Von der Zweckheirat doch noch zur Liebesehe?

Der Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, zu dem die Krankenhäuser von Konstanz ebenso wie jene des Singener HBH-Verbundes gehören, besteht zwar erst seit Ende letzten Jahres, er hat sich aber in dieser kurzen Zeit zumindest im Konstanzer Gemeinderat schon viele Freunde gemacht. Diesen Eindruck vermittelte die Sitzung des Konstanzer Gemeinderates am Donnerstag, auf der unter anderem das medizinische Konzept des Zusammenschlusses präsentiert wurde

Bevor es so richtig zur Sache ging, gab es neue Gesichter in den Reihen des Rates. Nach Jahrzehnten haben sich die SPD-Urgesteine Brigitte und Jürgen Leipold in den Ruhestand verfügt. An ihrer Statt wurden Bernd Sonneck und Zahide Sarikas als neue Ratsmitglieder vereidigt, und ein Hauch von Feierlichkeit wehte durch die sonst meist nüchterne Runde.

Wichtige Entscheidung vertagt

Uli Burchardt ist nicht nur Oberbürgermeister der Stadt Konstanz, er hat kraft dieses Amtes auch noch etliche andere Funktionen, so dass er gelegentlich innerlich gespalten ist, je nachdem, auf welchem Stuhl er gerade sitzt. Anhand des möglichen Verkaufs eines Grundstückes gewährte er jetzt einen Einblick in sein zerrissenes Innenleben.

Besagtes Grundstück liegt an der Reichenaustraße an dem Kreisel anschließend auf dem ehemaligen Herosé-Gelände am Seerhein und firmiert als Torhaus/Stadt am Seerhein. Ein Investor will es erwerben, um dort ein Hotel zu errichten – laut Verwaltung durchaus im Einklang mit dem gültigen Bebauungsplan aus dem Jahre 2007, aber gegen vernehmliches Murren der Bevölkerung, die an ihrem Grünflecken hängt. Uli Burchardt 1, der Verwaltungschef, sieht keine Hinderungsgründe für diesen Verkauf, denn es habe eine öffentliche Ausschreibung gegeben, das Verfahren sei transparent gewesen und es gebe keine juristischen Hinderungsgründe; Uli 2, der Gemeinderats-Vorsitzende, findet, der Gemeinderat müsse zu dem Bebauungsplan stehen, den er erst vor ein paar Jahren beschlossen habe. Uli 3; der Oberbürgermeister, hingegen sah weiteren Gesprächsbedarf und schlug vor, die Entscheidung über den Grundstücksverkauf zu vertagen, zumal es in diesem langwierigen Entscheidungsprozess auf ein paar Wochen mehr oder weniger auch nicht mehr ankomme. Der Gemeinderat atmete hörbar erleichtert auf und vertagte diesen spannendsten Tagesordnungspunkt der Oktober-Sitzung erst einmal.

Aufgrund eines Antrages der CDU wurde auch noch der Antrag des in Schloss Seeheim beheimateten Theaters Mephisto & Co. auf durchaus erhebliche Zuschüsse abgesetzt und in den Kulturausschuss verwiesen.

Geschlossen gegen Nazis

Seit geraumer Zeit werden die seemoz-Redakteure Hans-Peter Koch und Holger Reile (letzterer sitzt auch für die Linke Liste im Gemeinderat) aus dem faschistischen Umfeld massiv bedroht. Oberbürgermeister Uli Burchardt verlas eine Solidaritätserklärung mit den beiden, die von allen Fraktionen des Gemeinderates beifällig aufgenommen wurde. Uli Burchardt erinnerte an die Konstanzer Erklärung „Für eine Kultur der Anerkennung und gegen Rassismus“, mit der sich die Stadt im Sommer 2012 unmissverständlich von jeder Art neonazistischer und rassistischer Umtriebe distanziert hat. Er versicherte die Journalisten, die nach Einschätzung der Polizei ernstlich bedroht sind, überzeugend der Solidarität des Gemeinderates.

Es sieht so aus, als werde die Konstanzer Erklärung tatsächlich dringend gebraucht, denn Vera Hemm (LLK) kündigte an, sie werde dem Gemeinderat im Namen des Runden Tisches für Flüchtlinge ein Resolution zu Lampedusa vorlegen (seemoz wird berichten).

