Uni-Konstanz: Preisverleihung ist Werbung für die Waffenschmiede EADS

Seit 1988 stiftet EADS den Forschungspreis Claude Dornier „zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses der Fachrichtungen Physik, Mathematik, Informatik/Informationswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Konstanz“. Am 22. Juli ist es wieder soweit: Dann wird der Preis, benannt nach dem Bomber-Bauer Dornier (1884-1969), feierlich verliehen. Nicht alle finden das richtig: seemoz sprach mit Sarah Schelbert, Kim Schuchhardt, Alexander Schmidt und Dirk Oehler

Ihr sprecht für das „Referat Zivilklausel der Studierendenvertretung der Universität Konstanz“, das für die Einhaltung der Selbstverpflichtung, keine Forschung im Dienst der Rüstungsindustrie zu betreiben, eintritt. Wenn jetzt am 22. Juli der „Claude-Dornier-Preis“ verliehen wird – was stört Euch daran?

Sarah: Wir vom Referat Zivilklausel sehen unsere Aufgabe darin, eine Diskussion über Uni-Kooperationen mit Rüstungsunternehmen und hier speziell mit EADS anzustoßen. Die Studierendenvertretung hat sich in der Vergangenheit ja bereits mehrfach kritisch zur Zusammenarbeit mit EADS geäußert. Wir sammeln Informationen und liefern Argumente für die Debatte. Die offensichtlichste Interaktion zwischen Uni und EADS ist nun mal die jährliche Verleihung des Forschungspreises durch EADS-Astrium und -Cassidian aus Friedrichshafen. Und weil die Verleihung seit den 1980er Jahren Tradition hat, ist sie die wichtigste Basis des Rahmenkooperationsvertrages. Für EADS ist die Preisverleihung natürlich eine sehr öffentlichkeitswirksame Werbeaktion, was in unseren Augen schon allein ein großes Ärgernis ist. Als wir dann aber begannen zu recherchieren und unsere Unibibliothek zu durchforsten, ergab sich ein sehr ambivalentes Bild von Claude Dornier selbst. Der Mythos um ihn als zivilen Luftfahrtingenieur, der von EADS und der Dornier Stiftung für Luft- und Raumfahrt bestens gepflegt wird, ist einfach nicht haltbar. Dornier war zwar ein genialer Ingenieur und Techniker, aber eben auch NSDAP-Mitglied, von Hitler ernannter Professor und schon vor 1933 Bomberkonstrukteur. EADS und die Dornierstiftung zeigten sich in der Vergangeheit kaum bereit, kritisch und offen die brutalen Seiten der Dornierwerke aufzuarbeiten. Das macht es letztlich unmöglich, am Ehrennamen „Claude Dornier“ und EADS als Sponsor festzuhalten.

Alex: Wenn die Uni-Leitung sich den historischen Fakten verweigert, dann beleidigt sie, überspitzt gesagt, die tausenden Opfer der Dornierwerke und der gesamten Friedrichshafener Rüstungsindustrie während des Faschismus. Wir vom Referat Zivilklausel sind Teil der Uni und lehnen solch leichtfertigen Umgang mit der Geschichte um des Geldes und des Exzellenztitels willen ab.

Dornier war vor 100 Jahren ein begnadeter Ingenieur und Konstrukteur. Passt dann ein solcher Preis nicht gerade an eine solche erfolgreiche Universität?

Kim: Die Uni Konstanz ist als Reformuniversität gegründet worden. Es war beabsichtigt, mit alten Traditionen in Forschung und Ausbildung zu brechen und die Uni zu demokratisieren. Dies ist sicher zu einem guten Teil gelungen und vielleicht auch Grund für den heutigen wissenschaftlich-wirtschaftlichen Erfolg der Uni. Aber genau deswegen passt der Preis unserer Ansicht nach nicht an die Uni Konstanz. Claude Dornier verkörpert nicht nur den begnadeten Ingenieur, also sozusagen einen praktischen Wissenschaftler, sondern ebenso einen Mann, der widerspruchslos in der militaristischen Tradition des Deutschen Reiches Bomber baute.

Alex: Claude Dornier war kein Nazi, aber bei weitem auch kein Dissident – er hat die Rolle, die Hitlerdeutschland für ihn vorsah, bestens ausgefüllt. Ich möchte ungern psychologisieren, aber sein Missfallen über die Nazis ist wahrscheinlich eher großbürgerliche Herablassung gegenüber dem kleinbürgerlichen, engstirnigen und antiintellektuellen Nationalsozialismus als, sagen wir mal, kosmopolitischer Pazifismus.

