Rede von Marco Radojevic: Liebe Friedensfreunde und Freundinnen,

wir stehen hier heute gemeinsam am Antikriegstag, um dafür zu werben, Konflikte mit Diplomatie statt mit Bomben, mit Dialog statt Säbelrasseln und mit Kooperation statt alleinmächtigen Handelns zu lösen. Dieser heutige 1. September steht eindeutig unter dem Zeichen des Konflikts im Nahen-Osten, des Konflikts in Syrien.

Seit ca. zwei Jahren stehen sich dort Regierung und Rebellen mit Waffengewalt gegenüber, seit 2 Jahren leiden Zivilisten unter dem Bürgerkrieg und seit 2 Jahren zeichnet sich keine zufriedenstellende Lösung ab.

Auf der einen Seite steht der Diktator Assad, der mit aller Brutalität gegen die Rebellen vorgeht und auf der anderen Seite stehen die Rebellen, die mittlerweile auch von islamistischen Fanatikern und Terroristen wie der Al Quadia unterwandert wurden. Leidtragende Gruppe ist die Zivilbevölkerung: Über 1,8 Million Menschen sind auf der Flucht, viele haben ihre Heimat verloren und über 100.000 sogar ihr Leben.

Im Libanon, einem Land mit 4,4 Millionen Einwohnern, sind mittlerweile 700 000 Flüchtlinge aus Syrien registriert. Bis zum Jahresende sollen nach Schätzungen bis zu drei Millionen Menschen auf der Flucht sein. Die Bundesrepublik Deutschland will davon gerade einmal 5000 aufnehmen: Das ist ein Skandal! Ein Land, das einen Verteidigungsetat von 31 Milliarden hat und Afghanistan Krieg führt, so ein Land kann auch Flüchtlinge aufnehmen.

Doch dies setzt voraus, dass wir endlich Schluss machen mit der Logik der Gewalt. Lasst uns deshalb heute unsere erste Forderung aufstellen: Wir wollen, dass alle Flüchtlinge aus Syrien in Europa Unterschlupf gewährt wird und das die internationale Staatengemeinschaft genug Geld zur Verfügung stellt, damit die Flüchtlingscamps mit dem Nötigsten ausgestattet werden.

Dieser Konflikt ist aber nicht nur ein einfacher Bürgerkrieg. Die verschiedenen Konfliktparteien wurden von Russland, den USA und den arabischen Staaten aufgerüstet. Die Spirale der Gewalt nahm ihren Lauf: Kugel um Kugel, Leben um Leben. Beide Seiten, gut aufgerüstet von ihren Gönnern.

Lasst uns deshalb hier unsere zweite Forderung aufstellen: Wir brauchen ein sofortiges Waffenembargo für Syrien. Keine einzige Kugel darf mehr über die syrische Grenze gelangen, damit sich dieser Konflikt und damit das unsägliche Leid der Bevölkerung nicht noch weiter verschlimmern.

In den letzten Tagen haben sich die Ereignisse in Syrien zugespitzt: Giftgas wurde eingesetzt. Ein unmenschliches, menschenverachtendes und widerliches Verbrechen, das steht außer Frage. Doch wer jetzt wie die Vereinigten Staaten behauptet, sie wüssten, dass Assad die Chemie-Waffen eingesetzt hat, der lügt genauso wie derjenige lügt, der wie Russland behauptet, die Rebellen hätten sie eingesetzt. Denn diese Informationen können nicht von den UN-Chemiewaffeninspekteuren stammen, die haben dazu überhaupt kein Mandat und auch gar nicht die Möglichkeit, dies zu untersuchen.

Es ist wie immer: Im Krieg stirbt als erstes die Wahrheit.

Obama sagt, dass die USA einen kurzen Militärschlag führen wollen, um den Einsatz von Giftwaffen – man mag fast schon sagen – symbolisch zu bestrafen: Doch ist es eine solche symbolische Bestrafung mit Bomben und Raketen wert, zivile Opfer hinzunehmen, die es bei so einem Einsatz immer geben wird? Ich sage nein!

Lasst uns deshalb heute unsere dritte Forderung aufstellen: Die Verantwortlichen des Chemiewaffeneinsatzes müssen rechtsstaatlich durch ein internationales oder syrisches Gericht zur Verantwortung gezogen werden. Dies kann lange dauern, aber dazu haben wir Rechtsstaatlichkeit. Selbstjustiz darf keine Lösung sein!