Wächst zusammen, was zusammen gehört?

Auf den Punkt brachte es Ewald Weisschedel (FWG): Die letztjährige Fusion des HBH-Klinikverbundes (Krankenhäuser in Engen, Gailingen, Radolfzell, Singen und Stühlingen) mit den beiden Konstanzer Krankenhäusern zum neuen Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz entsprang ausschließlich der wirtschaftlichen Notlage der beteiligten Häuser und damit ökonomischen Zwängen. Man erinnert sich, wie hoch die Emotionen teils schlugen, denn man befürchtete allerorten, dass der Landkreis, der in diesem neuen Verbund das Sagen hat, verschiedene Stationen schließen wird. Zudem gab es gerade unter dem Hohentwiel auch Aufwallungen eines gekränkten Lokalpatriotismus, glaubte manche doch, in diesem Verbund werde das wertvolle Krankenhaus Singen an den Landkreis und damit die habgierigen Fressfeinde aus Konstanz für ein Nasenwasser hergeschenkt.

Vorläufig scheinen die Skeptiker verstummt, und man darf mutmaßen, dass es auch keine große Kritik am neuen Verbund geben wird, so lange die Zahlen stimmen. Die beiden Geschäftsführer des Verbundes, Peter Fischer und Rainer Ott, präsentierten dem Gemeinderat an diesem Abend ihr medizinisches Konzept und entwarfen ein lichtes Bild der nächsten Zukunft, das nach den jahrelang finsteren Nachrichten aus dem Gesundheitsbereich derart schön ist, das man sich gelegentlich geblendet fühlt. Fischer kündigte an, der Verbund wolle das Leistungsspektrum nicht etwa – wie von vielen Menschen der Region befürchtet – kürzen, sondern sogar erweitern, ohne allerdings ein Niveau anzustreben, das etwa Universitätskliniken mit ihren Transplantationszentren Konkurrenz mache.

Er nannte einige Beispiele: So wird es in der inneren Medizin künftig zwei Chefärzte geben, die Spezialisten für ‚Leber‘ bzw. ‚Lunge‘ sind und damit medizinische Bereiche abdecken, die bisher nicht gezielt bedient wurden. Am Standort Konstanz plant der Verbund gleich zwei Erweiterungen: Einerseits soll hier im bisherigen Eingangsbereich des Krankenhauses das zentrale Logistikzentrum für den gesamten Verbund entstehen, andererseits soll die Geriatrie bedarfsgerecht erweitert werden. Neben der Anschaffung eines neuen Operationsroboters seien dies zentrale Bausteine des neuen medizinischen Konzeptes, die nicht nur zu den bisher realisierten siebenstelligen Einsparungen beitragen, sondern vor allem handfeste Vorteile für die Versorgung der Bevölkerung mit sich bringen sollen.

Auf die Frage von Vera Hemm (LLK), wie es denn um die Personalsituation bestellt sei, denn es gebe Klagen über Unterbesetzungen und nicht ausgeglichene Überstunden in erheblichem Maße, verwies Peter Fischer auf die schwierige Personallage im Gesundheitsbereich in ganz Deutschland und speziell in Konstanz. Nach seinen Angaben fehlen überall Fachärzte, und speziell in Konstanz zieht es viel Personal in die Schweiz, wo ganz einfach besser bezahlt wird. Die engagiert vorgetragenen Befürchtungen von Gabriele Weiner (FWK) hingegen, der Verbund lasse die Konstanzer Kinderklinik langsam personell ausbluten und gegen die Wand fahren, bestritt Fischer: Nach seinen Aussagen ist die Kinderklinik in Konstanz nicht ausgelastet, es habe aber trotzdem keinerlei Personalkürzungen gegeben.

Konstanz ist nur Minderheitsgesellschafter im Gesundheitsverbund des Landkreises, und der örtliche Gemeinderat hat folglich nicht viel zu sagen und zu fragen. Als aber die Geschäftsführer den Räten auf deren dringende Bitten hin an diesem Abend versprachen, in Zukunft regelmäßig ausführlich über Kennzahlen und sonstige Entwicklungen des Krankenhausverbundes zu berichten, wurde aus der lange kritisch beäugten Zweckehe unversehens eine echte Liebesbeziehung.

Autor: O. Pugliese