Weltbild-Insolvenz: Ein Akt von schnödem Kirchen-Kapitalismus
Ist Weltbild bald verschwunden? Der katholisch geführte Weltbild-Verlag musste in diesem Monat Insolvenz anmelden. Wird hier das wahre Gesicht der Institution Kirche sichtbar, dass sie auch nur ein übl(ich)er Kapitalist ist, der seine (goldenen) Schäfchen ins Trockene bringen will, dabei aber seine angeblich zu „hütenden“ Schäfchen ohne Rührung in den Abgrund stürzen lässt?
Die Weltbild-Verlagsgruppe hatte Insolvenz angemeldet, nachdem die Gesellschafter – derzeit zwölf deutsche Bistümer:
Erzdiözese München und Freising (13,2 Prozent Anteil),
Diözese Augsburg (11,7 Prozent),
Diözese Fulda (6,8 Prozent),
die Diözesen Passau, Regensburg, Würzburg und Bamberg (je 5,7 Prozent),
Diözesen Trier und Aachen (je 4,3 bzw. 4,2 Prozent),
Diözese Eichstätt (3,4 Prozent),
Erzdiözese Freiburg (2,7 Prozent),
Diözese Münster (2,4 Prozent),
der Verband der deutschen Diözesen, darunter Diözese Köln (24,2 Prozent)
und die Soldatenseelsorge Berlin (4,3 Prozent) –
am Donnerstag, dem 9.1.2014, weitere Zuschüsse in Höhe von ca. 130 Millionen Euro zur Sanierung des Unternehmens abgelehnt hatten.
Die unübersichtliche Eigentümerstruktur, Uneinigkeit in der Führungsstruktur und drastischer Rückgang der Einnahmen seit dem zweiten Halbjahr 2013 sind die äußeren Ursachen des Untergangs. Bei angeblich 190 Millionen Euro Schulden haben die verantwortlichen Gottesmänner wohl doch den Glauben an ihr kirchliches Medienhaus verloren und haben schlichtweg weitere Geldmittel verweigert.
Unter dem Dach der Deutschen Buch Handels GmbH & Co. KG (DBH), die Weltbild gemeinsam mit Hugendubel betreibt, sind die Buchhandlungen der Marken Hugendubel, Weiland, WeltbildPlus, Jokers und Wohlthat gebündelt. Im Sommer 2013 wurden 50 Prozent der Anteile am Droemer-Knaur-Verlag an die Stuttgarter Holtzbrinck-Gruppe veräußert. Weltbild sieht sich nach eigenen Angaben als „Medien- und Versandunternehmen, das sich in seiner gesamten Geschäftstätigkeit nach christlichen Grundsätzen richtet.“
Christliche Grundsätze?
Doch wo sind die geblieben? Wenn man sich nur die letzten Jahre bei Weltbild anschaut, ist da nichts zu sehen von „christlicher Nächstenliebe“, „Sorge um den Nächsten“ oder welche sonstigen Werte von der katholischen Kirche als christlich angesehen werden.
Bereits 2009 wurden massive „Umstrukturierungsmaßnahmen“ aktiviert, um Personalkosten zu sparen. Allerdings bezog sich das Umstrukturieren nur auf Stellenreduzierung. Begonnen wurde mit der Stellenstreichungen bei Weltbild plus. In diesem Unternehmensbereich gab es keinerlei Betriebsräte und so konnten die 322 Stellenstreichungen und damit verbundene Stundenreduzierungen nahezu geräuschlos und schnell durchgezogen werden. Die Verwaltungen von bis dato „selbständigen“ Buchhandlungen wurden in die Zentrale verlagert und Mitarbeiter bei Buch Habel, Hugendubel und Wohlthat bundesweit, meist ohne Aufsehen in der Öffentlichkeit, reihenweise entlassen, darunter auch die Filiale in der Konstanzer Rosgartenstraße.
