Bürgerbeteiligung mit Bücklein und Brezeln
Lassen Sie den Uli bloß nicht im Regen stehen, liebe Konstanzerinnen und Konstanzer. Denn der hat Sie, gerade Sie und alle Mitbürger für kommenden Sonntag zum Jahresempfang des Oberbürgermeisters ins Konzil geladen: Bürgerbeteiligung nennt Burchardt das, dieses Mal mit Bücklein und Brezeln
Nun hatte ich mir bislang unter Bürgerbeteiligung etwas ganz anderes als einen Stehempfang mit Showeinlagen vorgestellt – Mitbestimmung bei Verkehrsfragen zum Beispiel oder bei der Aufklärung des Philharmonie-Desasters. Aber damit muss ich wohl leben: Der Oberbürgermeister hat da andere Ideen. Schließlich hat er in einem Jahr Dienstzeit schon einmal richtig ernst mit der Bürgerbeteiligung gemacht und einen Wirtschaftsausschuss ins Leben gerufen. Da sitzen zwar keine Bürger wie Du und ich drin, sondern nur Großkopfete aus Wirtschaft und Politik… Wahrscheinlich aber meint der Uli Burchardt den Großbürger und nicht den Citoyen – ich bin da wahrscheinlich zu bürgerlich.
Dieses Mal also mit Bücklein und Brezeln, wie die städtische Pressemitteilung verrät. Und damit tut der Marketingmann auf dem Oberbürgermeister-Sessel endlich mal richtig was für die heimische Wirtschaft, für das notleidende Bäckerhandwerk wie für die darbende Unterhaltungskunst. Der tingelnden Allzweckwaffe Tobias Bücklein werden bestimmt gängige Gags einfallen, wenn das „Gespräch mit dem Bürger“ einmal stocken sollte. Denn „neben dem Dialog sorgen Musik-, Tanz- und Showeinlagen für Unterhaltung“ (Originalton der Einladung). Also Bürgerbeteiligung als Fortsetzung der Konzilfasnacht mit anderen Mitteln?
„Der Bürgerwille steht an erster Stelle. Deshalb freue ich mich auf die Gespräche mit den Menschen. Wir alle leben in einer schönen und gut aufgestellten Stadt, die ich gemeinsam im Dialog mit dem Gemeinderat, der Verwaltung und den Konstanzerinnen und Konstanzern in den nächsten….(?) weiterentwickeln und voranbringen möchte“ (wieder Originalton). Mit Mut zur Lücke wirbt Uli Burchardt in wohl gesetzten Worten für seine Vorstellung von Bürgerbeteiligung. Danke für diese Klarstellung.
Nun werden Sie bloß nicht miesepeterig und lassen womöglich den Uli im Regen stehen, liebe Konstanzerinnen und Konstanzer. Der Mann sucht den Dialog. Und dazu braucht er Sie. Das hat zwar nichts mit Politik zu tun und mit Bürgerbeteiligung schon gar nicht, aber im Comedy-Zeitalter der Wischiwaschi-Muttimania sind solche Mittel manchen gerade recht. Nur – mich werden Sie am Sonntag im Konzil nicht treffen. Und seemoz überlässt die launig-lobhudelnde Berichterstattung getrost anderen.
Autor: hpk
Lieber Herr Dr. Rügert,
nein, über Konkurrenz sorge ich mich nie. Die belebt nur das „Geschäft“ – und ganz im Gegenteil: Ich wünsche mir, dass sich die Vielfalt an Beteiligungsangeboten erhöht, das kann nur gut für die Menschen sein, die sich partizipieren möchten. „Bodanbürger“ und das neue städtische Angebot verlaufen in ganz unterschiedliche, sich ergänzende Richtungen. Das ist ein Gewinn. Die Kritik zielt eher – wie Sie richtig geschrieben haben – auf die Methodik von Bürgerbeteiligung ab. Für mich wurden hier einige Schritte übersprungen, die die Bürger überfordern könnten und eventuell auch den Eindruck erwecken, dass durch die besonderen Formen der Teilhabe die klassischen Partizipationsmöglichkeiten (Bürgergespräche, ‚konservativer‘ Kontakt zur Verwaltung, Beteiligungsprozesse wie die „ZukunftsWerkStadt“) vernachlässigt werden könnten.
