Auch am Bodensee kämpfen Bürger für ihren Bahnhof
Der Lindauer Inselbahnhof soll bleiben, fordert seit 12 Jahren eine Aktionsgemeinschaft in der Bodenseestadt. Gegen die CSU und die Freien Wähler im Stadtrat, gegen die Deutsche Bahn, gegen die Bayerische Staatsregierung, vor allem aber gegen Immobilien-Spekulanten streitet die alternative Aktion seit nun 12 Jahren. Mit Erfolg: Lindaus Insel, Schmuckstück der Stadt, wird wohl nicht zubetoniert und nicht noch weiter von Autos überflutet. Aber noch ist der Kampf nicht zuende, weiß Charly Schweizer, Sprecher der Initiative.
„Bürgerbahn statt Börsenwahn“ ist dann auch ein Motto der Aktionsgemeinschaft. Denn die „Aktionisten“ wollen den Inselbahnhof erhalten, auch um eine Überbauung des Inseldamms und weiterer Gleisanlagen zu verhindern. Die Parallelen zum derzeitigen Streit um die „Modernisierung des Gleisverkehrs“ in Stuttgart sind augenfällig. Hier wie dort soll für die vermeintliche Verkürzung der Reisezeit im Fernverkehr um nur wenige Minuten ein 100 Jahre alter Bahnhof geopfert werden und hier wie dort sind dafür Hunderte von Millionen Euro an Investitionssumme erforderlich, die anderswo fehlen werden. Aber hier wie dort scheinen Modernisierung und Zeitersparnis nur ein Scheinargument zu sein: „Hoteliers und Immobilienhaie stehen schon Schlange, um sich die Sahnestücke auf der Lindauer Insel unter den Nagel zu reißen“, meint Aktionssprecher Schweizer.
Ein Goldstück soll versilbert werden
Der Schulterschluss der Allgäuer Aktionsgemeinschaft mit den Stuttgarter „S21-Gegnern“ ist darum kein Zufall. Bereits 1997 schlossen sich die Lindauer dem „Stuttgart-21-Protest“ an, noch heute beteiligen sie sich an den Demonstrationen rund um den Stuttgarter Bahnhof (vergl. Seemoz v. 20.August). „Da soll ein Goldstück versilbert werden“, befürchtet auch Jakob Maria Soedher, namhafter Lindauer Krimiautor, nur um Geld in die Kasse des möglichen Börsen-Aspiranten Deutsche Bahn zu spülen.
195 Mio. Euro will die Deutsche Bahn ausgeben, um ein Teilstück der Strecke München-Lindau-Zürich zu elektrifizieren. Zusätzliche Millionen wären für den Umbau der Bahnhöfe in Türkheim und Kisslegg nötig. Und eben für die Verlegung des Lindauer Hauptbahnhofs von der Insel nach Lindau-Reutin. „Damit würde die Schiffsanbindung des Bahnverkehrs verloren gehen, damit würde die Lindauer Insel einen Großteil ihrer touristischen Attraktivität verlieren“, befürchtet Charly Schweizer. Noch mehr Neubauten, noch mehr Autos auf der Insel – das darf nicht nicht sein, sind sich die Grüne Liste Lindau, DGB, SPD, der Verkehrsclub Deutschland und Die Linke – sie alle unterstützen die Aktionsgemeinschaft – einig.
Doch die Kritiker der vermeintlichen Bahnmodernisierung belassen es nicht bei bloßem Nein-Sagen.Sie rechnen vor: Von den laut aktuellem Fahrplan täglich 109 in Lindau ankommenden und Lindau verlassenden Zügen sind jeweils vier EC-Züge (die also von der Elektrifizierung profitieren würden). Dies sind 3,7 Prozent des täglichen Zugaufkommens. In den zwei Wochen des Münchner Oktoberfestes darf es ein Zugpaar mehr sein, was dann einen Anteil von 4,6 Prozent ausmachen würde…Rund 73 Prozent der Lindauer „Allgäu-Züge“ würden von der Elektrifizierung nicht profitieren.
Es geht um die Verscherbelung von Grundstücken
Die Lindauer Initiative schlägt darum eine maßvolle Modernisierung des Inselbahnhofs vor und regt eine Erweiterung um eine S-Bahn-Linie an. „Das würde den Mehrheits-Interessen der Bahnkundschaft und der gesamten Region Allgäu entsprechen“, weiß Schweizer.
Er weiß aber auch: Noch ist der Kampf um den Inselbahnhof nicht gewonnen. Die Lust auf den Börsengang ist der Deutschen Bahn auch unter ihrem neuen Chef Dr.Grube nicht vergangen. Trotz aller Pannen und Imageschäden in jüngster Vergangenheit hält die Bahn an ihren Privatisierungsplänen, also: Börsengang, fest. Und dazu muss die Kasse klingeln. Die Verscherbelung der frei werdenden Grundstücke in Lindau und Stuttgart käme noch zur rechten Zeit. Doch der Widerstand bleibt aktiv. In Lindau, in Stuttgart und vielleicht auch anderswo.
Autor: H.-P. Koch