Auch in den darauffolgenden Jahren wurden unter dem Vorwand der Kostenminimierung und Umstrukturierung zu Discounterähnlichen Läden Mitarbeiter entlassen. „Alleinunterhalter“ auf 100 qm Ladenfläche sind keine Seltenheit mehr, und die Mitarbeiter haben keinerlei Möglichkeiten, Urlaubs- und Krankheitsbedingte Ausfallzeiten wirksam abzusichern. Es ging um Umsatz auf „Teufel komm raus“ zu Lasten des Personals. Sozialtarifvertrag? Fehlanzeige!
Von der derzeitigen Insolvenz sind unmittelbar die 2200 Mitarbeiter der Augsburger Konzernzentrale betroffen, wobei die Auswirkungen auf die übrigen etwa 4600 Angestellten in den Filialen, die zum Buchhändler Hugendubel gehören, nicht absehbar sind.
Zur Geschichte
1948 haben Joseph Hall und das Katholische Männerwerk Fulda in der Augsburger Dompropstei die Winfried-Werk GmbH gegründet. Es erschien neben wenigen Buchtiteln das katholische Magazin „Mann in der Zeit“, welches 20 Jahre später in „Weltbild“ umbenannt wurde. Anfang der 1970er Jahre wurde die Bücherdienst GmbH ins Leben gerufen, die Katalogbestellungen ermöglichte. Bereits 1987 breitete sich das Unternehmen auch über die Landesgrenzen im deutschsprachigen Raum aus, kaufte Buchtitel, Zeitschriften und Verlage auf und wurde endgültig zur Weltbild GmbH. Auch online baute Weltbild sein Geschäftsfeld mit jokers, booxtra und bücher.de aus.
Die Teilfusion mit der Holtzbrinck-Gruppe lässt die Verlagsgruppe Droemer-Knaur entstehen, zu der heute der Aschaffenburger Pattloch Verlag gehört, der ursprünglich von Weltbild gekauft wurde. Das Unternehmen ist auf dem Buchmarkt mit rund 400 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, dem Onlineshop weltbild.de und im Katalogversandhandel tätig.
Doch das reichte nicht – das große Geld auf dem internationalen Markt lockte. So werden ab 2001 mehrere Unternehmen dazugekauft – Spiel- und Lernprodukte unter dem Markennamen „kidoh“, Einstieg beim niederländischen Online-Shop bol.com., Fusion mit Hugendubel im Jahr 2006 (unter neuem Namen DBH Buch Handel) und Übernahme des Buchgeschäftes bei Karstadt im Jahr 2008.
Das Sortiment des Verlags hat keine klare Struktur mehr, das Produktsammelsurium reicht vom Werkzeugkoffer über Haushaltwaren, Spielwaren und Unterwäsche bis zum gemeinsam mit der Telekom entwickelten und mit den Buchhändlern Thalia und Club Bertelsmann vertriebenen E-Reader Tolino. Die Eigentümer sind über die Geschäftsfelder zerstritten und konnten sich bis heute nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen.
Erste Zweifel
Bereits seit 2008 sollte ein Umbau des Verlages grundsätzlicher Natur erfolgen, damit man auf dem Markt konkurrenzfähig bleiben kann. Der aufkeimende Skandal wegen des Vertriebs von Erotik- und Esoterik-Titeln wirft Fragen auf. Was in einem „normalen“ Verlagsgeschäft zu keinerlei Diskussion führen würde, ist aber angesichts der katholischen Eigentümer, die von ihren Kanzeln genau dagegen wettern, eine Unvereinbarkeit, zumindest seit es öffentlich bekannt wurde. Die Bischöfe wollen oder müssen sich aus dem Geschäft zurückziehen. Erste Intentionen zu einem Verkauf des Verlages werden laut.
