Es wächst und wächst und wächst
Der Konstanzer Gemeinderat debattierte in seiner gestrigen Sitzung eine Bevölkerungs-Vorausrechnung bis 2030, deren Ergebnis kaum überraschend kam: Konstanz ist in den letzten Jahren massiv gewachsen und wird aller Voraussicht nach in den nächsten 20 Jahren auch weiter wachsen. Damit dabei der Anschluss an die Welt nicht verlorengeht, könnte es zudem bald kostenloses WLAN an den wichtigsten Punkten der Stadt geben.
Hand aufs Herz – bei Prognosen denkt man schnell an pure Kaffeesatzleserei, und betrachtet man etwa das höchst erfreuliche Abschneiden der FDP bei der letzten Bundestagswahl, so findet man sich in seinem Misstrauen gegenüber der prognostizierenden Zunft schnell bestätigt. Wahrscheinlich misstraut man den Prognosen aber so manches Mal zu Unrecht, denn die 2008 getroffenen Vorhersagen von Dipl. Geogr. Tilman Häusser zur Konstanzer Bevölkerungsentwicklung scheinen in den letzten Jahren überraschend genau eingetreten zu sein. Allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme bei der jüngeren Bevölkerung, denn die Einführung von G8 mit dem doppelten Abiturientenjahrgang hat der Stadt Konstanz einen von Häusser damals nicht prognostizierten Boom im Alterssegment der Studentinnen und Studenten beschert.
In Zukunft älter und alleiniger
Aufgrund dieser Genauigkeit in der Vergangenheit haben die Prognosen von Häusser natürlich erhebliches Gewicht und dürften den Gemeinderätinnen und -räten bei ihren Entscheidungen nicht nur in Sachen Wohnungsbau, sondern auch hinsichtlich der Infrastruktur vom Verkehr bis hin zum Schul- und Kindergartenbau in den nächsten Jahren als wichtige Entscheidungshilfe dienen. Knapp zusammengefasst: Konstanz wird bis 2030 wachsen, der Anteil älterer Menschen nimmt zu, und die Tendenz geht noch stärker hin zu kleineren Haushalten mit ein oder zwei Personen. Gleichzeitig ist die bewohnte Fläche pro Kopf in den letzten Jahrzehnten massiv größer geworden und beträgt derzeit 43 Quadratmeter, Tendenz steigend.
Dass es sich dabei nur um Durchschnittswerte handelt und die weniger Betuchten samt ihrem Nachwuchs erheblich beengter leben müssen, das gibt eine solche Statistik nicht her, ist aber die logische Folge einer Marktwirtschaft, auch wenn sie sich sozial nennt. Selbst Roger Tscheulin (CDU) entwarf angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen ein finsteres Gemälde vom erbitterten Kampf um Wohnraum zwischen denen, die ihn haben, und denen, die sich dann bald in Konstanz kein Dach über dem Kopfe mehr leisten können, wenn nicht endlich gebaut wird. Dass der Anteil älterer Menschen und der Kleinhaushalte sowie die Gesamteinwohnerzahl zunimmt, hat für Konstanz einige Folgen, die die Politik bewältigen muss. Konstanz ist in der komfortablen Lage, dass sich seine Investitionen von heute als echte Zukunftsinvestitionen erweisen werden. Viele Kommunen werden in den nächsten Jahrzehnten so stark schrumpfen, dass sie Kindergärten, Schwimmbäder, Schulen und sonstige Freizeiteinrichtungen schließen müssen. In Konstanz hingegen werden diese Institutionen auch im nächsten Jahrzehnt noch mindestens im jetzigen Umfang benötigt oder müssen gar noch ausgebaut werden. Gemeinderatsveteran Herbert Weber (SPD) sieht deshalb eine hohe Einwohnerzahl als notwendig an: Ohne sie sei die für eine Stadt dieser Größenordnung einmalige Infrastruktur etwa mit Orchester und Stadttheater nicht zu halten.
