Riem stellt sich
Da werden die Stadtverwaltung und einige StadträtInnen ihre Strategie für die morgige Sitzung des Konstanzer Gemeinderates wohl überdenken. Denn groß war gestern die Überraschung, als Florian Riem, seit seiner Kündigung verschollener Ex-Intendant der Philharmonie, schriftlich ankündigte: „Ich bin…bereit, zusammen mit meinem Anwalt in die…öffentliche Sitzung des Gemeinderats zu kommen und dort eine Stellungnahme abzugeben“. Der Streit, so viel ist sicher, soll öffentlich ausgetragen werden
Das sah gestern noch ganz anders aus: Wie seemoz berichtete, rechnete niemand im Rathaus mit Riems Auftritt; stattdessen war ein Tohuwabohu aus Diskussionen mit geschwärzten und offenen Unterlagen, mit öffentlichen und nicht öffentlichen Sitzungen erwartet worden. Jetzt die Wende: „Es muss und wird zu einer Diskussion kommen“, so SPD-Stadtrat Jürgen Leipold in einem Brief an Oberbürgermeister Uli Burchardt.
Der Intendant schlägt zurück
Zumal Riem (s. Foto) in seinem Schreiben an den OB kräftig austeilt. Er wirft der Verwaltung vor, ihre „datenschutzrechtlichen Pflichten“ nicht erfüllt zu haben und kritisiert, dass Aussagen des GPA-Prüfungsberichtes an die Öffentlichkeit gelangten, bevor er diesen Bericht, zu dem er übrigens im Laufe der Woche noch schriftlich Stellung nehmen werde, überhaupt gelesen habe (Riem kam nach eigenen Aussagen erst in dieser Woche von einer vierwöchigen Reise zurück). Von „Vorverurteilung, übler Nachrede und Rufmord“ ist in Riems Brief die Rede und man ahnt, worauf die gerichtliche Auseinandersetzung hinaus laufen könnte. Und er tritt nur in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates auf, ist also an einer breiten und offenen Diskussion interessiert, wenn er sich gleichzeitig der nicht öffentlichen Sitzung im Orchesterausschuss verweigert.
Zwar erwartet Leipold, so der SPD-Stadtrat auf eine seemoz-Anfrage, keine neuen Erkenntnisse: „Da geht es wohl in allererster Linie um Prozesstaktik. Ich nehme an, dass er (Riem, d. Red.) eine vorformulierte Erklärung verlesen bzw. verlesen lassen wird und sein Anwalt auf etwaige Fragen antworten wird, dass sein Mandant dazu jetzt nichts sagen wird.“
„Berichtsteile freigeben“
Dennoch bleibt der dienstälteste Stadtrat (er hat zum 30.9. seinen Rücktritt erklärt) weiterhin bissig. In einer mail, gestern Nachmittag formuliert und verschickt, fordert Leipold den OB auf, „nunmehr definitiv die dafür (für die GR-Diskussion, d. Red) vorgesehenen Berichtsteile freizugeben. Überlegungen zur Prozesstaktik sind legitim, rechtfertigen jedoch nicht, über den gesamten Komplex das Schweigegebot der Nichtöffentlichkeit zu verhängen“. Gegenüber seemoz verweist Leipold zudem auf eine Absprache mit dem OB aus der letzten Gemeinderatssitzung, „dass zur GR-Sitzung in dieser Woche die veröffentlichbaren Teile des Berichts der Öffentlichkeit „im Wortlaut“ … bekannt gemacht werden“.
Fast süffisant erinnert Leipold an das Wirrwarr städtischer Informationspolitik, wenn er in der mail an den OB auch noch schreibt: „…folgerichtig ging dem Gemeinderat am vergangenen Donnerstag eine entsprechende Vorlage auf gelbem Papier, also eine öffentliche Vorlage, zu. Tags darauf wurde das Papier jedoch quasi auf elektronischem Weg umgefärbt zu einer blauen Vorlage (für nicht öffentliche Beratung, d. Red.) durch den ausdrücklichen Hinweis in einer mail an die Stadträte, die Vorlage sei ausschließlich eine Beratungsunterlage für die Mitglieder des Gemeinderats“. Womöglich wird sich Burchardt diese mail für alle Tage hinter den Spiegel stecken.
Nächtliche mails sorgen für Verwirrung
Für Ärger gesorgt hat bei etlichen GemeinderätInnen zudem, dass sie eigens im Rathaus antanzen müssen, um ungeschwärzte Berichte einsehen zu können und sich dann noch die Kontrolle gefallen lassen müssen, dass sie bitteschön nichts fotografieren oder fotokapieren. Kann es sein, dass da einige Staatsdiener ihre Kompetenzen gegenüber gewählten Volksvertretern gehörig überschreiten?
Um das Informationschaos zu vollenden: Noch um 22:37 und 22:38 wurden gestern von wahrlich gestressten Mitarbeitern der Stadtverwaltung verschiedene mails verschickt, die den Umgang mit Informationen durch die GemeinderätInnen regulieren wollen. Verstanden hat das wohl niemand, danach richten wird sich wohl auch niemand.
Autor: hpk
Übrigens: Auch die Freien Wähler und die FGL wurden von der Redaktion um Stellungnahmen gebeten. Bis zum gestrigen Redaktionsschluss blieben Antworten jedoch leider aus.
Es ist die originäre Aufgabe eines öffentlichen Pressebüros und dessen Pressereferenten die Bevölkerung zeitnah, umfänglich und möglichst umfassend über solche Themen zu informieren.