Dirk: Um bei den Fakten zu bleiben: Dornier begann schon zu Lebzeiten, seinen Mythos aufzubauen und seinen Lebenslauf zu beschönigen. Zum Beispiel lässt er wider besseren Wissens in seiner Autobiografie „Aus meiner Ingenieurlaufbahn“ von 1966 unerwähnt, dass die weltbekannte Dornier Do X von der Reichswehr subventioniert wurde und von vornherein als Prestigeobjekt deutscher Ingenieurskunst angedacht war. Überhaupt waren die Dornierwerke zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich unabhängig, sondern wurden durch verschiedene Subventionierungstricks vom Staat gestützt. Somit ist nicht nur die Ingenieurslegende, sondern auch der Mythos vom genialen Unternehmer historisch nicht belegbar.

Alex: Für mich als Wissenschaftler ist es ein Unding, jemanden zum Vorbild zu erheben, der sein Lebenswerk mit Auslassungen aufpolierte. Es ist nicht akzeptabel, dass die Dornierwerke und ihr Nachfolgekonzern EADS bis in die 2000er Jahre die Zeit des Nationalsozialismus bis auf die technischen Errungenschaften völlig ausgeblendet haben. Seit langer Zeit sind die KZ-Außenstellen und Zwangsarbeiterlager, die für die Dornierwerke schafften, bekannt und, wie für das KZ Überlingen-Aufkirch von Historiker Oswald Burger, sehr gut dokumentiert. Letztlich ist das, was an Claude Dorniers Lebenswerk positiv war, durch die eigene Verklärung inzwischen zerstört worden. Es ist mit Sicherheit angebracht, den Fall Claude Dornier ähnlich kritisch unter die Lupe zu nehmen wie ehemals den Fall Bruno Helmle.

Dornier, Zeppelin, Maybach – sie alle sind Gründungsväter der Bodensee-Rüstungsindustrie, die bis auf den heutigen Tag der beherrschende Wirtschaftszweig der Region ist. Kann eine Hochschule die Kooperation mit einer solchen High-Tech-Industrie einfach verweigern? Würden da nicht Chancen vertan?

Kim: Wir müssen unterscheiden zwischen den einzelnen Forschungskooperationen von Forschungsgruppen und Unternehmen und dem Rahmenkooperationsvertrag von 2011, welcher eine Kooperation zwischen der ganzen Universität und EADS darstellt und nur der einfacheren Vereinbarung von Forschungskooperationen dient.

Da der Rahmenkooperationsvertrag erst seit kurzem besteht und unserer Meinung nach auch nur zur Sicherung der Exzellenzinitiative unterschrieben wurde, sehen wir in der Aufkündigung dieses Kooperationsvertrages kein Problem. Einzelne Forschungskooperationen bestanden bereits vor diesem Rahmenvertrag und dürften davon unberührt bleiben. Dazu kommt ja noch, dass bisher nur EADS einen Vorteil von diesem Vertrag hatte – mal abgesehen von den eventuell erhöhten Chancen bei der Exzellenzinitiative. EADS kann sich nun mit einem eindeutig zivilen und öffentlich anerkannten Kooperationspartner zeigen und rühmen: der Uni Konstanz.

Der Gewinn liegt eindeutig aufseiten des Unternehmens. Während Forschungsgruppen aufgrund jahrelanger staatlicher Unterfinanzierung gezwungen sind, sich Finanzquellen in der Wirtschaft zu suchen, haben die Wirtschaftsunternehmen nicht nur gute Presse und einen eventuell öffentlich wirksamen Kooperationspartner, sondern können sich vor allem Erstverhandlungsrechte auf die Forschungsergebnisse sichern. Das heißt, die Forschungsergebnisse aus öffentlichen Einrichtungen können eventuell gar nicht gleich der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, sondern werden primär von der Wirtschaft verwertet. Durch Forschungskooperationen sichern sich die Unternehmen also billige und erstklassige Erkenntnisse für ihre Produktion.