Die einsetzende Finanzkrise ab 2009 lässt eine Überprüfung der Geschäftsfelder im Sande verlaufen, da das Geschäft nach außen hin anscheinend problemlos weiter läuft. Die kurzsichtigen Maßnahmen zur Kostenreduzierung mittels Personalabbau ließen den Geldfluss nicht abreißen. Die kirchlichen Eigentümer hatten offensichtlich bereits hier den Überblick über ihren Konzern verloren, waren nicht mehr Herr des Geschäftes. Da der Gewinn erst mal „gesichert“ war und tiefgreifende, notwendige Änderungen und Korrekturen bei diesem verzweigten, undurchsichtigen Eigentümerverhältnissen mühsam und zeitraubend sind, lässt man grundsätzliche Änderungen sein.
Der zweitgrößte deutsche Buchhändler leidet bereits zu dieser Zeit unter der Konkurrenz des Internethändlers Amazon und gerät massiv in finanzielle Schwierigkeiten, auch weil sich die Bistümer nicht über einen Ausstieg aus der Verlagsgruppe oder eine neue Struktur einigen können.
Erst am 26.06.2012 war der Entschluss gefallen, die Anteile der Gesellschafter in eine kirchliche Stiftung zu überführen. Dieses Vorhaben wurde jedoch wegen Uneinigkeit der Eigentümer nicht verwirklicht. Die Diözesen Köln, Trier, Aachen und Münster wollten plötzlich diesen Beschluss nicht mehr mittragen. Als die FAZ am 9.9.2013 über erste Gerüchte zu einer möglichen Weltbildpleite veröffentlichte, hatten die Bistümer Bamberg und Würzburg nichts Eiligeres zu tun, als im Oktober aus der Verlagsgruppe auszuscheiden, auch wenn noch heftig dementiert wurde.
Die Katholische Kirche weist natürlich jegliche Kritik an ihrem Umgang mit dem angeschlagenen Weltbild-Verlag zurück, besonders den Vorwurf, die Insolvenz fahrlässig verursacht zu haben. Aber natürlich ist es fahrlässig, sich nur um die Gewinne zu kümmern und nicht zu sehen, dass man einen bereits vor Jahren notwendigen Umbau des Verlages mit Anpassung an neue Marktbedingungen tatenlos „verbummelt“ hat. Offensichtlich sind Bischöfe keine guten Unternehmer.
„Wir sind kein skrupelloser Unternehmer“
Mit der Schaffung einer Stiftung und damit einer übersichtlichen Gesellschafterstruktur sowie Einsetzung von professionellen, externen Verantwortlichen, sollte der Untergang aufgehalten werden. Doch dazu war es zu spät. Mangelnde Entscheidungsfähigkeit und langwierige Verhandlungen ließen den Verlag schnell in den Abgrund rauschen. Da nützt auch die Beteuerung des Münchner Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx, nichts, wenn er behauptet: „Wir konnten es als Gesellschafter nicht verantworten, auf absehbare Zeit dreistellige Millionensummen aus Kirchensteuermitteln zu investieren.“ Natürlich nicht! Steuermittel sollten hier überhaupt nicht ins Feld geführt werden. Wieder einmal nach dem Motto, welches bereits die Banker vor Jahren praktizierten: Gewinne gehören uns, Verluste hat gefälligst der Steuerzahler zu tragen!
Handeln wäre vorher notwendig gewesen. Marx kündigte zwar umfangreiche Hilfen für die Mitarbeiter an: „Wir sind kein skrupelloser Unternehmer, der die Mitarbeiter einfach davonjagt.“ Jedoch ist das nur Fassadenmalerei, denn die Hilfen sind nur zeitlich beschränkt. Spätestens nach einem Vierteljahr ist alles vorbei. Angeblich hätte die Kirche „in den letzten Jahren jeden Euro Gewinn in das Unternehmen reinvestiert“ und „die Gesellschafter [hätten] immer wieder zusätzlich Geld zur Verfügung gestellt“.
Das mag für die letzten Jahre, als die Krise bereits sichtbar und unaufhörlich am Konzern zu nagen begann, richtig sein, jedoch sind existentielle Entscheidungen für eine Komplettsanierung, die bereits vor Jahren notwendig gewesen wäre, nicht gefallen. Da hätte man richtig investieren müssen und nicht nur den immer spärlicher fließenden Gewinn.
