Die etwas andere Mathe-Nachhilfe mit Lern-App

Mathematik ist in der Schule das Fach, das am meisten polarisiert. Für die einen eine logische Spielwiese, für die anderen ein Graus. Genauso wie das Fach selbst polarisiert auch Nachhilfelehrer Franz Zeller. Frei heraus, ungeschminkt, „schwätzt“ der 58-jährige, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, über seine mittlerweile preisgekrönte Mathe-App aus Konstanz, die Schülerinnen und Schülern das Lernen erleichtern soll

Die ‚Initiative Mittelstand‘ zeichnete Franz Zellers App Real10 in der Kategorie IT „BEST OF 2012“ aus – eine von immerhin 2.500 Bewerbungen. 2013 gab es dann die erneute Auszeichnung von diesmal sogar 4.900 Bewerbungen. Seit knapp drei Wochen nun ist die Nachfolgeversion Real10 pro für android-fähige Touchscreen-Geräte auf dem Markt. Zu gegebener Zeit soll sie auch auf IOS portiert werden. Zeller will es damit dauerhaft möglich machen, dass Schüler ihr Wissen mit sich einfach so rumtragen und jederzeit an jedem Ort auffrischen können.

Diese äußerlich nüchtern wirkende App hat es in sich: Eine Formelsammlung (genannt Formel 10) und Übungsaufgaben (Real10 plus) oder das Gesamtpaket (Real10 pro) können im Google Play Store erworben werden. Die Idee ist so simpel wie genial: „Die App soll das Buch nicht ergänzen, sie soll es ersetzen. Ich möchte den Schülern ein Medium bieten, das sie gewohnt sind, das sie kennen“, erklärt Zeller, der davon überzeugt ist, dass das Schulbuch als Medium ausgedient hat und dem Lernen über elektronische Medien die Zukunft gehört. Innovation kommt für Zeller nicht aus dem Schulsystem, sondern findet über Umwege in die Schule.

Wie kommt man darauf, vom Ingenieursdasein in die Mathe-Nachhilfe zu wechseln?

Über dies alles mag man geteilter Meinung sein, jedoch wird beim bloßen Hinschauen schnell klar: Franz Zellers App ist übersichtlich, es gibt keine Schnörkel eines „überkanditelten Schulbuches“, wie Zeller es nennt, und die auf dem „freien Markt“ das Fünf- bis Zehnfache seiner App kosten.

Nicht zu viel wollte er auf eine Seite packen. Die Lernenden sollen sich auf dem Touchscreen durchklicken, von absolutem Basiswissen bis hin zu den etwas komplexeren Sachverhalten. Hin und wieder verweisen externe Links auf andere Matheportale mit weiterführenden Aufgaben oder einfach auch mal auf einen historischen Abriss, etwa in Wikipedia.

„Man kann da ein bisschen auf Entdeckungsreise gehen. Der freiwillige Sprung ins Internet zeigt mir ja, dass er das, was ich dem Schüler erzählt habe, kapiert hat. Wenn er meine Formelsammlung versteht, dann hat er die mittlere Reife befriedigend und besser bestanden. Für mich ist die App dazu da, dass die jungen Leute in eine neue Welt eintauchen. Das ist, wie wenn ein Deutschlehrer feststellt, dass ein Schüler das erste Mal von selber ein Buch liest“.

„Das war vor ein paar Jahren schlicht die Auftragslage. Außerdem habe ich festgestellt, dass ich gut mit jungen Menschen kann, also habe ich mir gesagt, das mache ich. Dann kam mir der Gedanke, dass ich den Kurs, den ich schon gegeben habe, als App hinterlege. Zunächst hab ich die zehnte Klasse Realschule als App aufgebaut, dann möchte ich zunächst mal nach unten gehen noch bis Klasse acht, um zu schauen, wie es ankommt. Später möchte ich dann die Abiturstufe ergänzen.“

