Mahnwache gegen den alltäglichen Rassismus
Am heutigen 7. Januar jährt sich der Todestag von Oury Jalloh. Er wurde am 7.1. 2005 in Dessau verhaftet – einen Tag später verbrannte er in seiner Zelle. Die antirassistische Initiative in Konstanz veranstaltet darum heute Abend eine Mahnwache auf der Marktstätte. Und will darauf hinweisen, dass es landauf, landab staatlichen Rassismus gibt, der sich nicht auf die neuen Bundesländer beschränkt, sondern tagtäglich Praxis in eigentlich jeder Ausländerbehörde ist – auch am Bodensee, auch in Konstanz
Die Polizei, „dein Freund und Helfer“, würde niemals ungestraft foltern und morden – glaubt man, wenn man nicht so genau hinschaut. Zahlreiche Fälle, z.B. die von Christy Schwundeck, Maryama Sarr, Halim Dener, Zdravko Nikolov Dimitrov, Dominique Kouamadio und viele, viele mehr belegen das Gegenteil. Bundesweit steht die Justiz oftmals ratlos daneben, kann, darf oder will den Polizeiapparat und jene Beamte nicht zur Rechenschaft ziehen.
7. Januar 2005: Oury Jalloh – das war Mord
Ein besonders brisanter Fall ist der des Oury Jalloh, der am 07.01.2005 in Dessau verhaftet wird, nachdem er stark alkoholisiert zwei Passantinnen fragt, ob er ihr Handy benutzen könne. Diese fühlen sich belästigt und rufen die Polizei.
An Hand- und Fußfesseln fixiert, verbrennt Oury einen Tag später in seiner Zelle in einer Polizeiwache in Dessau. Absurde Selbstmordtheorien über ein Feuerzeug in seiner Hosentasche und das mutwillige Entflammen der feuerfesten Matratze, auf der er gefesselt war, wurden zum Gegenstand der staatsanwaltlichen Ermittlungen, die verantwortlichen Polizeibeamte zunächst wegen einer Art unterlassener Hilfeleistung vor Gericht gebracht. Fremdverschulden wurde kategorisch ausgeschlossen. Ein Brandgutachten einer Oury-Jalloh-Solidaritätsinitiative ergab kürzlich, dass angenommen werden muss, dass einige Liter Brandbeschleuniger benutzt wurden, um Oury Jalloh lebendig zu verbrennen.
Trotz dieser neuen Erkenntnisse lehnt es Oberstaatsanwalt Christian Preissner ab, Abbrandversuche mit und ohne Brandbeschleuniger zur Rekonstruktion des Falles vorzunehmen. Offensichtlich für uns. Am selben Tag wie Oury Jalloh in Dessau, stirbt auch Laye Condé an der Zwangsverabreichung von Brechmittel durch die Polizei in Bremen zehn Tage zuvor.
Rassismus als Normalität – auch in Konstanz
Staatlicher Rassismus betrifft allerdings nicht nur Mordopfer wie Oury Jalloh, er ist alltäglich, ob in Ausländerbehörden oder durch diskriminierende Praxis gegenüber Asylbewerber_innen. Dass Landrat Frank Hämmerle (CDU) weiter am Gutschein-System festhält, der Asylbewerber_innen von der freien Warenwahl beim Einkauf abhält, ist eben auch nichts weiteres als schnöder, obrigkeitsstaatlicher Rassismus – wenn auch er natürlich mit Mord nicht gleichgesetzt werden kann. Viel schlimmer ist allerdings, dass seine Kollegen von der bayrischen Schwesterpartei CSU mit dem Slogan „wer betrügt, der fliegt“ bei rassistisch gesinnten Menschen auf Stimmfang gehen und obendrein braunen Mob zur Gewalt gegen vermeintlich andere ermutigt. Sie sagen, das ist kein Rassismus? Nun, Menschen aufgrund ihres Passes, den Zufall ihrer Geburt und der gesellschaftlichen Prägung anders als „Deutsche“ zu bewerten, ist Rassismus. Alle Menschen sind vor dem Gesetz eben nur dann gleich, wenn die Papiere stimmen.
Dabei wäre ein Umdenken nötig: Die NSU-Mordprozesse dauern an und die Landesregierung in Baden-Württemberg verhindert weiter die Einrichtung eines dringend notwendigen Untersuchungsausschusses. Die Alternative für Deutschland (AfD) geriert sich als Sammelbecken für rechtskonservative Rassist_innen und Thilo-Sarrazin-Fans. Antisemitismus, Islamophobie und Antiziganismus sind an Stammtischen längst alltagstauglich und was den Bodensee betrifft: EADS verdient an der rassistischen Mittelmeer-Grenzüberwachung Frontex munter mit, während das Verhalten des Konstanzer Landrats Hämmerle Wasser auf die Mühlen von Leuten ist, die ihr „deutsches Weltbild“ bestätigt haben wollen.
Rassismus ist überall und muss überall bekämpft werden, ob in Bremen, Dessau, Bayern oder am Bodensee, ob im Staat oder der Gesellschaft. Es geht nicht nur darum, ein Zeichen zu setzen. Es geht darum, die Situation zu verbessern, eine Welt zu schaffen, in der Menschen wie Menschen behandelt werden – überall und jederzeit.
Autor: R.Fechner
Veranstaltung und Mahnwache: 7.1.; 17.30 Uhr; Markstätte Konstanz