Überall wird gestreikt. In Konstanz und Singen aber etwas weniger

Karstadt-Kunden in Konstanz und Singen stehen heute vor verschlossenen Türen: Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages aller Karstadt-Beschäftigten werden die Kaufhäuser im ganzen Land am Freitag und Samstag bestreikt – in Konstanz und Singen werden „nur“ während des Freitagvormittags lange Betriebsversammlungen abgehalten: Betriebsräte und Geschäftsleitungen aus der Region rechnen mit einer Öffnung der Kaufhäuser nicht vor 11.30

Sie wollen endlich Sicherheit und dafür machen sie die Ladentüren dicht. In ganz Deutschland werden die Beschäftigten der kriselnden Warenhauskette Karstadt so gegen die fehlenden Zusagen des Managements protestieren. Oder, wie es Ulrike Wuhrer, Betriebsratsvorsitzende von Karstadt-Konstanz und Arbeitnehmer-Vertreterin im Aufsichtsrat des Warenhauskonzerns, ausdrückt: „Wir haben die Nase voll“.

Zerschlagung beginnt

Beim letzten seemoz-Zustandsbericht zur Lage des Kaufhauskonzerns im Juni zeigte Ulrike Wuhrer noch gedämpften Optimismus: Da sah sie den Sanierungskurs auf einem guten Weg, beklagte aber die Tarifflucht des Managements und kritisierte Nicolas Berggruen, den deutsch-amerikanischen Sonnyboy, der sich als „Karstadt-Retter“ feiern lässt, bislang aber noch keinen eigenen Cent in die Sanierung gesteckt hat. Dafür verkündete er Mitte September, die Mehrheit der Premium- und Sportgruppe an den österreichischen Immobilieninvestor René Benko verkauft zu haben: Die Flaggschiffe des Konzerns wie das Hamburger „Alsterhaus“ oder das Berliner „Kaufhaus des Westens“ und die Sporthäuser wie das im Konstanzer Lago sind somit – wie schon der Gastronomiebetrieb vor einem Jahr – ausgegliedert: Die Zerschlagung des Karstadtkonzerns beginnt.

Konsequenzen zeigen sich auch in Konstanz. So sitzen derzeit noch zwei Betriebsrätinnen vom Sporthaus und aus dem Restaurantbetrieb im hiesigen Betriebsrat (BR). Zukünftig verlieren sie wohl ihren BR-Sitz, und die Beschäftigten im Sporthaus wie im Konstanzer Restaurant bleiben ohne Mitarbeiter-Vertretung, weil beide Betriebe zu wenige Beschäftigte haben, um laut Betriebsverfassungsgesetz noch einen eigenen Betriebsrat wählen zu dürfen.

Tarifvertrag fehlt

„Wir versuchen seit Wochen von der Karstadt-Geschäftsführung eine klare Zukunftsperspektive zu bekommen“, kritisiert man bei der Gewerkschaft Ver.di. Aber auch nach mehreren Verhandlungsrunden habe der Karstadt-Personalchef Kai-Uwe Weitz keine klare Aussage zu Standort- und Beschäftigungsgarantie sowie zu einer erneuten Tarifbindung gemacht. Da liegt auch nach Auffassung von Betriebsrätin Wuhrer das Hauptproblem: „Wenn schon Zerschlagung, gegen die Betriebsräte und Gewerkschaft keine Machtmittel haben, dann aber bitte mit einer Absicherung der übrigen Beschäftigten. Und das kann nur ein Tarifvertrag leisten“.

Das Unternehmen hatte Ende Mai überraschend die Tarifbindung aufgekündigt, mit dem Hinweis, die anstehenden Lohnerhöhungen nicht zahlen zu können. Stattdessen wurde den Mitarbeitern ein sogenannter „Karstadt-Weg“ vorgeschlagen, der allerdings weder konkretisiert wurde noch rechtsbindend wäre. Und dagegen wehren sich die Betriebsräte, dafür streiken die Beschäftigten, denn sie wollen einen Haustarifvertrag, der mit der Gewerkschaft ver.di abzuschließen ist – einen Tarifvertrag, der die Gehalts- und Lohnstrukturen und -höhen allein für Karstadt festlegt.

Dafür würde Ulrike Wuhrer sogar die Kröte eines zeitlich begrenzten Lohnverzichts schlucken: „Für die nach verschiedenen Sanierungstarifverträgen leidgeprüften Karstadt-Beschäftigten muss es endlich eine Absicherung geben – ein Tarifvertrag ist die einzig mögliche Antwort“.

Autor: hpk (mit Material von dpa und spiegel online)