Resolution für eine bessere Pflege

Neben den großen Brocken wie dem Nachtragshaushalt und dem Masterplan Mobilität stimmte der Konstanzer Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten auch über weniger spektakuläre Fragen ab, die etwa im kulturellen Bereich jedoch nicht ohne Belang sind. So lehnte der Rat eine Förderung des Theaters „Mephisto“ rundweg ab, während er sich einer Resolution für eine bessere Pflege anschloss und die Bebauung des Torhauses an der Reichenaustraße guthieß

2014 wird bekanntlich ein ganz besonderes Jahr: Konstanz mausert sich anlässlich des 600. Konziljubiläums zum Mittelpunkt der Christenheit, die in Scharen an den Bodensee strömen soll, um zu bejubeln, dass sie seit 1417 nur noch einen statt der damals üblichen bis zu drei Päpste hat.

Konstanz im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit

Dafür, dass dabei ganz weltlich auch die Kassen der Konstanzer Händler und Hoteliers klingeln und die für diesen geistlichen Anlass eingeplanten Millionen ganz irdischer öffentlicher Gelder möglichst werbewirksam verbraten werden, ist das stadteigene Unternehmen „Konzilstadt Konstanz“ unter Leitung von Ruth Bader verantwortlich. „Der Eigenbetrieb koordiniert die Planungen für das Jubiläum, schafft Verbindungen innerhalb von Konstanz, dem Bodenseeraum und ganz Europa und bereitet die Bürger Konstanz‘ und Europas schon im Vorfeld auf die Feierlichkeiten vor“, denn „das Konstanzer Konzil 1414-1418 war das Weltereignis des Mittelalters!“, wie es in der Selbstdarstellung in bestem Marketing-Neusprech heißt. Man hat sich die Latte also ziemlich hoch gelegt.

Der Jahresabschluss 2012 und Wirtschaftsplan 2014 der „Konzilstadt Konstanz“ wurde vom in Sachen Tourismus gemeinhin hoffnungstrunkenen Gemeinderat mit großer Mehrheit gutgeheißen, nur Holger Reile (Linke Liste) übte grundsätzliche Kritik an der Planung für dieses Großereignis. Er geißelte die einseitige Programmgestaltung, die auf Belanglosigkeiten und puren Unsinn setze und nur eine Minderheit bediene, während Nicht-Katholiken, Freidenker und andere Gruppen, die schließlich die breite Mehrheit der Bevölkerung stellen, unberücksichtigt blieben. Auch sei der der Kirche mühsam abgerungene und von dieser zudem aus Steuergeldern finanzierte Beitrag angesichts der Gesamtkosten von mindestens 12 Millionen Euro bestenfalls ein Nasenwasser. Er beklagte zudem, alle Vorschläge der Linken Liste für ein zeitgemäßeres, weltoffenes Programm seien unberücksichtigt geblieben.

Peter Müller-Neff (FGL) merkte ergänzend an, das geplante Videoprojekt „Your eyes on me“ sei überflüssig – das war es dann aber auch mit Kritik. Das Heulen und Zähneklappern dürfte erst im nächsten Jahr beginnen, falls sich das weitgehend einfallslos-konventionelle Programm als Rohrkrepierer erweisen sollte, das mitnichten die Augen der Welt auf Konstanz lenkt, sondern unter freiwilligem Selbstausschluss der Öffentlichkeit stattfindet.

Die Gemeinderätinnen und -räte sahen das aber in ihrer Mehrheit ganz anders und billigten den Jahresabschluss 2012 ebenso wie den Wirtschaftsplan 2014 gegen die beiden Nein-Stimmen der Linken Liste mit 32 Ja-Stimmen bei vier Enthaltungen.

Eine bessere Pflege

Auf dem undankbaren 28. Platz der Tagesordnung landete ein Antrag der Grünen, eine Resolution (voller Wortlaut hier) an den Deutschen Städtetag zu richten, er möge sich für eine bessere Ausstattung der kommunalen Krankenhäuser in Sachen Pflege einsetzen und eine gesetzliche Mindestpersonalbemessung fordern. Normen Küttner (FGL) begründete den Antrag mit dem massiven Fachkräftemangel im Pflegebereich und bezifferte den Mangel in der BRD mit umgerechnet 70.000 Vollzeitstellen. Er beklagte, dass diese Problematik immer nur unter dem Aspekt der Kosten gesehen werde, während es doch in Wirklichkeit um die mangelhafte Qualität der Pflege, die mangelhafte Personalausstattung und damit um die Vernachlässigung der Patienten gehe. Die Linke Vera Hemm stimmte ihm zu und verwies zudem auf den immensen Stress für das Pflegepersonal. Der Gemeinderat beschloss die Resolution nahezu einstimmig.

