Eine Frau führt die Konstanzer Gewerkschaft
Berthold Maier geht – Margrit Zepf kommt: Erstmals wird mit der Juristin Zepf eine Frau die einzige noch in Konstanz verbliebene Gewerkschafts-Organisation leiten. Als Geschäftsführerin des ver.di-Bezirks Schwarzwald-Bodensee wird sie für über 11 000 GewerkschafterInnen aus Krankenhäusern und Stadtbetrieben, aus Kirchen und Universitäten, aus Verlagen und Versicherungen zuständig sein. „Ein schweres, aber gut bestelltes Erbe“, so die oberste Gewerkschafterin für die vier Landkreise zwischen Schwarzwald und Bodensee
Der Staffelwechsel fand gestern gleich dreifach statt: Morgens in Villingen-Schwenningen, mittags in der zweiten Geschäftsstelle in der Konstanzer Beyerlestraße und abends im freundschaftlichen Kreis wieder in Konstanz. Die ver.di-Landesgeschäftsführerin Leni Breymaier fand dann auch jedes Mal nur lobende Worte für den in die Freistellungsphase der Altersteilzeit scheidenden Kollegen Maier: „37 Jahre in leitender Funktion bei der Gewerkschaft – das soll dem Berthold erst einmal jemand nachmachen“.
Er hat den Gewerkschafts-Standort Konstanz erhalten
Und tatsächlich berichtete Bertold Maier von bewegenden Jahren mit manchen Niederlagen und nur wenigen Siegen. Der gelernte Fernmeldemechaniker kam über die Postgewerkschaft und die Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes ÖTV zur Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die 2001 aus der Fusion verschiedenen Einzelgewerkschaften hervorging. „Und die ganze Zeit, die ganzen 37 Jahre, habe ich in diesem Haus in der Beyerlestraße gearbeitet.“ Trotz mancher politischen Erfolge – Maier hebt die Einführung der 35-Stunde-Woche und den letzten Tarifvertrag der ErzieherInnen und Sozialarbeiter hervor – richtig stolz ist er, dass dieses Haus als Standort der Gewerkschaften in Konstanz erhalten blieb: „Dafür habe ich zeitlebens gekämpft“.
Maier verschweigt aber auch die Niederlagen während seines Gewerkschafter-Lebens nicht. „Die Agenda 2010, ohne Not von der SPD durchgesetzt, und die Abschaffung des BATs waren und sind soziale Einschnitte, unter denen Arbeitnehmer noch lange werden leiden müssen“. Das waren auch die Gründe, warum Maier, der lange Jahre für die SPD im Konstanzer Gemeinderat saß, seiner Partei den Rücken kehrte.
Dennoch geht er fast ohne Wehmut: „Wenn ich in meinem Berufsleben etwas richtig gemacht habe – ich habe die richtigen Leute eingestellt“. Mit insgesamt neun Beschäftigten, darunter sechs Gewerkschaftssekretären, mit Margrit Zepf und Hanna Binder, auch sie SPD-Stadträtin in Konstanz, an der Spitze „übergebe ich die Arbeit an ein vortreffliches Team.“ Der nun freigewordene Arbeitsplatz nebenbei ist ausgeschrieben und soll zügig wieder besetzt werden.
Ein Arbeitsleben zwischen Rechtsanwaltskanlei und Gewerkschaftshaus
Auch die neue Geschäftsführerin Margrit Zepf hat lange Erinnerungen an das Gewerkschaftshaus in der Beyerlestraße. Schon als Konstanzer Jura-Studentin machte sie dort 1981 ihr erstes Praktikum bei den Gewerkschaften, bevor sie in Konstanz eine Rechtsanwaltskanzlei mitgründete. Nach Anstellungen als DGB-Rechtssekretärin in Konstanz und Karlsruhe stieg sie in Hamburg in die Bezirksleitung der ÖTV auf, bevor sie 1997 in ihre Kanzlei in der Münzgasse zurückkehrte. Seit 2008 arbeitet sie wieder ausschließlich für die Gewerkschaft, seit 2010 als stellvertretende Geschäftsführerin des ver.-di Bezirks, dessen Leitung sie nun übernimmt.
Der Staffelwechsel von Maier zu Zepf fällt in eine für die Gewerkschaften schwierige Phase. Nur noch 19 Prozent aller Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert und die Arbeitnehmer-Organisationen kämpfen erkennbar um ihre Daseinsberechtigung in einer sich wandelnden Gesellschaft. Dennoch bleiben die Gewerkschafterinnen optimistisch: Breymaier verweist auf den Erfolg der europaweiten Anti-Privatisierungs-Kampagne für die Wasserrechte, die wesentlich von ver.di voran getrieben worden sei. Und Zepf, die neben ihrer Geschäftsführer-Tätigkeit auch weiterhin z.B. für den Bereich Krankenhäuser zuständig sein wird, nennt den Kampf für eine gesetzliche Personalbemessung im Pflegebereich (seemoz berichtete) als aktuelle Großaufgabe. Schon für den 2. September ist im Bezirk eine Sternfahrt der Krankenhaus-Beschäftigten geplant, mit der dieser Forderung gehörig Nachdruck verliehen werden soll.
Autor: hpk