Dies müsste Grund genug sein für eine Universität mit Geschichte und gutem Ruf, sich einem solchen Kooperationsvertrag zu verweigern. Weiter müsste sie eigentlich alles Erdenkliche unternehmen, um eine staatliche Ausfinanzierung der Forschung zu erreichen und daran anschließend auch Forschungskooperationen zwischen Unternehmen und Forschungsgruppen zu regeln.

Alex: Ich möchte noch ergänzen, dass wir auch gegenüber Uni-Rektor Rüdiger diese Argumente vortrugen. Er wiegelte dabei aber jovial ab, mit dem Verweis, dass die sogenannte Drittmittelquote, also der Forschungsgeldanteil aus der Wirtschaft, äußerst gering sei und die Uni deswegen keineswegs von außen gesteuert oder ausgebeutet werde. Nun, unter diesen Umständen müsste es erst recht leicht sein, die Kooperation aufzugeben, wenn es doch nicht um viel Geld geht. Darauf wusste der Rektor allerdings nichts zur erwidern.

Fest steht in jedem Fall: das Allerallerwichtigste, was Wissenschaft und eine Universität braucht, ist Glaubwürdigkeit. Wenn uns keiner mehr die wissenschaftlichen Erkenntnisse glaubt, dann nützt alles Forschungsgeld nichts. Aber wer glaubt einer Uni, die für einen albernen Exzellenztitel ihren Reformanspruch, ja ihre spezielle geschichtswissenschaftliche Expertise, über Bord wirft? An der Uni Konstanz wurde über 40 Jahre lang der Nationalsozialismus allgemein und regional erforscht und damit der Gesellschaft so viel zurückgegeben. Aber jetzt passt sich die Uni-Leitung, wie auch andere Gremien, ohne jeden öffentlichen Widerspruch der totalen Zurichtung im Sinne des Profits an. Die Wissenschaft leistet keinen Widerstand gegen kapitalistische Verwertung, die ihre Substanz verbraucht. Insofern sind viele an der Uni Dornier näher als sie denken.

Gibt es Informationen, dass über diese Preisverleihung hinaus gemeinsame Projekte zwischen Uni und EADS bestehen?

Sarah: Es gibt wie gesagt zwischen der Uni und EADS seit März 2011 einen Rahmenkooperationsvertrag. Dieser soll Forschungskooperationen im naturwissenschaftlichen Bereich fördern. Jedoch gab es bereits vor diesem Rahmenkooperationsvertrag einzelne Forschungskooperationen zwischen EADS und ProfessorInnen der Uni Konstanz, zum Beispiel im Bereich Physik oder Sportwissenschaft. Leider wissen wir dazu nur, was die ProfessorInnen oder die Uni-Leitung selbst veröffentlichen.

Alex: An der Uni gibt es ein offizielles Verbot von Rüstungsforschung, eine sogenannte Zivilklausel, zu der sich die Uni-Leitung auch bekennt. Merkwürdigerweise sieht sie darin keinen Widerspruch zur Kooperation mit dem „Mischkonzern“ EADS, wie es der Rektor verharmlosend umschreibt. Offiziell ist die Begründung, dass der Rahmenkooperationsvertrag konkrete Projekte ja nur vorbereitet und nicht festschreibt. Für mich ist das verlogen und rechtlich nicht haltbar. In Deutschland ist es nämlich sehr wohl strafbar, ein Verbrechen vorzubereiten auch wenn es nicht ausgeführt wird oder die Ausführung verhindert wird. Ohne den ständigen Widerspruch der Ehrenamtlichen in der Studierendenvertretung, den vielen Stunden Gesprächen und Aktionen, die wir unbezahlt in unserer Freizeit führen und machen, wäre die Uni sicher längst schon zur Tat geschritten. Wenn sich die Uni-Leitung jetzt noch auf eindeutig rüstungsorientierte Forschung einließe, was einige ProfessorInnen nur zu gerne täten, dann hätte sie jede Autorität verspielt. Ich betone das deswegen, weil uns von einigen wortführenden ProfessorInnen hinter verschlossenen Türen, natürlich inoffiziell, oft ins Gesicht gesagt wird, für wie unsinnig sie die Zivilklausel halten, um bei offiziellen Anlässen zähneknirschend Forschung für Kriegszwecke zu verurteilen.