Muss Wachstum sein?
Nur wenige Stimmen wagten die Frage zu stellen, ob man ein solches Bevölkerungswachstum, das von den meisten Gemeinderätinnen und -räten als naturwüchsig vorausgesetzt wird, denn überhaupt wolle. Anne Mühlhäußer (FGL) etwa äußerte sich in diesem Sinne. Denn die Stadt kann, und da stimmte ihr Tilmann Häusser zu, ihre Größe natürlich auch selbst beeinflussen. Entsteht kein zusätzlicher Wohnraum, wird es auch keine zusätzlichen Einwohner geben.
Reichlich weltfremd erschien die Frage von Roland Wallisch (FGL), ob es Erkenntnisse darüber gebe, dass sich die studentische Wohnungsnot durch die Aufforderung an ältere Menschen mit einer größeren Wohnung, eine Studentin oder einen Studenten aufzunehmen, lindern lasse. Tilmann Häusser konnte ihm da wenig Hoffnung machen – die Zeiten der Zimmerwirtin, die sich mit der Untervermietung eines Raumes ein schmales Zubrot verdient und sich über „ihren“ Studenten im Hause freut, weil sie dann nicht so allein ist, sind vorbei. Und so wird sich denn der Gemeinderat endlich zu handfesteren Schritten in der Wohnungspolitik bequemen müssen als zu Appellen an die Gutherzigkeit von Vermietern.
Wer braucht eigentlich die GEWA?
Die Stadt Kreuzlingen und die Genossenschaft GEWA Kreuzlingen haben angefragt, ob denn Konstanz auch im Jahre 2015 wieder an der GEWA teilnehmen wolle. Natürlich will sie, denn Gemeinderätinnen und -räte können zu grenzübergreifenden Aktivitäten einfach nicht nein sagen. Es geht aber mittlerweile so manchem Volksvertreter ein Licht auf, dass bei den bisherigen Gewerbeausstellungen ziemlich viel Geld für wenig öffentliches Interesse verbrannt wurde, so sehr Wirtschaftsförderer Friedhelm Schaal die Ausstellung auch schönzureden versuchte. Jürgen Puchta (SPD) kritisierte, dass von deutscher Seite vor allem die Stadt und die stadteigenen oder -nahen Betriebe auf der GEWA ausstellen und sie bezahlen, während „die Wirtschaft“ wenig Interesse zeige. Roger Tscheulin (CDU), das Ohr stets am Puls des Mittelstandes, forderte ein neues Konzept für die Ausstellung, um sie auch für das örtliche Handwerk attraktiv zu machen. Auf die Frage von Herbert Weber (SPD), was denn nicht nur die Stadt, sondern vor allem die städtischen Betriebe in der Vergangenheit für die GEWA hingeblättert hätten, gab es am Ende keine Antwort. Es dürfte sich also um ein hübsches Sümmchen handeln, über das man vermutlich auch in Zukunft nur ungern öffentlich sprechen wird. Aber da es um die Völkerverständigung geht, stimmte der Gemeinderat geschlossen zu – mit einer Ausnahme, denn Holger Reile (LLK) enthielt sich der Stimme.