Gewerkschaften wollen kämpfen
Die Kritik der Gewerkschaft Ver.di an der Kirche, sie habe jahrelang gut an dem Verlag verdient und lasse ihn nun fallen, hat somit seine Berechtigung, auch wenn dies Kardinal Marx nicht hören will und sich heftig dagegen wehrt. Ver.di attackiert die Kirche vehement, indem sie ihr vorwirft, „jahrelang die Gewinne abgeschöpft zu haben, um Prunkbauten zu finanzieren“.
Die Entscheidung der Eigentümer zeigt sehr deutlich, dass sich die Kirche der Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern von Weltbild nicht stellen will und den Arbeitsplatzverlust in Kauf nimmt, obwohl es ein sanierungsfähiges Unternehmen sein könnte. Die Gewerkschaft bezeichnet dieses Verhalten als skandalös und widerwärtig.
Jetzt, wo es darum geht, mal Geld in die Hand zu nehmen und etwas zurückzugeben, um den Verlag und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu retten, lässt die Kirche das Unternehmen wie eine heiße Kartoffel fallen. Sie praktiziert und demonstriert hier Kapitalismus in seiner ureigensten, menschenverachtenden Form. Die Summe von angeblich bis zu 160 Millionen Euro, die der Aufsichtsrat jetzt für die Sanierung in den kommenden Jahren benannt hat, wäre sicherlich von den 14 Gesellschaftern aufzubringen gewesen, wenn man bedenkt, dass allein ein Bischofssitz 31 Mio. (möglicherweise bis zu 40 Mio.) Euro kostet.
Interne Machtkämpfe
Doch scheint hier noch ein anderer Hinderungsgrund zu existieren, der die Insolvenz nicht aufhält. Interne Kreise vermuten, dass die Pleite auch kirchenpolitische Gründen haben könnte. Die Differenzen zwischen den kirchlichen Gesellschaftern sind so unüberbrückbar, dass möglicherweise konservative Kirchenkreise bewusst die Zerschlagung des kirchlichen Konzerns wegen der einstigen Erotikangebote forciert haben.
Möglicherweise sei die Debatte um Weltbild auch Ausdruck eines Kampfes innerhalb der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Im März 2014 soll der Nachfolger für den jetzigen DBK-Vorsitzenden Robert Zollitsch gewählt werden. Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx ist dabei neben dem Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki der aussichtsreichste Kandidat. Er sieht sich als ausgewiesenen Experten der katholischen Soziallehre und hat in seinem Buch „Das Kapital“ vor der Zügellosigkeit der Märkte gewarnt. Im Dezember noch hat er sich für den unbedingten Erhalt von Weltbild ausgesprochen. Ist ihm jetzt wieder mal das Hemd näher als die Hose, wenn er den Insolvenzantrag mitträgt, um eventuell seine Nachfolgepläne bei der DBK nicht zu gefährden?
Gewerkschaft und Betriebsrat kämpfen um den Verlag und haben kein Verständnis dafür, dass es für die Verlagsgruppe mit einem Jahresumsatz von zuletzt fast 1,6 Milliarden Euro keinen anderen Ausweg als die Insolvenz geben sollte, zumal es einen von den Banken akzeptierten Sanierungsplan gebe.
Hilfe von außen?
Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) lehnt jegliche Pläne, mit Steuergeldern den Verlag retten zu wollen, strikt ab. In erster Linie seien hier die Konzerninhaber gefragt. Die Kirche sei hier als besonderer Arbeitgeber in der Pflicht, sich der Verantwortung zu stellen.
Noch am Vortag hatte Regierungschef Horst Seehofer von Regierungshilfen gesprochen, die von Bürgschaften bis zu Überbrückungen möglich seien. Davon ist nun keine Rede mehr. Die Mehrheit der Minister appellieren an das Verantwortungsbewusstsein der Katholischen Kirche für Hilfe und Unterstützung der betroffenen Arbeitnehmer und ihrer Familien zu sorgen.
Autorin: Elke Schäfer/hpd