Hier von einer Holschuld seitens interessierter Bürger zu schreiben oder diese aufzufordern doch an einer öffentlichen Sitzung des GM teilzunehmen gehört nicht zu einer substanziellen und intelligenten Information einer Pressestelle. Es reicht auch nicht aus, auf das eigene Medienportal ( http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/ ) zu verweisen und sich über ein „Rauschen im Blätterwald“ zu echauffieren. Konstanz hat sehr bewegende Themen – verbunden mit hohen Defiziten in der politischen Pipeline die abgearbeitet werden müssen – die Dimensionen, Zusammenhänge und daraus resultierenden Auswirkungen interessieren nun mal – und das ist auch gut so!
Bürgerbeteiligung und Transparenz setzen aber voraus, das dies von Seiten der Stadt Konstanz gewollt und ermöglicht wird.
Wer Bürgerbetiligung zu seinem politischen Steckenpferd macht, muss dies den Bürgern auch ermöglichen.
Hohn und Spott von Herrn Rügert, dass ist doch das allerletzte!!!
Lieber DIRK, sie haben vollkommen recht. Unser eins ackert bis um 18.00 Uhr und nun werden wir vom sogenannten Pressesprecher der Stadt Konstanz „gebeten“ um 16.00 Uhr in den Ratssaal zu kommen! Hier ist jetzt eine Entschuldigung angebracht Herr Rügert!
Nehmen sie sich ein Beispiel an anderen Gemeinderäten, da ist der livestream längst obligatorisch!
Herr Rügert, da haben sie zwar prinzipiell recht, dass es auch eine Holschuld gibt. Aber die Stadt steht hier auch in der Verantwortung, möglichst einfache und niederschwellige Angebote zu schaffen und dies ist eines, was leicht, einfach und sicherlich halbwegs kostengünstig umsetzbar ist.
Sie sollten bedenken, dass es werktags 16 Uhr viele Leute gibt, die arbeiten. Und damit Steuergelder für die Stadt erarbeiten – Daher erscheint mir ihr Hinweis doch ein bisschen zynisch. Ganz im Gegenteil verstehe ich eher nicht, wie ein Vollzeit arbeitender Mensch zu den Terminen der Ratssitzungen Zeit haben kann. Aber vielleicht schreiben Sie als Pressereferent der Stadt ja einen Entschuldigungszettel für meinen Arbeitgeber?!
Ist es nicht viel einfacher nur eine Radio-Livestream Übertragung aus dem Gemeinderat zu bekommen?
Ein Blick in die Vergangenheit:
1903
Guglielmo Marconi richtete bereits 1903 die erste öffentliche Radiokommunikation zwischen den USA und Europa ein. Industriespione des deutschen Kaiserreichs kopierten diese Technologie und gründeten Telefunken.
1908
Auszug aus Wikipedia zur Entwicklung des Rundfunks:
„Entscheidend für die Entwicklung des jungen Mediums war der sogenannte Funkerspuk: Nach russischem Vorbild besetzten am 9. November 1918 revolutionäre Arbeiter die Zentrale des deutschen Pressenachrichtenwesens und verkündeten irreführend den Sieg der radikalen Revolution (USPD, KPD, Spartakusbund) in Deutschland. Als Reaktion auf diese Aktion verschärfte die SPD-Reichsregierung die Kontrolle über das junge Medium.“
Heute:
Reale Hördokumentationen und dann kontrastreiche Reports wie in SeeMoz um die städtischen Probleme regen eher das Nachdenken um Sinn und Unsinn der Rats-Highlights an.
Der Newsletter der Stadt Konstanz ist schon informativ. Doch die politische Brisanz notwendiger Entscheidungen könnte noch stärker herausgestellt werden.
Eine ähnliches Prozedere im Falle der Philharmonie-Misswirtschaft in Art einer Folge nüchterner Bilanzberichte ganz ohne Eigennamen hätte der interessierten Öffentlichkeit schon längst gut getan.
Mehr Transparenz zu allen Punkten einer anstehenden Stadtratssitzung wäre dann gegeben, wenn bereits vorab im Internet auf dem Ratsinformationssystem der Stadt Konstanz zu allen Themen ein Stimmungsbild jeder Fraktion ablesbar wäre.
Da aber leider viel zu selten die Räte über ihre Aufsichtspflichten und Tätigkeiten verständig und freimütig öffentlich berichten, sind die investigativen PaukenjournalistInnen dringend erforderlich und unverzichtbar.
@BüBi
Also: kommen Sie zur öffentlichen Gemeinderatssitzung morgen, am 18. Juli, 16 Uhr im Ratssaal und machen Sie sich ein Bild. Information ist nicht nur eine Bringschuld, sondern auch eine Holschuld. Mitmachen statt Schweigen, ganz recht.
@JAQUELIE
Irgendwie muss es mal aufhören, dass alles im Kreis der Gemeinderäte bleibt. Stillehalten statt Schlammschacht untergräbt die Offenheit und die Toleranz, die von der Mehrheit der Bürger gewünscht wird und war auch ein starkes Wahlargument von OB Burchardt. Noch immer sind wir auf dem Weg zu mehr Demokratie. Mitmachen statt Schweigen.
hallo frau müller,
auf ihre frage: geplant ist, dass die stadt in bälde dafür sorgt, dass ein sog. livestream eingerichtet wird. im vorfeld müssen dafür aber datenschutzrechtliche bedenken geklärt werden. wie sie evt. wissen, hat der südkurier zweimal versucht, durch eine live-übertragung bei seinen leserInnen zu punkten. das aber ging kläglich daneben. wenn sie darüber mehr erfahren möchten, bemühen sie die seemoz-suchmaschine.
h.reile
super – am besten mit Liveübertragung
Schlammschlacht pur.
hat Hr. Reile nochmals die Fernsehübertragung der Stadtratssitzungen angeregt?
welche Stadträte sind denn dagegen?