Schülern die Angst nehmen und sich selbst wieder entdecken

Durch die ganze Nachhilfe und die Mathematik habe er sich selbst wieder entdeckt. Da ihm das läge, geht es nun darum, den Schülerinnen und Schülern die Angst zu nehmen: „Wenn jemand von der Note 5 auf eine 4 kommt, ist das innerlich ein Riesensprung. Das Thema Ängste ist groß, die sind einfach latent vorhanden. Das Wort Angst würde ich allerdings ersetzen durch Hemmung, weil es meist eher Blockaden sind. Ängste sind schon mehr verfestigt. Die meisten Ängste haben sie mit 15 und 16 vor der Prüfung zur mittleren Reife, weniger die, die es bis zur Abiturprüfung geschafft haben.“

Allerdings kämen manche mit völlig falschen Erwartungen. „Frei Schnauze“ stellt Franz Zeller klar, mit welchem Typus Schüler er so gar nicht klarkommt: ,Wer’s bezahlt, gibt’s vor?, meinte mal einer zu mir. Da hab ich gesagt: ,Freund, das is ’ne gute Einstellung. Du nimmst Nachhilfe, ich mach dir Vorgaben. Die Schule is‘ grausam, du musst die 5 in Mathe wegkriegen.?“ Auch mit Schülern, die im Nachhilfelehrer einen „Feind“ sähen, ist sein Umgang äußerst direkt: „Ich bin ja vielleicht der letzte Freund, den sie noch haben, wenn’s um das Fach Mathematik geht.“

Wer mit Franz kann, der kann…

Zeller ist sich bewusst, dass so manche Schüler damit nicht zurechtkommen. Aber so ist das eben mit sehr direkten Menschen: Sie polarisieren. Doch immerhin, das Konzept scheint zu funktionieren – bei denen, die es annehmen. Man merkt eben irgendwie doch, dass Zeller mal in der Informatik im Kundenbereich gearbeitet hat – da muss man auch ein bisschen erklären können. Zumindest für die App habe er noch nie Negativkommentare erhalten.

David (16), einen seiner Nachhilfeschüler, treffe ich fünf Tage nach dem Interview mit Zeller. Er ist in der elften Klasse und besucht Zellers Nachhilfekurs bereits seit eineinhalb Jahren. Er will die elf Punkte in der Sekundarstufe II schaffen, um später möglichst eine Ingenieurskarriere an einer Hochschule zu machen. Er schätzt Franz‘ offene und direkte Art sowie seine Fähigkeit, die Ergebnisse seiner Arbeiten im Vorfeld recht treffsicher einzuschätzen. David merkt aber schüchtern mit einem kleinen Schmunzeln an: „Der kann aber nichts für sich behalten.“

Neben ihm sitzt auch Mia (20, Name geändert), die gerade das erste Mal mit der App gerechnet hat und von den null Punkten in Mathe weg und das Abi endlich bestehen will. Es war eher eine zufällige Geschichte. Fünf Tage zuvor sitzt sie am Nebentisch des seemoz-Interviews mit Zeller im Lokal. Sie lässt sich spontan seine Kontaktdaten für seine Nachhilfe geben. Gerade hat sie das erste Mal mit der App gerechnet und Nachhilfe genommen: „Ich finde das schon um einiges motivierender und übersichtlicher als ein Buch.“ Die Erleichterung steht ihr ins Gesicht geschrieben, sie will auf alle Fälle weitermachen.

Ich kann ja nicht sagen, dass das Schulsystem nur schlecht ist“

Auch ich unternehme – mit meinen kläglichen, aber stolzen fünf Punkten im Mathegrundkurs vor etlichen Jahren – den Selbstversuch, mir von Zeller mathematische Zusammenhänge erklären zu lassen und muss schnell feststellen, dass sofort Dinge fruchten, die ich vorher nicht verstanden habe. Zeller: „Das Schulsystem ist ein großes Problem“, und später hinter nicht ganz vorgehaltener Hand: „Ich kann ja nicht sagen, das Schulsystem ist so beschissen, sonst würd’s mich nicht geben, beziehungsweise Nachhilfe wäre nicht so ein Markt, der boomt.“

Ich sehe es anders herum: Man sollte durchaus unverblümt sagen, wie es um das Schulsystem steht.

Autor: ryf

Wer Lust hat, sein Kind in die etwas andere Mathe-Nachhilfe zu schicken und mehr über Franz Zeller und seine App erfahren will, schaut unter www.mathe-cafe.de nach.