In einem Monat nicht mehr verdienen als andere im ganzen Jahr
In Schweizer Unternehmen soll künftig der am besten Verdienende in einem Monat nicht mehr verdienen können als der im selben Unternehmen am wenigsten Verdienende im ganzen Jahr. Das ist das Ziel der 1:12-Initiative, über die Schweizerinnen und Schweizer am Wochenende abstimmen. Die Siegchancen für dieses Vorhaben sind nicht die besten
Vor zehn Tagen ergab eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstitutes GfK Switzerland im Auftrag der Zeitung „SonntagsBlick“ 55 Prozent Ablehnung und nur 34 Prozent Zustimmung zur 1:12-Initiative. Der Rest war damals noch unentschieden. Seit Wochen trommeln Unternehmer, deren Verbände und die bürgerlichen Parteien von den Christdemokraten bis zur Volkspartei gegen das von Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Grünen unterstützte Anliegen, die Managerlöhne zu begrenzen.
Nun haben die Schweizer Stimmberechtigten ja vor rund einem Jahr der sogenannten Abzockerinitiative zugestimmt, deren Ziel es ebenfalls war, Lohnexzesse in den oberen Unternehmensetagen zu bremsen. Diese genoss bis weit in die SVP hinein politische Sympathien. Die Abzocker-Initiative aber verhindert sehr hohe Löhne nicht generell – sie verhindert nur, dass sich das Management ohne Zustimmung der Aktionäre selbst bedienen kann. Wenn es aber seine Eigentümer davon überzeugen kann, ihm superhohe Löhne zu zahlen, sind diese weiterhin zulässig.
Warum nicht 1:20?
Bei der 1:12-Initiative wäre das nicht der Fall. Der Initiativtext verlangt einen Artikel in der Bundesverfassung, wonach „der höchste in einem Unternehmen bezahlte Lohn …nicht höher sein (darf) als das Zwölffache des tiefsten vom gleichen Unternehmen bezahlten Lohnes.“ Nicht alle Unternehmer haben – folgt man ihren eigenen Aussagen – die Initiative begriffen. So nervte sich der Präsident (Aufsichtsratsvorsitzende) der Nobeluhrenfirma Hublot, Jean Claude Biver, im „Tagesanzeiger“: „Weshalb 1:12. Weshalb nicht 1:8…oder 1:18 oder 1:20? Wie kommen die Initianten auf eine solche Zahl?“ Dass damit postuliert wird, dass der Bestverdienende damit in einem Monat nicht mehr verdienen soll als sein am schlechtesten verdienender Mitarbeiter im ganzen Jahr, ist Hublot entgangen. Aber er hofft „schon, dass ich mehr als 1:12 verdiene, sonst könnte ich nicht mehr alle diese Steuern bezahlen“.
Um seine Fähigkeiten, Steuern zahlen zu können, bangt auch der Thurgauer Vorzeigeunternehmer (und frühere SVP-Nationalrat) Peter Spuhler. Der Stadler-Eisenbahnbauer beklagte mehrfach, würde die 1:12-Initiative angenommen, könne er seine Vermögenssteuern nicht mehr bezahlen. Nachdem ihm ein Juso daraufhin empfahl, die nötige Summe über die empfangenen Dividenden zu finanzieren, behauptete Spuhler, damit würde seinem Unternehmen zu viel Geld entzogen. Er vergaß, dabei zu erwähnen, dass dem Unternehmen ohne 1:12 ja auch sein wesentlich höherer Lohn „entzogen“ wird. Die Zeitschrift „Bilanz“ schätzte übrigens Spuhlers Vermögen 2012 auf etwa 850 Millionen Franken. Dafür wären im Thurgau zwischen 2,2 und 2,5 Millionen Franken Vermögenssteuer fällig (immer vorausgesetzt a) die geschätzte Summe stimmt und b) die Sachwerte werden vom Steueramt gleich hoch geschätzt wie von der „Bilanz“ und c) die Steuerberater Spuhlers finden keine Abzugsmöglichkeiten).
Die Initiativgegner malen das (Horror-)Bild ins Ausland abwandernder Unternehmen an die Wand: Uhrenhersteller Biver meinte, eine solche Lohnbegrenzung gleiche einer Selbstverstümmelung. Und der Hersteller der „Victorinox“-Taschenmesser, Carl Elsener, zahlt sich zwar nur einen Lohn im Bereich von 1:6 aus, sieht aber Eigeninitiative und unternehmerische Verantwortung schwinden, wenn die Löhne gesetzlich gedeckelt werden.
Aber doch 1:1812
Lohnuntersuchungen von Travailsuisse und Ethos – einer Gewerkschafts- und einer Aktionärsvereinigung – listen derweil jährlich Managerlöhne auf. Platz 1 in der Hitliste belegte 2009 in diesen Untersuchungen der Chef (CEO) der Credit Suisse, Brady Dougan. Er verdiente 1812-mal soviel wie sein am schlechtesten bezahlter Mitarbeiter – und das in einer Bank, die zweimal von ihren Aktionären rekapitalisiert werden musste. Nestlé-Chef Paul Bulcke brachte es 2012 auf das 238-fache und Roche-Chef Severin Schwan auf das 261-fache des tiefsten Lohns im Unternehmen. Offenbar beeinträchtigen in solchen Fällen hohe Lohnkosten für einmal nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
Über die Folgen einer Annahme der Initiative gehen die Meinungen logischerweise auseinander. Die Gegner sehen Steuereinnahmen und Rentenbeiträge schwinden, wenn die Höchstlöhne begrenzt werden. Befürworter dagegen argumentieren, würden die niedrigen Löhne erhöht, könnten einerseits auch die Toplöhne steigen und andererseits erhöhten sich damit auch Steuerzahlungen und Sozialabgaben.
Außerdem am Wochenende:
Nicht uninteressant für deutsche „Zuschauer“ könnten auch die beiden anderen Abstimmungen auf Bundesebene sein. Einerseits wird über einen SVP-Vorschlag abgestimmt, der die Schweizer Variante der deutschen „Herdprämie“ darstellt: Familien, die keine Kita-Plätze beanspruchen, sondern ihre Kinder selbst betreuen, sollen von ihren Steuern gleich viel Geld abziehen dürfen wie Eltern, die Kosten für die Fremdbetreuung geltend machen können. Andererseits stimmen die Schweizerinnen und Schweizer darüber ab, ob die Autobahnvignette ab 2015 statt bisher 40 dann 100 Franken kosten soll.
Autorin: Lieselotte Schiesser