Rassismus und Menschenverachtung pur

Am Dienstag waren knapp 100 BürgerInnen in den Konstanzer Ratssaal gekommen, um sich über die neue Flüchtlingsunterkunft in der Luisenstraße informieren zu lassen. Eine übergroße Mehrheit der Anwesenden zeigte viel Verständnis für die neuen MitbürgerInnen und ist bereit, den Neuankömmlingen hilfreich unter die Arme zu greifen. Aber die anderen gibt es eben auch in unserer vordergründig so weltoffenen und liberalen Stadt

Souverän moderiert von Bürgermeister Osner: „Wir sind in der Pflicht, denn es geht um internationale Solidarität“, konnten sich alle Anwesenden einen Eindruck verschaffen, was in der Luisenstraße geplant ist. Auskünfte gab es zu noch offenen Fragen und es war beeindruckend, dass sich eine Mehrzahl der BesucherInnen solidarisch zeigte mit den Flüchtlingen, die aus unterschiedlichen Gründen notgedrungen ihre Heimat verlassen mussten und nun fast täglich in Konstanz landen. Ähnlich wie Osner äußerte sich Oberbürgermeister Uli Burchardt, der sich klar für den Standort Luisenstraße aussprach.

Gekommen waren aber auch AnwohnerInnen des Quartiers rund um die Luisenstraße, die schon im Vorfeld über einen Offenen Brief  Burchardt aufgefordert hatten, „die Entscheidung für das Asylbewerberwohnheim rückgängig zu machen“. Karin Schirmer, eine Art Sprecherin der „Betroffenen des Krankenhausquartiers“, verlangte dies auch bei dem Treffen im Ratssaal, aber erst gegen Ende der Veranstaltung. Vorab gab sie sich noch menschenfreundlich und verwies sinngemäß darauf, dass Sammelunterkünfte, in denen die Menschen zusammengepfercht würden, keine humanen Alternativen seien und Flüchtlinge ein Anrecht auf eine eigene Wohnung hätten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sogar Klatscher von der Initiative Abschiebestopp auf ihrer Seite.

Doch denen verging die Begeisterung über die angebliche Mitstreiterin schnell. Denn Schirmer ließ kurz darauf dann doch die Katze aus dem Sack und schleuderte dem anwesenden Oberbürgermeister entgegen: „Geht so eine Verwaltung mit den Ersparnissen ihrer Bürger um?“ Und sie wiederholte das, was auch in dem Offenen Brief steht, den sie mitinitiiert hat: „Unsere Immobilien drohen durch die Präsenz eines Asylbewerberwohnheims unverkäuflich zu werden“. Man muss also nicht Richtung Leipzig oder Magdeburg hören, um rassistische, fremdenfeindliche und menschenverachtende Thesen zu vernehmen. Das geht auch hier, mitten unter uns, deutlich und widerlich zugleich.

Man kann nur hoffen, dass Schirmer und ihresgleichen das Angebot von Burchardt annehmen, der ihr erklärt hat, beim beabsichtigten Verkauf ihres Wohneigentums mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Bei der ständigen Preissteigerung, so der Konstanzer Oberbürgermeister süffisant, dürften sich sicher schnell Käufer finden. Das glaube ich auch und drücke heftig die Daumen.

Autor: Holger Reile

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