Dirk: Übrigens wird in der Argumentation gegen die Zivilklausel oft auf die Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes verwiesen, die angeblich verletzt werden würde. Wir möchten aber deutlich machen, dass die Ablehnung von Forschung zu Kriegszwecken letztlich verantwortlich gelebte Wissenschaftsfreiheit ist. Diejenigen, die Wissenschaftsfreiheit frei von Verantwortung für Frieden und die deutsche Geschichte darstellen, treiben die Uni und ihre WissenschaftlerInnen in wirtschaftliche Abhängigkeit, die ForscherInnen in eine Dienstleistungs- und Rechtfertigungsposition bringt, vor der sie die Wissenschaftsfreiheit doch eigentlich schützen soll. Jedes Mitglied der Universität hat das Recht, Mitarbeit an rüstungsrelevanter Forschung abzulehnen ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Euer Arbeitskreis will zur Preisverleihung am 22. Juli protestieren. Was soll das bringen?

Sarah: Wir protestieren nicht unmittelbar während der Preisverleihung. Wir wollen zur Diskussion anregen mittels einer Plakataktion, mit der wir auf die problematische Beziehung zwischen Rüstung und Forschung hinweisen. Wir versuchen dies zu verdeutlichen, indem wir das Wort-Tripel „Rüstung Macht Forschung“ vorwärts und rückwärts einsetzen. Am Beispiel Dornier wird die Beziehung klar. Über einen Link auf den Plakaten erreicht man unsere Homepage und kann dort unsere Recherchen dazu nachlesen.

Kim: Natürlich erhoffen wir uns dadurch eine Sensibilisierung für das Thema. Beim Aufhängen der Plakate hatten wir bereits den Eindruck, damit erfolgreich zu sein. Die vorbeigehenden Leute fingen oft direkt an zu diskutieren. Wir möchten so einerseits erreichen, dass den Mitgliedern der Uni Konstanz klar wird, welche Vernetzung die Uni zur Rüstungsindustrie eingeht und andererseits eine Meinungsbildung zum Thema fördern.

Unsere historischen Recherchen waren sehr umfangreich und begannen eigentlich schon letztes Jahr, nachdem wir uns über die Verleihung 2012 geärgert hatten. Und die Recherchen dauern an – erst letzte Woche haben wir noch weitere Bücher besorgt, die wir noch auswerten wollen. Deswegen lohnt es sich auch noch, die nächsten Wochen auf unserer Homepage vorbeizuschauen.

Dirk: Ein bisschen eignet sich das Thema „Claude Dornier“ auch, um auf die Notwendigkeit unabhängiger Wissenschaft, geschützt durch die Wissenschaftsfreiheit hinzuweisen. Dornier befand sich eigentlich schon vor 1933 in großen wirtschaftlichen Zwängen, die eine unabhängige Flugzeugentwicklung unmöglich machte. Nach 1933 war die unternehmerische Freiheit ohnehin abgeschafft. Wir haben heute einen funktionierenden Rechtsstaat und könnten ohne große Mühe unsere Wissenschaftsfreiheit einfordern – und tun dies nicht. Wohin dieses unverantwortliche Handeln führen könnte, hat die Geschichte gezeigt.

Alex: Wir haben uns sehr früh entschieden, keine konfrontative Aktion zu planen, sondern nochmals an unseren Argumenten zu arbeiten und mit historischen Details aufzuklären. Denn wir wollten die Preisträger, die ja ausgezeichnete Doktorarbeiten geschrieben haben und zu Recht belohnt werden sollen, nicht bloßstellen. Sie sind die eigentlichen Opfer dieser Werbekampagne von EADS. Nehmen sie den Preis an, den sie verdient haben, stellen sie ihre wissenschaftliche Arbeit in den Dienst von Kriegstreibern. Sie werden volens nolens zu Werbeträgern der Rüstungsindustrie, die als High-Tech-Branche getarnt Prestige und potenziellen Ingenieursnachwuchs an der Uni sucht. Wenn die Preisträger jedoch ablehnen, verschenken sie vielleicht nötiges Preisgeld und haben direkte oder indirekte Repressalien ihres Fachbereichs oder der Uni-Leitung zu erwarten.

Immerhin wäre es für die eine Blamage sondersgleichen. Es ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Ich empfinde es als Unverschämtheit der Verantwortlichen, die jungen WissenschaftlerInnen in eine solch unmögliche Situation zu zwingen. Der einzige Weg aus dem Dilemma ist, den Teufelskreis, die unseligen Verstrickungen klar zu benennen – und genau das ist die Absicht unserer Plakataktion.

Die Fragen stellte hpk

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