Wenn König Salomon heilt

Man muss sich zunehmend wundern, was täglich in der hiesigen Tageszeitung steht. Ein besonders eklatanter Verstoss gegen alle journalistischen Sorgfaltspflichten war neulich im Südkurier nachzulesen. Werbung pur für einen angeblichen Wunderheiler

Redakteur Jürgen Müller fühlte sich berufen, über Alternativen im Gesundheitsbereich zu schreiben. Da sollte es schon eine extravagante Geschichte sein, dachte sich der Mann und begab sich auf die Suche. Wie gerufen kam ihm da wohl die wundersame Wandlung eines Allgemeinmediziners aus Bräunlingen auf der Baar zu Gehör. Jener betreibt seit einiger Zeit eine Praxis, die er „Healingpoint“ nennt und gab gegenüber dem Redakteur Müller an, „ Hightech-Medizin mit neuen wie bewährten naturkundlichen Heilmethoden“ zu kombinieren. Da erkannte der Schreiber seine Chance und strickte mit erschreckend-naiver Nadel eine abenteuerliche Story.

Wie ein roter Faden zieht sich eine Person durch den Text, die sich im verworrenen Dickicht der Gesundbeter und Scharlatane eine führende Position erobert hat: Joao de Deus.

Für den „nach allen Seiten offenen Allgemeinmediziner“, so Müller, sei der Brasilianer de Deus, der sich von seinen Anhängern auch John of God nennen lässt, eine Alternative zur Schulmedizin. Eine schwere Erkrankung seiner Tochter habe den Arzt aus Bräunlingen zu dem Wunderheiler gebracht, verrät Müller den Lesern. Seitdem arbeite der Mediziner auch mit feinstofflicher Lichtenergie, energetisierten Kristallen, lebendigem Wasser und anderen Praktiken aus der esoterischen Wundertüte. Außerdem organisiere er für seine Patienten spirituelle Reisen ins Zentrum des Wunderheilers und bezeichne sich mittlerweile selbst als Medium von de Deus.

Spätestens an dieser Stelle klingeln bei halbwegs kritischen Journalisten die Alarmglocken. Nicht so bei Jürgen Müller. Sein Text könnte auch auf der Homepage des angeblichen Heilers stehen, mehr Werbung geht kaum. Dabei hätte ein wenig Recherche durchaus zu Erkenntnisgewinn führen können. Joao de Deus behauptet, in ihm geisterten „über 30 inkorporierte Wesenheiten“, denen er seine Heilkraft zu verdanken habe. Blinde seien durch seine Behandlung wieder sehend geworden, Lahme könnten wieder laufen. Bis zu 100 spirituelle Operationen täglich stünden zudem auf dem Programm des Vielbeschäftigten. Für leichtere Fälle empfiehlt der brasilianische Guru Kristallbettbehandlungen oder Wasserfallbesuche. Und wer sich die Reise nach Brasilien nicht leisten kann, dem wird die Möglichkeit der „Fernheilung“ angeboten. Man schicke ein Passbild über den Atlantik, das der Meister mit seinen Heilkräften bedenkt, die dann ins 5000 Kilometer entfernte Deutschland wabern und Gutes tun. Uriella lässt grüßen.

Schon in jungen Jahren soll de Deus durch außerordentliche Fähigkeiten aufgefallen sein. Als 16jähriger sei er in einem spirituellen Zentrum in Ohnmacht gefallen, verrät uns seine Biographie. Später aber habe man ihm erklärt, das sei keine Ohnmacht gewesen, vielmehr habe die Wesenheit König Salomon Besitz von ihm ergriffen und verstrahle seitdem Heilkraft. Diese führe dazu, dass de Deus Krankheiten heilen könne, „die aus schulmedizinischer Sicht als unheilbar“ galten.

Nun könnte man bei derlei Absurditäten fassungslos den Kopf schütteln, den Text im Kuriositätenordner abheften und zur Tagesordnung übergehen. Doch nicht im vorliegendem Fall. Es ist schlichtweg unverantwortlich, den LeserInnen zu suggerieren, bei diesem Beitrag würde es sich um ein seriöses Angebot für alle jene handeln, die tatsächlich nach medizinischen Alternativen zur sogenannten Schulmedizin suchen. Darunter Kranke, die sich naturgemäß an jeden Strohhalm klammern. Letzteren einen dubiosen Heiler zu empfehlen ist zumindest grob fahrlässig. Bleibt die Frage, was die Südkurier-Redaktion dazu getrieben hat, derlei hanebüchenen Unfug ins Blatt zu hieven.

H.Reile