Landrat Hämmerle: „Es bleibt bei Gutscheinen für Lebensmittel“
50 protestierende Asylbewerber und 20 zusätzliche Demonstranten konnten in der gestrigen Kreistagssitzung den Landrat Hämmerle und seine Beamten nicht umstimmen: Es bleibt nach Hämmerles Aussage bei der erniedrigenden Gutschein-Praxis für Asylbewerber. „We want dignity“ („Würde wollen wir“) rief ein farbiger Flüchtling. Doch kein Kreistag-Parlamentarier mischte sich ein oder regte sich auch nur auf. Die vielfältigen Proteste der Öffentlichkeit scheinen die Gewählten nicht zu kümmern
Auch die aufrüttelnden Worte von Susanne Scheiter vom Aktionsbündnis Abschiebestopp an die Adresse von Frank Hämmerle („Haben Sie die Flüchtlinge angehört? Kennen Sie die Konstanzer Erklärung gegen Rassismus? Flucht aus der Heimat ist kein Vergnügen“) zeigten wenig Wirkung. Die Beamten und die Gewählten verharrten in ihrem Alltagsgeschäft: Welche Schlosser-Firma bekommt den Zuschlag beim Neubau des Radolfzeller Berufsschulzentrums – das schien wichtiger.
Selbst die eindringlichen Appelle der Asylbewerber verhallten ungehört. Eine farbige Deutsche, die seit 23 Jahren in Konstanz lebt, berichtete in perfektem Schriftdeutsch von den Problemen ihrer Eingliederung: „Helft den Kindern“, so ihr eindringlicher Warnruf – drei Flüchtlingskinder überreichten Landrat Hämmerle dann ein Transparent, das der sichtlich unbeholfen annahm. Als Gegengeschenk gab es drei Pralinen, die von der vorigen Lehrlingsbelobigung übrig geblieben waren.
In seiner Abschlusserklärung – zwischenzeitlich hatte er mehrfach versucht, die lästige Demonstration abzuwürgen – bemühte sich Frank Hämmerle, sich trotz seiner unsäglichen Gutschein-Regelung für den Lebensmitteleinkauf fortschrittlich zu geben: Ja, er sei für eine Verkürzung des Asylverfahrens, und nein, auch er sei gegen ein Arbeitsverbot für Asylbewerber. Nur – alle diese Vorschriften fallen nicht in seinen Verantwortungsbereich, da lässt sich fröhlich schwätzen. Was in seinen Verantwortungsbereich fällt, nämlich die Gutschein-Regelung, verwaltet er gewohnt rassistisch.
Autor: hpk
@frieda
es geht vielmehr darum, aller paar Jahre einen Wahlkampf mit Gegenkandidaten machen zu können, die das Programm und Verhalten des Landrates öffentlich diskutieren und kritisieren. Das macht jetzt, wo er hintenherum von Gremien und Verwaltung sein Amt bekommt keinen Sinn. Es geht um eine öffentliche Auseinandersetzung über Inhalte von Politik bevor der Landrat seine Macht bekommt. Natürlich ist Demokratie nicht dafür da, das Optimum zu erreichen, sondern Tyrranei von Einzelnen zu verhindern. Genau das haben wir aber jetzt. Überall diese kleinen Herrscher, die keinem Rechenschaft schuldig sind.
@Frank: Lassen Sie die Kirche im Dorf – die grün-rote Landesregierung gibt’s noch nicht sooo lange, dass sie alles hätte verändern können, was Ihnen oder mir grade nicht passt. Klar, vielleicht will sie auch nicht. Keine Ahnung – aber eines weiss ich sicher: Auch wenn Landräte direkt gewählt würden, wäre damit nicht sichergestellt, dass jene die Wahl gewinnen, die Sie oder ich gut finden würden. Ich wage zu behaupten, dass z.B. Hämmerle auch bei einer Volkswahl im Amt wäre (und die Wahlbeteiligung vermutlich ziemlich tief ausgefallen wäre). Auch in „echten Demokratien“ – Zitat „coocon“ – gibt es Gewinner und Verlierer. Oder wie sehen Sie so manches Ergebnis schweizerischer Volksabstimmungen?
„Alles eine grosse Täuschung“
Und Sie wollen mir sicher sagen, wer uns täuscht, oder?
Ich frage mich eher, warum man im schwarzen Bayern den Landrat direkt wählen kann und im grün-roten BWB nicht.
@Frank und zum Demokratieverdruss hierzulande
Lustig das manche immer noch Glauben Sie würden in einer echten Demokratie leben…
Alles eine grosse Täuschung, denn genau wie man den Kanzler in Deutschland nicht wählen kann, verhält es sich auch mit dem Amt des Präsidenten. Beide werden nicht vom Volk gewählt.
Wer er-wählt eigentlich einen Landrat in Baden-Württemberg, einen Schulrat, einen Polizeirat oder einen Museumsdirektor? Warum können diese ständischen Herren-Posten, die Reste des alten adlig-reaktionären Ständesystems nicht endlich durch das Volk ab-gewählt werden, wie in Amerika, und so wie es sich in einer Demokratie gehört? Warum müssen wir uns von diesem nicht gewählten Herren auf dem Kopf herumtanzen und gängeln lassen? Kein Wunder, dass diese Herren mit der Knute machen was sie wollen, wenn sie keinerlei Rechtfertigungszwang für ihre Herren-Entscheidungen haben. Demokratieverdruss hierzulande resultiert aus Demokratiemangel.