car-Sharing nutzt, fährt weniger Auto“. Alleine für diese bahnbrechende Erleuchtung hat sich der Besuch der Klausur gelohnt. Was der fachliche Beistand der Spezialisten aus Darmstadt und Freiburg für die Laberrunde gekostet hat, war bislang nicht zu erfahren. Und warum die Veranstaltung nichtöffentlich war, ließ sich auch nicht heraus finden.

Von Anfang an war klar, dass an diesem Klausur-Wochenende nichts beschlossen wird. Einer Mehrzahl der verkehrsgeplagten KonstanzerInnen platzt indessen bald der Kragen: Wann endlich, so die Frage vieler, werden wichtige Maßnahmen – unter anderem eine eigene Busspur im Altstadtring – schnell verwirklicht? Ohne allzu großen Aufwand wäre dieses Vorhaben längst umzusetzen gewesen. Hätten wir einen zielorientierten Baubürgermeister, so eine weitere Einlassung aus der Bürgerschaft, dann wären wir in vielen Bereichen schon ein Stück weiter. Doch Kurt Werner, dessen Amtszeit in Kürze endet, bewegt sich seit Jahren nicht nur verkehrspolitisch auf einer Kriechspur, legt bei Problemen schnell seine hohe Stirn in Falten und verschwindet darin. Dass ihm der Sinn nach Weiterbeschäftigung steht, muss nicht weiter interessieren, denn der Missmut an seiner Amtsführung ist aus nahezu allen Fraktionen unüberhörbar.

Berater machen fette Beute

Des öfteren war bei der Klausurtagung zu vernehmen, dass man sich mit dem Masterplan, der seit rund zwei Jahren vor sich hin dümpelt, auf „der Zielgeraden“ befände. Klingt gut, aber Zweifel sind angebracht. Schwer vorstellbar, dass der Gemeinderat da an einem Strang zieht. Der bürgerliche Block plädiert weiterhin dafür, auf dem Döbele ein Parkhaus zu bauen, das mindestens 500 zusätzliche PKW-Plätze in der Innenstadt ausweist. Da helfen dann auch P+R-Plätze nichts, denn die heimliche Botschaft für Besucher aus nah und fern wäre klar: Fahrt ruhig direkt in die Stadt, irgendwo wird sich für euer Blech schon ein Plätzchen finden. Die andere Hälfte setzt beim Döbele eher auf Wohnungsbau, der auch Normalverdienern eine bezahlbare Bleibe in Aussicht stellen soll. Das Thema riecht nach Patt im Rat und so kam man auf die Idee, darüber – wieder für viel Geld – auswärtige Planer hirnen zu lassen. Die lassen sich da nicht zweimal bitten, denn bei einer entscheidungsunwilligen und wankelmütigen Kommune ist fette Beute zu machen. Lange schon stellt man sich in der Stadt die Frage: Haben wir nicht genug fähige Leute in unseren Fachämtern, die dafür bezahlt werden, was aber immer öfter andere für sie erledigen sollen?

So schleppt man sich also mühsam vorwärts und scheut sich vor raschen und zielführenden Entscheidungen. Dann doch lieber weitere Mobilitätsforen bis zum Abwinken und seltsame oder gar völlig überflüssige Klausuren dazu. Auch die P+R-Plätze werden unser Verkehrsproblem nicht lösen. Wer an verkehrsstarken Tagen dort vorbei fährt, wird feststellen, dass sie meist halbleer sind. Und so nimmt es nicht wunder, wenn der Ruf laut wird nach brachialeren Methoden. Etwa dieser: Platzt die Stadt mal wieder aus allen Nähten und sind dazu alle Parkhäuser belegt, dann sperrt vor den Toren die Hütte einfach ab und leitet die anreisenden Automobilisten auf die P+R-Plätze. Und wenn auch die rappelvoll sind, kann die klare Ansage nur lauten: „Schönen Dank für Ihr Interesse. Nichts geht mehr. Die Veranstaltung ist ausverkauft. Beehren Sie uns ein andermal wieder.“

Autor: H.Reile