Konziljubiläum: Pantomime für 250 000 Euro
So wie es aussieht, wollen die Jubiläumsverantwortlichen partout nicht von Projekten lassen, deren tieferer Sinn unter einer dichten Nebeldecke liegt und die mit der vielfach beschworenen Nachhaltigkeit wenig oder gar nichts zu tun haben. Heute Nachmittag werden dem zuständigen Ausschuss Programmpunkte vorgelegt, die vor allem eines auszeichnet: Bemühte Zusammenhänge mit der Konstanzer Geschichte und hohe Kosten zu Lasten der Steuerzahler
Noch vor knapp zwei Jahren träumte man davon, während des gesamten Konziljubiläums (2014-2018) einen mittelalterlichen Handwerkermarkt auf dem Stefansplatz anzubieten. Der unausgegorene Plan wurde dann aber auf Eis gelegt. Die Alternative, zusammengestaucht auf vier Tage, kommt nun unter anderem Namen daher: Geplant ist im Frühjahr 2014 eine „Woche des Handwerks“.
Besuchern soll die Möglichkeit geboten werden, sich „mit aktuellen Handwerkstechniken sowie jahrhundertealten Traditionen auseinander zu setzen“. Auf der Stadtgartenmole möchte man eine „marktähnliche Situtation“ schaffen, die einen „Einblick in die Vielfältigkeit des hiesigen Handwerks“ verspricht. Wie das in lediglich vier Tagen eine Art Breitenwirkung erzielen soll, fragen sich viele verwundert. Noch mehr fragen sich, ob die dafür vorgesehenen Kosten von 83 000 Euro – aufgeteilt zwischen Handwerkskammer und der Stadt Konstanz – gerechtfertigt sind.
Verwunderung auch darüber, dass zur gleichen Zeit am Augustinerplatz ebenfalls ein Handwerkermarkt stattfindet. Da drängt sich doch der Verdacht auf, dass es sich bei der „Woche des Handwerks“, ausgestattet mit Mittelalterbezug, um eine zusätzliche PR-Veranstaltung für die Handwerkskammer handelt, die sie sich mit 41 500 Euro aus dem Stadtsäckel finanzieren lassen möchte. Was natürlich keinesfalls fehlen darf: Die Handwerkerwoche wird „abgerundet von einem Handwerkergottesdienst“. Die geistliche Erbauung wird uns spätestens ab Mai 2014 bei fast jeder Jubiläumsveranstaltung angeboten wie sauer Bier.
Ebenfalls festgehalten seit langer Zeit wird an dem Videoprojekt „Your eyes on me“. Über mehrere innerstädtische Leinwände möchte man sich live und gut einen Monat rund um die Uhr mit den fünf Konstanzer Partnerstädten verbinden. Wer bisher davon ausgegangen ist, man könne nicht nur sein Gesicht in eine der installierten Kameras halten und völkerverbindend grimassieren, sondern auch verbale Botschaften absondern, wird enttäuscht sein. Das Projekt taugt lediglich für Pantomime. Und die wird teuer, denn die Gesamtkosten belaufen sich auf 250 000 Euro.
Immerhin: Die Möglichkeit, über fantasievoll gestaltete Plakate oder Transparente Grüße in die jeweiligen Partnerstädte zu schicken, bleibt wohl erhalten. Anfangs hatte noch der baden-württembergische Datenschützer Kritik an der Videoidee geübt. Die Vorbehalte seien nun ausgeräumt, hieß es unlängst von Seiten der Jubiläumsplaner. Konkretes gibt auch die dürre Vorlage für die heutige Betriebsausschuss-Sitzung nicht her. Der „Sachstand“ werde mündlich mitgeteilt. Man scheint sich seiner Sache sehr sicher zu sein und hofft wohl, dass der Ausschuss alles abnickt, was ihm von Seiten der Programmgestalter vor die Füße geworfen wird. Es wäre ja nicht das erste Mal.
Autor: H.Reile
@Norbert Höpfinger:
Bei der Tourist-Info ist man nicht beleidigt, sondern schlicht unfähig.
@BüBi:
Für 2012 weist die Tourist-Info in ihrem diesbezüglichen Geschäftsbericht einen „Materialaufwand und bezogene Leistungen“ in Höhe von 360 000 € aus. Hinzu kommen Personalkosten (787 000 €) sowie sonstige betriebliche Aufwendungen in Höhe von 498 000 € etc. Bezahlt von Geld aus der Stadtkasse. Sind das Peanuts?
(http://www.konstanz-tourismus.de/service-kontakt/tourist-information/geschaeftsberichte.html)
@N.Höpfinger: Vielleicht zieht die Hypothese, dass die Landesausstellung einen überregionalen Zuspruch hat, wirklich ein paar mehr Touristen nach Konstanz. Eine Werbehypothese verkündet immer den großen Erfolg um Geld fließen zu lassen. Wer überprüft schon den Wahrheitsgehalt von Werbeaussagen, oder fasst nach, ob die Hypothese auch Erfolg hatte? Dann war das Schnee von gestern. Dazu gehört auch die Wertschöpfungskette, bei der ein zusätzlicher Tourist kaum auffallen wird und statistisch nicht auszuwerten ist.
Und die Touristinformation zieht sich zurück? Die werden wohl noch weiterhin ihre Prospekte verteilen. Damit produzieren sie erfreulicherweise nicht viele Unkosten.
Je näher das Jubiläum rückt, um so weniger bleibt von den vollmundigen Versprechungen, die am Anfang der Planungen gemacht wurden. An europaweite Resonanz kann nun wirklich keiner mehr glauben, und selbst das Highlight der Veranstaltungen, die Landesausstellung, kann nur hoffen überregionalen Zuspruch zu erhalten. In dem Zusammenhang sollte unbedingt erwähnt werden, dass sich die Touristinformation anscheinend völlig von dem Event zurückzieht. Wahrscheinlich sitzt Henneberger beleidigt in der Ecke und schmollt, weil es seine Lädine nicht bauen darf. Jedenfalls werden für Touristen keine Packages angeboten. Dabei böten die eine Möglichkeit, eine ganze Wertschöpfungskette mit den städtischen Eigenbetrieben zu schaffen (Anfahrt mit der BSB von Meersburg, Friedrichshafen oder Lindau. Besuch der Landesausstellung und Stadtführung. Übernachtung in Konstanzer Hotels, Besuch von Rosgartenmuseum und Hus-Haus und abschließend eine Rundfahrt auf dem See – nur als Beispiel). Aber nichts davon. Auf eine konkrete Anfrage erhielt die VHS Herbertingen als Antwort: „Sowas machen wir nicht.“
Die Bischöfe reagieren auch noch nach 600 Jahren wie absolutistische Herrscher. 170 Milliarden Euro Gesamtvermögen! Kann man dem inzwischen aufgeklärten Bürger endlich einmal erklären, warum wir Arme in Deutschland haben, ja sogar noch hungernde Kinder und kein Geld für Schulspeisungen haben? Mir wird schlecht, wenn ich auch noch eine total überflüssige Jubiläumsfeier eines kirchlichen Events von vor 600 Jahren mitfinanzieren muss.