Viel Lärm um nichts

Eine trotz des Zeitdrucks erstaunlich ausgiebige Diskussion gab es um den Antrag des Theaters „Mephisto & Co.“, das gelegentlich vor einem exklusiven Publikum von 50 Zuchauern im exklusiven Schloss Seeheim Komödien aufführt und für die nächsten Jahre jeweils 25.000 Euro beantragte. Hier trafen erwartbare Argumente aufeinander. Während die einen wie etwa Heinrich Everke (FDP) argumentierten, angesichts der Millionen für Stadttheater und Rosgartenmuseum könne man auch einige zehntausend Euro für die freie Kultur investieren, fürchteten andere wie etwa Andreas Ellegast (CDU) oder Jürgen Puchta (SPD), das könne einen Präzedenzfall schaffen und bei so ziemlich jedem, der irgendwie kulturschaffend tätig sei, Appetit auf städtische Gelder wecken. Roland Wallisch (FGL) ergänzte die Argumente um den Hinweis, der Trägerverein von „Mephisto“ solle doch bitteschön erst mal Mitglieder gewinnen und eine Satzung auf die Beine stellen. Außerdem, so Jürgen Wiedemann (UFG) und Jürgen Puchta unisono, müsse der Gemeinderat erst mal Kriterien für die Förderung freier Kultur aufstellen, sonst könne ja jeder kommen.

Ein Teil des Streites ging darum, ob man dieses Theater wie beantragt über drei Jahre als Institution fördern oder nur einzelne seiner Projekte unterstützen wolle – bis jemand auf die Idee kam, einfach mal die Grundsatzfrage zur Abstimmung zu stellen: Wollen wir dieses Theater überhaupt fördern, egal ob als Institution oder projektweise? Und da sagte eine knappe Mehrheit nein. Ein Wunder ist dies nicht, denn ein Blick ins Internet etwa fördert kaum Aktivitäten von Mephisto & Co. zutage, und so haben sich die Theatermacher die Ablehnung des Gemeinderates auch selbst zuzuschreiben, weil sie sich nicht als zäh um die hehre Kunst und ihr Überleben kämpfende Theatermacher präsentieren. In der Tat bleibt nebulös, weshalb die Stadt eine Truppe finanzieren sollte, bei der es unter „Spielplan 2013“ heißt: „Derzeit befinden wir uns in einer kreativen Pause.“ Die freie Kultur hat es traditionell finanziell schwer, aber hier haben es sich einige Menschen bei ihrem Versuch, öffentliche Gelder zu akquirieren, deutlich zu einfach gemacht.

Torhaus wird bebaut

Um das Grundstück Torhaus/Stadt am Seerhein, das mit einem durchaus wuchtigen Hotel- und Bürokomplex bepflastert werden soll, so dass sich zusammen mit den Gebäuden am Seerhein eine echte Straßenschlucht bildet, gab es in den vergangenen Monaten heftige Diskussionen, und in der Bürgerfragestunde bekräftigte ein Interessenvertreter der Anwohner, dass „bei diesem Projekt nur der Investor profitieren, die Stadt aber Schaden nehmen wird“. Oberbürgermeister Uli Burchardt betonte den Standpunkt der Verwaltung: Laut Bebauungsplan dürfe dieses Grundstück bebaut werden, und die Verwaltung habe lange suchen müssen, um einen Investor zu finden. Jetzt den Verkauf des Grundstücks abzulehnen, wäre ein Vertrauensbruch, der sich auch auf künftige Verhandlungen mit anderen Interessenten schädlich auswirken dürfte. Die Rechtslage sei also klar.

In allen Fraktionen gab es Bauchgrimmen ob dieses Bauvorhabens, und selbst Betonkopf Peter Kossmehl (CDU) gab offenherzig zu, dass sogar ihn als im Baugewerbe Tätigen die Pläne abgeschreckt hätten. Aber er erachte die Glaubwürdigkeit der Stadt Konstanz als wichtiger als seinen ästhetischen Widerwillen und kündigte trotz aller Bedenken seine Zustimmung an, weil der Bebauungsplan dort einfach eine solche Bebauung erlaube. Ähnlich argumentierte auch Jürgen Faden (FWK), dem das Gebäude trotzdem zu groß ausgefallen ist. Typisch wieder einmal die Linie der Grünen: Peter Müller-Neff gab zu wissen, dass er dagegen sei, alles zuzubauen, während seine Fraktion in dieser Frage aber durchaus gespalten sei. Wie können Grüne, fragt sich der verwunderte Zuhörer, in der Frage, ob ein Stück Grünfläche von einem Profiteur zubetoniert werden soll oder nicht, gespalten sein? Hat ihnen wieder einmal jemand mit der Dachlatte gedroht?

Der Linke Holger Reile sah die Grundstücksvergabe grundsätzlich: Die Stadt habe die Wohnungs- und Baupolitik seit langem dem freien Markt überlassen, und das habe die Misere auf dem Wohnungsmarkt mit verursacht. Jetzt eine der letzten stadtnahen Grünflächen für Gewerbeimmobilien zu opfern, bei denen in Konstanz eh schon massenhafter Leerstand herrsche, mache nicht den geringsten Sinn. Vielmehr solle die Stadt, so seine radikale Forderung, öffentliche Grundstücke nicht mehr wahllos an Private verhökern. Mit 22 Ja- gegen 14 Nein-Stimmen wurde der Verkauf trotz seines Plädoyers beschlossen.

Wie das Gebäude dann am Ende tatsächlich aussehen wird, bleibt abzuwarten, denn auch der Gestaltungsbeirat hat ja noch ein Wörtchen mitzureden, und aus den Fraktionen tönte es wacker, man könne dem Investor ja einen Architekturwettbewerb nahelegen. Wacker gebrüllt, gemeinderätliche Blechbüchsensoldaten – aber der Löwe Investor brüllt tausendmal besser als ihr!

Autor: O. Pugliese