Konstanz und die Welt
Venedig hat es getan, Pforzheim auch. Ein Hauch von ganz großer Welt durchwehte daher den Ratssaal, als Bernd Sonneck (SPD) den Antrag der SPD für ein kostenloses WLAN auf den Konstanzer Freiflächen vorstellte. Danach soll die Stadt gemeinsam mit einem externen Betreiber und eventuell mit einem Trägerverein, dem auch die „freie“ Wirtschaft angehört, ein stadtweites Netz für die Freiflächen errichten, das für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos zu benutzen ist und nach den Vorstellungen der SPD auch werbefinanziert sein dürfte. Ausgangspunkt könnte danach die Innenstadt mit dem Bereich Bahnhof/Marktstätte sein, der Zähringerplatz könnte als nächstes folgen. Heinrich Everke (FDP) erklärte, er sei richtig sauer über diesen Vorschlag, weil diese Idee nicht ihm selbst gekommen sei, und auch aus der CDU signalisierte man begeisterte Zustimmung, zumal die Strahlung eines solchen Netzes, so Jürgen Ruff (SPD), um ein Vielfaches geringer als die von Mobilfunkverbindungen sei. Holger Reile (LLK) allerdings konnte die schrankenlose Begeisterung nicht teilen, sondern forderte, Datenschutzbelange bei einem solchen Vorhaben ernst zu nehmen, „wir dürfen nicht aus Euphorie einem Datenkraken aufsitzen.“
In der Tat, wenn man daran denkt, wie weit Facebook, Google und deren kleiner Bruder, die NSA, bereits heute in unser Privatleben eingedrungen sind, kann man sich unschwer auch einige düstere Gedanken über öffentliches WLAN machen. Der Gemeinderat beauftragte die Verwaltung jedenfalls, die Sache weiterzuverfolgen.
Der Gemeinderat als Podcast
Ganz groß geschrieben wurde der Datenschutz hingegen in einem anderen Punkt: Die Zuschauerbänke im Ratssaal waren durch Markierungen auf dem Boden abgesperrt, entsprechende Warnschilder platziert und Kameras aufgestellt worden. Konstanz testete mal wieder den ultimativen Ernstfall der medialen Bürgerbeteiligung. Diese Gemeinderatssitzung wurde gefilmt und wird zu einem Podcast aufbereitet, der dann bereits in den nächsten Tagen zu sehen ist. Mit einer Einschränkung: Nicht die Bevölkerung kriegt diesen Podcast zu sehen, sondern ausschließlich der Datenschutzbeauftragte. Aber wenn der zufrieden ist, soll es ab Februar die Konstanzer Gemeinderatssitzungen ab dem Folgetag als Podcast für alle im Internet geben. Endlich mal eine echte Alternative zu „Tatort“, „DSDS“ und „Dschungelcamp“.
Autor: O. Pugliese
der Wahnsinn hat einen Namen – Landplage Wlan
http://www.buergerwelle.de/assets/files/Sonderdruck_Landplage%20WLAN_2-2013.pdf
dümmer geht’s nicht mehr – jedenfalls werden es die Wlan-Nutzer auf Dauer !
und der Oberbürgermeister weiss dazu bestens Bescheid
http://www.maes.de/9%20WLAN/maes.de%20ZITATE%20WLAN.PDF
Das ist doch cool: Alleinstehende tauschen ihre große billige 4-Zimmer-Wohnung gegen ein kleines, dafür aber extrem teures 1-Zimmer-Appartement….
Weltfremd, Herr Wallisch. Wunschdenken. Jeder von uns kennt Alleinstehende, die in großen Wohnungen leben, aber nicht bereit sind Mitbewohner zu akzeptieren. Das sind keine Einzelfälle. Wenn ältere Menschen aus großen Wohnungen Hilfe brauchen, fordern sie externe Hilfe an oder gehen in eine Seniorenresidenz. Meist leben ältere Menschen noch mit Mieten aus früheren Jahren oder in Wohnungen, die ihr Eigentum sind.
Roland Wallisch hat recht, ich bitte um Entschuldigung für diesen Fehler.
Irrtum, Herr Kollege, die Frage, ob ältere Menschen nicht Studenten aufnehmen können, habe ich nicht gestellt. Und hätte ich sie gestellt, wäre das auch gar nicht so weltfremd gewesen. Schließlich gibt’s das ja schon in Form des Projekts „Wohnen für Hilfe“.
Vielmehr hat mich interessiert, ob Herr Häusser aus anderen Städten Möglichkeiten kennt, eine Art Wohnungstauschbörse zu organisieren, so dass Alleinstehende ihre vielleicht sehr große Wohnung gegen eine kleinere eintauschen könnten.