Viele Grüße
Dennis Riehle
Ich stelle fest: In letzter Zeit funktioniert die Bürgerbeteiligung in Konstanz am allerbesten über die Kommentarfunktion der SeeMoz. Kaum steht hier eine leise (oder nicht so leise) Kritik an städtischen Behörden oder Funktionsträgern – zack, schon schmeisst sich der städtische Pressereferent ins Geschehen und verfasst ausführliche Beiträge. Sehr lobenswert, Herr Rügert. Die Stadt könnte der SeeMoz eigentlich für diese Möglichkeit der Eigendarstellung eine ordentliche Spende zukommen lassen…
Hallo Herr Mörsch,
mit einer zentralen Facebook-Seite starten wir im Oktober. Wir haben letztes Jahr zunächst mit Twitter begonnen und haben dann eine Facebook-Seite zu unserer „Zukunftswerkstadt“ installiert. Nun kommt die zentrale Facebook-Seite mit erweiterten Informationen und Angeboten.
Vieles ist halt auch eine Sache der Ressourcen. Wir hatten vor einigen Jahren einen Blog installiert, mussten ihn aber wieder herausnehmen, weil der Betreuungsaufwand sich damals als zu groß erwies. Nun probieren wir es mit fb als Medium des Dialogs.
Die Prüfung einer direkten Kommentar-Funktion zu Pressemeldungen kann ich gerne nochmals aufgreifen. Aber auch das neue Tool, das am Sonntag vorgestellt wird, bietet interessante Möglichkeiten.
Hallo Herr Riehle,
ich verstehe schon, dass neue Formate zunächst auch Fragen aufwerfen können. Schauen Sie doch einfach mal vorbei und bilden sich dann ein Urteil. Falls Sie Bedenken haben, dass die neue App eine Konkurrenz zu Ihrem Portal „Bodanbürger“ bedeuten könnte, so glaube ich, dass beide Angebote ihre Berechtigung haben und Sinn machen.
Das von Ihnen erwähnte Online-Formular bieten wir unter „Web-Service“ übrigens schon lange an. Es wird von den Bürgerinnen und Bürgern auch gut genutzt.
Die Stadt hätte mit Unterstützung von modernen Medien schon längst eine relativ einfache Bürgerbeteiligung herstellen können. Die OB-Kandidatin Sabine Reiser hatte es schon während ihres Wahlkampfs vorgemacht. Mit ihr waren über Facebook schnell Informationen auszutauschen. Sie hatte ganz klare Vorstellungen über ein elektronisches Bürgerportal, welches gut angekommen und angenommen wäre.
Herr Dr. Rügert, als zuständiger Pressereferent der Stadt, gibt sich schon seit vielen Jahren Mühe, das Medienportal für städtische Informationen zu gestalten. Da er auch erfreulicher Weise in kommunalen Blogs einzelner privater Betreiber Stellung für die Stadt bezieht, wundert es mich, dass auf dem Medienportal der Stadt, zum entsprechenden Artikel noch keine Feedback-Möglichkeit installiert ist. Die kommunalpolitischen Diskussionen, verbunden mit einem Vorschlagswesen, also einer Bürgerbeteiligung, könnten so leicht und direkt, aber auch verbindlich, abgewickelt werden.
Hinter dem „Jahresempfang“, den der OB für den 29. September 2013 angekündigt hat, steckt vorrangig sicher ein beeindruckendes Symbol der Zugewandtheit zu den Bürgern. Praktisch mag man sich jedoch fragen, wie innerhalb von drei Stunden und bei einem gleichzeitigen Rahmenprogramm dem Anliegen vieler Menschen, zu Problemen, Herausforderungen und Unzufriedenheiten in der Kommune gehört zu werden, vernünftig Rechnung getragen werden kann.
