Kriegsspiel mit Kindern

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet hat sich im August in der Provinz nördlich des Bodensees im Oberen Linzgau schier Unglaubliches ereignet. Eine Reservistenkameradschaft der Bundeswehr – das sind Leute, die auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst das Kriegsspielen nicht lassen können – lud, mit Unterstützung der Gemeinde übrigens, zu einem Kinderfest der speziellen Art nach Herdwangen-Schönach ein

Unter der Überschrift „Die etwas andere Cabriofahrt“ warb man für einen „Spähtrupp durch den Wald“. Wes Geistes Kind die Reservekrieger sind, darüber gibt am besten ein Zitat aus einem Südkurier-Artikel über das makabre Spektakel Auskunft, der wiederum einen deutlichen Hinweis darauf erlaubt, wes Geistes Kind dessen Verfasser ist. „Die Mitglieder des Kinderferien-Spähtrupps sind mit Feuereifer dabei, zwischen den Bäumen nach Angreifern Ausschau halten. Schnell unter den Zweigen hindurch geduckt, und immer die Wasserpistole im Anschlag, heißt das Motto. Und plötzlich sind sie da, aus dem Hinterhalt springen getarnte Soldaten aus dem Wald und eröffnen das Feuer, besser gesagt das Wasser: Eine lustige ‚Schlacht‘ mit dem kühlen Naß beginnt, die beiden Parteien sichtbar Spaß macht“.

Nach der Aktion demonstrierte ein aktiver Sanitätsfeldwebel, wie man „klaffende Wunden oder freiliegende Därme“ versorgt. Bei dem als Cabrio titulierten Gefährt handelte es sich übrigens sinnigerweise um ein ehemaliges gepanzertes Kettenfahrzeug der Wehrmacht. Der Heimatzeitung zufolge wurden 14 Kinder für diesen Schwachsinn missbraucht, darunter auch ein sechsjähriges Mädchen.

Annette Groth, alte und neue Bundestagsabgeordnete der Linken im Bodenseekreis (s. Foto), fand diese Militaristen-Aktion überhaupt nicht spaßig. Sie wandte sich in einem Brief an Verteidigungsminister Thomas de Maizière, in dem sie den Reservisten vorwirft, die kindliche Lust an Abenteuerspielen zu missbrauchen. Jetzt bekam Groth Antwort aus dem Verteidigungsministerium. Darin wird die Veranstaltung als „verfehlt“ bezeichnet, man werde darauf dringen, „bei der anstehenden (Reservisten-)Verbandsreform auf die Vermeidung von Missverständlichkeiten ein besonderes Augenmerk zu legen“.

Dazu die Linken-Abgeordnete: „Ich erwarte, dass die Bundeswehr ebenso wie der Verband der Reservisten wesentlich mehr Sensibilität entwickeln, wenn es um Fragen von Kindern und Militär geht. Als menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE bin ich fast wöchentlich mit der Frage des Missbrauchs von Kindern durch Armeen in Afrika oder Asien konfrontiert. In vielen Briefen und Gesprächen fordere ich immer wieder die betroffenen Staaten und Regierungen auf, die Kinderrechtskonvention einzuhalten und eine klare Trennung zwischen Militär und Kindern vorzunehmen. Bundesdeutsche Politikerinnen und Politiker erscheinen jedoch unglaubwürdig, wenn in Deutschland eine solche strikte Trennung zwischen Militär und Kindern nicht eingehalten wird. Deshalb unterstütze ich seit vielen Jahren die Initiativen des Bündnisses „Schule ohne Militär“ und trete für ein konsequentes Verbot von militärischen Veranstaltungen bei Kinderfesten, in Kindergärten und in Schulen ein.“

Autor: jüg