Auf dem steinigen Weg von Atlantis nach Konstanz

Religiosität und Ganzheitlichkeit sind die besten Ausreden für Dummheit und sinnloses Verbraten öffentlicher Gelder und werden oft durch weitere Mittel belohnt: Der Konstanzer Gemeinderat bewilligte mit Mehrheit zusätzliche 122.700 Euro für den Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik Konstanz e.V., damit der doch bitte, bitte den Anbau für die schon mit 287.200 Euro bezuschussten 10 Krippenplätze fertig stellen möge

Der Hintergrund: „Am 24.11.2011 wurde auf Antrag des Vereins zur Förderung der Waldorfpädagogik Konstanz e.V. und den vorgelegten Bauplänen zur Erweiterung des Waldorfkindergartens um eine Kleinkindgruppe vom Gemeinderat ein Investitionskostenzuschuss in Höhe von 287.200 € beschlossen“, so die Vorlage für den Gemeinderat. „Ziel der Baumaßnahme war es, den Waldorfkindergarten Konstanz mit den 67 Plätzen mit verlängerter Öffnungszeit um 10 Krippenplätze zu erweitern und zusätzlich 22 Plätze von verlängerter Öffnungszeit zu Ganztagesplätzen umzuwandeln.“

Ein Loch in der Landschaft

Passiert ist in der Tat so manches, aber nicht im Interesse der Kinder: Der Verein ließ buddeln und hat für die nicht ganz unerhebliche Summe von 287.200 Euro immerhin ein Fundament – und sonst nichts – in der Landschaft hinterlassen. Dann gab es das, was bei Vorhaben von freien Trägern nicht selten vorzukommen scheint: Chaos. Die Verwaltung umschreibt es milde: „Von August bis Oktober 2012 wurde das Fundament für den Anbau erstellt, danach kam es erneut zum Baustillstand. Nachfragen der Verwaltung an den Verein und den Architekten wurden von diesem dahingehend beantwortet, dass die entsprechenden Werkpläne und Ausschreibungen in der unmittelbaren Fertigstellung seien. Ende Januar informierte der Verein die Verwaltung, dass bei eigenen Recherchen festgestellt worden sei, dass für das erforderliche Holz-Fertigbaumodul des Anbaus kein entsprechender Auftrag bei der Firma vorliege und somit eine fristgerechte Fertigstellung [zum 31.08.2013] nicht mehr möglich sei.“ Man verzankte sich daraufhin in bester Waldi-Manier mit dem Architekten, beauftragte einen anderen und kam mit dem Projekt nicht zurande, während die Kosten explodierten. Als der Kindergarten dann im Brunnen lag, wurde schließlich die Verwaltung aktiv.

Die Verwaltung verspricht bessere Kontrollen

Dieser Fall dürfte für ein heftiges Gewitter hinter den Kulissen gesorgt haben, das ließen zumindest die Ausführungen des neuen Bürgermeisters und Boldt-Nachfolgers Andreas Osner vermuten. Er versprach aus freien Stücken für die Zukunft eine bessere Begleitung und Kontrolle von aus dem Stadtsäckel bezahlten Bauvorhaben freier Träger und bot den Gemeinderätinnen und -räten zwei Handlungsmöglichkeiten an: Entweder könnten sie das zusätzliche Geld bewilligen, um die Kita-Plätze zu retten, die eigentlich schon am 01.09.2012 in Betrieb genommen werden sollten. Oder der Gemeinderat könne das Geld verweigern, dann fielen 10 Kita-Plätze weg, es entstehe eine kostspielige Bauruine, die Bundes- und Landesmittel in Höhe von 120.000 Euro entfielen, und der Waldorf-Verein werde in wirtschaftliche Probleme geraten (Zwischenruf des Linken Holger Reile: „Wunderbar!“). Thomas Stegmann, Leiter des städtischen Hochbau- und Liegenschaftsamtes, verwies darauf, dass es nicht die Aufgabe seines Amtes sei, täglich auf solchen Baustellen anwesend zu sein, vielmehr könne es nur darum gehen, jeweils bestimmte Bauschritte zu prüfen, mehr sei nicht drin.

Allgemeiner Unmut ob der Misswirtschaft der Waldörfler

In der Debatte zeigten sich die Volksvertreter und -vertreterinnen entsetzt über diese Misswirtschaft und forderten von Charlotte Biskup (FGL) bis Michael Fendrich (PDF) einhellig eine bessere Kontrolle solcher Projekte durch die Verwaltung sowie eine Prüfung, ob man nicht jemanden für diese Schlamperei regresspflichtig machen könne. Insgesamt aber zeigte man sich bereit, die Kröte einer weiteren Mittelgewährung zu schlucken, wobei auch ein schlechtes Gewissen mitgespielt haben mag, dass die Stadt ihrer Aufgabe, eine ausreichende Zahl an Kindergarten- und Kita-Plätzen zur Verfügung zu stellen, bisher nur unzureichend nachgekommen ist.