Würde es so sein, dass diese Veranstaltung gar zu einer Alternative der Bürgergespräche werden sollen, die der frühere OB Frank zur selben Jahreszeit durchführte, wäre das sogar ein Rückschritt. Denn im Massenpublikum gewissenhaft die Anliegen der Bevölkerung aufgreifen zu wollen, ist utopisch. Bürgerbeteiligung braucht keine Events, sondern einen angemessenen und übersichtlichen Rahmen, in dem seriös und mit Bedacht darauf reagiert werden kann. Wer Partizipation zu einem öffentlichkeitswirksamen Highlight verkommen lässt, der missachtet den dringlichen Appell von verschiedenen Teilen der Bevölkerung nach einer Stärkung von direktdemokratischen Elementen vor Ort.
Irritierend wirkt auch die Ankündigung der Vorstellung einer „Bürgerbeteiligungs-App“: Verständlich, dass auch die Stadt mit der Zeit gehen möchte – doch wäre es fairerweise nicht sinnvoll gewesen, zunächst den Weg einzuschlagen, über den die Mehrheit der Menschen am ehesten partizipieren kann? Die Landesregierung, aber auch andere Städte und Landkreise machen es mit einem Online-Formular auf ihrer Webseite vor – oder einem Beteiligungsportal, das auch weniger fachkundige Internetnutzer einfach bedienen können. In Konstanz scheint man in Sachen technischer Bürgerbeteiligung von 0 auf 200 % durchzustarten – und lässt dabei (vielleicht sogar bewusst) die zurück, die sich ganz gewöhnliche Maßnahmen für jedermann wünschen.
Dennis Riehle
Jetzt bekommen wir also auch noch eine Bürgerbeteiligungs-App! Man gönnt sich ja sonst nichts! Das ist eben Marketing statt politischer Inhalte. Als Bürger will ich eigentlich nur einen Gesprächspartner für meine Sorgen und Probleme bei einer Verwaltung haben!
Hallo Herr Koch, Sie haben Recht, da ist uns doch tatsächlich das Wort „Jahren“ durch die Lappen gegangen. Gut, dass Sie das entdeckt haben ;-).
Wie wir in unserer ersten, ausführlicheren Pressemitteilung geschrieben haben bildet der Bürgerempfang den Auftakt zu mehr Bürgerbeteiligung in Konstanz. Hier wird auch eine neue Bürgerbeteiligungs-App vorgestellt.
http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/05523/index.html?lang=de
Wer sich für weitere Initiativen und Projekte zum Thema Bürgerbeteiligung interessiert (als Beispiele):
Land prüft Vorschlag von OB Burchardt zur Einrichtung von Bezirksbeiräten in den Ortsteilen
http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/05268/index.html
Gesucht: Neue Ideen für das Döbele
http://www.konstanz.de/rathaus/medienportal/mitteilungen/05108/index.html?lang=de
Verkehrskonzept Wollmatingen
http://www.konstanz.de/umwelt/01029/02010/04923/index.html
Zukunftswerkstadt Konstanz
http://www.konstanz.de/umwelt/01064/04952/index.html?lang=de
Masterplan Mobilität
http://www.konstanz.de/umwelt/01604/04651/index.html?lang=de
Der Wirtschaftsausschuss setzt sich neben 13 Vertretern der Fraktionen übrigens aus folgenden Mitgliedern zusammen:
Hochschulen:
Prof. Dr. Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz; Dr. Handel, Präsident der HTWG Konstanz.
Kammern:
Prof. Dr. Claudius Marx, Claudius, IHK Hochrhein- Bodensee; Georg Hiltner, Handwerkskammer Konstanz.
Banken:
Werner Allgöwer, Vorsitzender des Vorstandes der Sparkasse Bodensee; Roger Winter, Vorstand der Volksbank eG Konstanz.
Unternehmen:
Armin Karl, Ingun Prüfmittelbau GmbH; Jürgen Riedlinger, Fruchthof Konstanz GmbH;
Lisa Sophia Friedrich-Schmieder, Kliniken Schmieder (Stiftung & Co.).
Agentur für Arbeit:
Jutta Driesch, Vorsitzende der Geschäftsführung Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg.
Arbeitnehmervertretung:
Lore Dizinger, stellv. Vorsitzende DGB-Kreisverband Konstanz, Betriebsratsvorsitzende AIS Region Südwest.
Tourismus:
Manfred Hölzl, Konzil-Gaststätten Geschäftsführer, DEHOGA Konstanz und Wirtekreis.
Beste Grüße
Walter Rügert
Stadt Konstanz, Pressereferent