Herzklinik: Das fragwürdige Zögern der Behörden

20131124-224642.jpgKein Tag ohne neue Enthüllungen in der Affäre um die Herzkliniken in Konstanz und Kreuzlingen. Jetzt haben sich über 20 angestellte Ärzte des Herzzentrums zusammen getan, um mithilfe eines Konstanzer Anwalts ihre Rechte gegenüber der angefeindeten Geschäftsführung zu wahren. Derweil wächst das Unverständnis über die zögerliche Ermittlungsarbeit der Behörden beiderseits der Grenze

Schon 2009 habe das Regierungspräsidium Freiburg brisante Informationen über nicht zugelassene Herzklappen aus Tschechien erhalten, die in der Konstanzer Herzklinik verwendet worden sein sollen, so Recherchen von SWR und Stuttgarter Zeitung vom vergangenen Wochenende. Das Regierungspräsidium (RP) aber sei jahrelang untätig geblieben. Auch auf eine anonyme Anzeige aus dem Jahr 2011 hätten RP und Staatsanwaltschaft Konstanz erst mit Verzögerung Ende 2012 reagiert, als die Staatsanwaltschaft die Landespolizeidirektion mit Ermittlungen beauftragte. Erst am 5. Juni 2013 dann kam es zu einer ersten Razzia (seemoz berichtete jeweils). Wieso solche Vorwürfe vier Jahre lang unbehandelt blieben, können die Behörden nur unzureichend erklären.

Viele Ausreden, wenige Ergebnisse

Die Staatsanwaltschaft Konstanz beruft sich allen Ernstes auf die aktuell durchgeführte Reform der Polizeistruktur, die verschiedene Ermittlungsarbeiten erschwere; das Regierungspräsidium beklagt überdies ein Wirrwarr an Zuständigkeiten, um sich vom Vorwurf mangelnder Aufsichtspflicht reinzuwaschen. Und die deutschen Krankenkassen, deren Vertragszusagen das einträgliche Geschäft des Herzzentrums vor Jahren erst ermöglichte, verweisen auf staatliche Kontrollinstanzen. Ihnen selber sei, so die die AOK Baden-Württemberg, eine derartige Recherche gar nicht möglich.

Solche Verzögerungstaktik beunruhigt zunehmend auch die Beschäftigten – nicht nur den Konstanzer Betriebsrat, der intern seit langem die Missstände kritisiert und jüngst auch eine nicht unumstrittene Solidaritätsadresse des Konstanzer Gemeinderatsrat initiiert hatte, sondern auch Ärzte mit Schweizer Arbeitsvertrag, die womöglich gesetzeswidrig in Konstanz eingesetzt wurden, ohne dass ausreichend Steuern und Sozialabgaben abgeführt worden wären. Über 20 von ihnen, so berichtet die Thurgauer Zeitung letzte Woche, haben jetzt die Unterstützung eines Konstanzer Anwalts gesucht. Die Gründe sind nachvollziehbar.

Und was macht das Finanzamt Konstanz…

Denn immer noch zahlen in Deutschland der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer für geleistete Arbeit gleichermaßen sowohl Steuern als auch Sozialabgaben. Und wenn der Einsatz von Ärzten und PflegerInnen aus der Schweiz in Deutschland vom Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden sein sollte, könnten sich auch Arbeitnehmer schuldig gemacht haben. Der seemoz-Redaktion zumindest liegen Gutachten anderer Finanzämter aus anderen Bundesländern vor, die eine solche Beitragspflicht uneingeschränkt bejahen.

Da kommt dann das Finanzamt Konstanz ins Spiel, das sich in dieser Affäre bislang auffällig zurück hält. Ansonsten in Steuerberater-Kreisen als ungewöhnlich „scharf“ bei kleinen Steuersündern verschrien, zeigt sich das Amt in der Herzklinik-Affäre auffällig zögerlich. Da fragt sich: Ist das politischen Einflüssen oder nur eigener Blindheit zu schulden?

…und was die Schweizer Behörden?

Doch auch Schweizer Stellen zeigen eine erstaunliche Zögerlichkeit. Die seemoz-Redaktion hatte Einblick in den Schriftsatz eines Anwalts aus dem schweizerischen Zug, der präzise die Machenschaften um die Briefkastenfirma ProVentis und ihre Scheingeschäfte mit den K+K-Kliniken nachweist.

Auch hier darf gefragt werden, was Staatsanwaltschaften wie Krankenkassen bewegt, solchen Belegen nicht nachzugehen. Und der Argwohn, dass Hintermänner aus Politik und Justiz ihr schützendes Händchen über den Herzzentrum-Konzern halten, gewinnt von Tag zu Tag neue Nahrung.

Autor: hpk

Weitere Artikel:

Herz-Klinik-Skandal erreicht den Gemeinderat

Herzklinik: Jetzt wird es eng für das Management

Herz-Zentrum in der Internet-Defensive