Anselm Venedey (Freie Wähler) wollte der Sache auf den Grund gehen und unter anderem wissen, ob die spezielle Waldorf-Architektur ohne rechte Winkel für die Stadt Mehrkosten gegenüber einem normalen Bau mit sich bringe und erweiterte den Blickwinkel, indem er fragte, ob die künftig strengeren Kontrollen auch für Kirchen und andere freie Träger geplant seien. Er verweigerte dem Antrag auf zusätzliche Mittel seine Zustimmung und rief beherzt in den Saal: „Wer nicht bauen kann, soll auch nicht erziehen!“

Holger Reile (Linke Liste) hielt eine gewitzte Rede, in der er forderte, sich doch bitte einmal mit der Ideologie der Anthroposophen auseinanderzusetzen, ehe man ihnen Geld gebe: „Ich befürchte, dass die meisten in diesem Gremium gar nicht wissen oder auch gar nicht wissen wollen, welch seltsame Gruppierung die Steiner-Bewunderer mit ihren hanebüchenen Überzeugungen eigentlich darstellen. Wundern muss ich mich aber schon auch, dass unsere katholischen Gralshüter [er fixierte den CDUler Wolfgang Müller-Fehrenbach] ebenfalls keinerlei Skrupel haben, diese esoterischen Traumtänzer und deren okkultes Weltbild mit mehreren hunderttausend Euro zu subventionieren.“ Die finanziellen Probleme des Anthroposophen-Vereins zu lösen sei schließlich nicht Aufgabe der Stadt: „Man könnte auch sagen: Das kommt eben davon, wenn man sich als Waldorfianer ein halbes Leben lang eurythmisch durchs Leben tanzt – in der Hoffnung, irgendwann auf dem Rücken eines lächelnden Delfins in Atlantis anzukommen.“

Gibt es Konsequenzen?

Jürgen Leipold (SPD), einer der dienstältesten Gemeinderäte und wie seine Frau Brigitte an diesem Tag zum letzten Mal im Gemeinderat, gab einige Denkanstöße. Praktisch alle freien Träger ließen sich wie in diesem Fall Projekte subventionieren, die sie billig gerechnet hätten, und kämen dann mit happigen Nachforderungen. „In der Regel sind Kindergartenplätze freier Träger wesentlich teurer als städtische Plätze. Dieses Problem müssen wir endlich in den Griff bekommen.“

Wenn dem so ist, und die Debatte im Gemeinderat legte das nahe, stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wieso unterstützt die Stadt kostspielige freie Träger, statt im Rahmen der Daseinsvorsorge selbst für Kindergärten zu sorgen? Weshalb eigentlich erhalten trotz der Trennung von Staat, Kirche und sonstigen Aberglaubensverwaltern esoterische Wirrköpfe wie die Waldörfler oder Gruppen, die in Anfällen vor allem sonntäglichen Irreseins seltsam verkleidet und hochsubventioniert von der Transsubstantiation von Brot und Wein in Blut und Leib des Herrn faseln, einen breiten Vertrauensvorschuss sowie öffentliche Mittel zur Kindererziehung, auf die geistig gesunde Menschen kaum hoffen dürfen? Wieso verlässt sich der Staat bei der Kindererziehung noch heute so gern auf religiöse Institutionen, statt diese zentrale Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen?

Die Pleite mit der Waldorf-Krippe wäre eigentlich ein guter Anlass gewesen, darüber einmal grundsätzlich zu debattieren. Aber diese Chance ließ sich der Gemeinderat trotz seiner sichtlichen Verstimmung über die Geldverschleuderung durch den Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik Konstanz e.V. entgehen und stimmte mit 27 Ja- und 4 Neinstimmen bei 2 Enthaltungen für den Vorschlag, dem Verein weitere 122.700 Euro zu bewilligen. Es steht zu vermuten, dass die Waldörfler in Zukunft nicht nur wie gehabt ihren Namen, sondern aus Dankbarkeit endlich auch das Euro-Zeichen tanzen werden.

Autor: O. Pugliese

Weitere Informationen zu dieser Gemeinderatssitzung gibt es hier:

http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/05552/index.html
http://www.konstanz.de/ris/www/index.php?you_now=4100&s_id=1959

 

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