Doch wir dürfen nicht vergessen, dass in Syrien nicht ein Krieg bevorsteht, sondern bereits seit zwei Jahren Krieg herrscht: So einfach es ist, jetzt in platten Antiamerikanismus zu verfallen, so einfach es ist, jetzt gegen Krieg zu demonstrieren und Interventionen abzulehnen, müssen doch gerade wir auch als Friedensfreunde eine Lösung für die Beendigung dieses Konflikts geben: Sonst machen wir uns unglaubwürdig.

Eine Lösung kann aus meiner Sicht neben den drei Forderungen, die ich bereits aufgestellt habe, nur sein: Die internationale Staatengemeinschaft muss wirtschaftliche Sanktionen gegen Syrien aussprechen, die USA muss den Rebellen ihre Unterstützung entziehen und Russland und China müssen dem Regime Assad die Unterstützung entziehen. Wir müssen alle dortigen Parteien zu Verhandlungen zwingen! Nur so kann Frieden geschaffen werden.

Mit Bomben und Militär aber schafft man keinen nachhaltigen Frieden, dass wissen wir nicht zuletzt aus Afghanistan: Afghanistan, ein Land in dem auch die Bundeswehr seit 2001 auf Geheiß von CDU, FDP, SPD und GRÜNE Krieg führt und dort angeblich für Sicherheit und Frieden sorgt oder gar Brunnen baut und Mädchen den Schulbesuch ermöglicht, ist auf dem globalen Friedensindex 2013 auf dem letzten Platz. Nun werden einige blitzgescheiten Köpfe sagen: Frieden schaffen braucht eben Zeit, das geht nicht von heute auf morgen. Und nur noch 1-2 Jahre länger, dann wird’s schon besser in Afghanistan: Aber auch das lässt sich durch Fakten nicht bestätigen, Afghanistan hat sich im globalen Friedensindex während des Einsatzes, der ja gerade Frieden bringen sollte, verschlechtert.

Alle Militärinterventionen im Nahen und Mittleren Osten haben die dortige Lage nur verschlimmert. Und jetzt soll durch einen neuen Krieg die Lage dort verbessert werden? Diese militärische Logik ist Wahnsinn: Denn die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

Während des Wahlkampfes schwören jetzt alle Parteien hoch und heilig, keine Militärintervention zu unterstützen: Die Bundesregierung lässt verlauten, dass sie keine militärische Intervention unterstützt. Claudia Roth sagte: Mich erschüttert, dass als Antwort immer nur das Militär genannt wird. Steinbrück warnte davor, „in eine militärische Logik“ zu verfallen. Doch, dass dies in der Praxis anders aussieht, wissen wir alle:

Verlängerung des Libanon-Mandats. Zustimmung: CDU, FDP, SPD, GRUENE. Wer war dagegen? DIE LINKE!

Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes in Mali. Zustimmung CDU, FDP, SPD GRUENE. Und wer war dagegen? DIE LINKE!

Bundeswehr nach Afghanistan schicken. Zustimmung: CDU, FDP; SPD, GRUENE Wer war dagegen? DIE LINKE!

Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze stationieren. Zustimmung: CDU, FDP, SPD, GRUENE. Wer war dagegen? DIE LINKE!

Ich könnte diese Aufzählung noch ewig weiterführen, immer mit dem gleichen Abstimmungsverhalten. Wie passt dieses Abstimmungsverhalten mit der Rhetorik dieser Parteien zusammen?

Es könnte einerseits bedeuten, dass ein seltsames hormonelles Phänomen oder auch Voodoo-Magie bei Politikern von CDU, FDP, SPD und GRÜNE dazu führen, dass sie alle vier Jahre vor dem Wahltermin zu Pazifisten macht, oder – und das ist wohl die etwas realistischere Variante: Die Antikriegsrhetorik jetzt vor dem Wahlkampf ist nichts als Blendwerk und politische Unaufrichtigkeit.

Wir müssen aus diesem schrecklichen Konflikt in Syrien aber auch endlich lernen: Waffenexporte müssen endlich vollständig verboten werden: Man kann nicht Waffen verkaufen und danach darüber jammern, dass damit Menschen getötet werden. Deutschland ist als drittgrößter Waffenexporteur der Welt auch an nahezu jedem Konflikt beteiligt!

Meine lieben Friedensfreunde und Friedensfreundinnen,

Krieg bedeutet immer Leid, mehr Hass und Zerstörung. Krieg ist immer der Anfang von Gräuel und das Ende von Menschlichkeit. Lasst uns deshalb, heute gemeinsam an diesem Antikriegstag, die Stimme für Frieden erheben. Lasst uns unsere Solidarität mit der Zivilbevölkerung in Syrien bekunden und lasst uns gemeinsam laut rufen: Mit Bomben schafft man keinen Frieden.

Rede von: Marco Radojevic